Österreich, ich komme! Schon bald werden die Grenzen wieder offen sein. Ich liege bereits auf der Lauer, den Motor lasse ich vorsichtshalber schon mal laufen. Hier die Liste der Dinge, die ich als Allererstes tun werde. Mit Sicherheit.
Mit alarmiertem Tonfall warnen unsere Politiker heute schon. Zwar sei die Öffnung der Grenzen zu unseren Nachbarländern ein wichtiger Schritt für unsere Wirtschaft. Aber dieser Einkaufstourismus, der elendige! Der geht dann ja wieder von vorne los!
Oh ja, geht er. Mit Sicherheit. Und ich fange damit an. Als Teilzeit-Rheintaler blicke ich fast täglich sehnsüchtig rüber zum Zoll, fünf Fussminuten von zuhause entfernt. Da liegt es, das himmlische Vorarlberg. Ausland, aber mir doch näher als irgendwelche Ostschweizer Gebiete, die hinter seltsamen Gebirgen liegen wie dem Ricken beispielsweise.
Deshalb volle Transparenz. Das sind die Dinge, auf die ich kaum mehr warten kann. Ob die Politiker nun damit leben können oder nicht.
1. Autowaschstrasse!
Ich fahre zunächst zum guten alten Oberscheider nach Lustenau. Klar kann man sein Auto auch in der Schweiz waschen (und darf seit kurzem sogar wieder). Aber doch nicht auf dieser Länge! Bis man hier durch ist, habe ich etwa fünf Artikel dieser Art auf dem Laptop geschrieben, meine Freundin hat sich die Nägel lackiert (Finger und Füsse), ich habe noch kurz Ferien gebucht (2023, dann wird man wieder dürfen) und zwischendurch noch die hinteren Sitze gesaugt. Und das ist nur zur Angewöhnung, eine Woche später werde ich nach Rankweil fahren, denn dort ist die Autowaschstrasse noch länger!
2. Faxe!
Ich habe wirklich lange gesucht, ich habe Grossverteiler abgeklappert und Getränkediscounter und Onlineshops. Aber nie habe ich das gefunden, was mir jedes Mal im Lebensmittelmarkt Merkur in Dornbirn die Tränen in die Augen treibt: Faxe! Faxe ist eine Bierdose. Aber nicht irgendeine. Sie enthält einen Liter. Einen LITER! Das lässt unsere Halbliterbüchsen aussehen, als wäre ein Zirkuszwerg versehentlich auf ein Basketballfeld geraten.
3. Markt!
In Dornbirn gibt es samstags einen Markt. Märkte gibt es bei uns auch, werden Sie sagen. Kommt auf die Definition an. Während bei uns die Leute von Stand zu Stand rennen, um das zu kaufen, was sie unbedingt brauchen und danach nach Hause gehen, um zu kochen, sind die Leute in Dornbirn hier, um vormittags um 10 Uhr Prosecco zu schlürfen und mit einer Bekannten über den Seitensprung der Frau vom Mesmer zu diskutieren. Und nebenbei kaufen sie Dinge, die sie garantiert nicht brauchen, aber nur, um den Standinhaber auch über den Seitensprung zu informieren. Das nenne ich einen Markt!
4. Sushi!
Ich bin ein zu gross geratenes Kind. Und ich liebe Sushi. Was macht man für gross geratene Kinder, die Sushi mögen? Ganz einfach: Man setzt ein Menü auf die Karte, bei dem die Sushi auf einem kleinen Holzschiff serviert werden. Das gibt es in Bregenz. Warum macht das in unserer Gegend niemand? Ist doch eigentlich völlig logisch, Sushi wachsen bekanntlich im Meer, und auf dem Meer hat es Schiffe, also! Und wenn ich fertig gegessen habe, nehme ich hin und wieder noch einige mitgebrachte Playmobil-Figürchen hervor. Der Pirat sticht in See!
5. Hochprozentiges!
Wenn ich in der Schweiz einen Aperitif bestelle, nehmen wir als Beispiel einen Apérol, dann erhalte ich in der Regel ein Glas, das man auch für einen Shot verwenden könnte. Die Rechnung hingegen entspricht dem Äquivalent einer Flasche des besten Champagners. In Vorarlberg ist es genau so - nur exakt umgekehrt. Das überdimensionale Glas ist randvoll, und der Preis entspricht dem, was ich in der Schweiz als Trinkgeld gebe. Natürlich habe ich ein schlechtes Gewissen, denn die Schweizer Preise richten sich nach unseren höheren Löhnen, und ich sollte ja die heimische Wirtschaft unterstützen. Praktisch ist aber: Nach zwei dieser Maxi-Gläser habe ich das total vergessen. Und falls nicht, gibt es ja immer noch Faxe.
6. Kino!
Bei uns gibt es ja eigentlich nur noch Multiplex-Kinos und ein paar wenige Stadtkinos, bei denen man sich am Morgen fragt, ob man wirklich ein Ticket kaufen soll, weil das Ding ja bereits am Abend eingestellt sein könnte. In Dornbirn beispielsweise gibt es ein muffiges kleines Kino, in dem man sich fühlt, als könnte einem gleich Humphrey Bogart über den Weg laufen (für U40-Leser: Der war mal berühmt). Popcorn am Boden werden dort als Kunst am Bau betrachtet, wer die letzte Vorstellung besucht, watet durch einen Popcornsumpf, der herrlich unter den Füssen knirscht. Und es laufen Filme, die bei den Kinobetreibern in der Schweiz gnadenlos durchfallen würden, weil man sie wirklich schauen muss, um sie zu verstehen.
7. Wellness!
Wir waren auch mal in der Schweiz wellnessen. Wirklich. Wir haben es versucht. Während wir darauf warteten, dass das Zimmer bereit ist, haben wir an der Bar einen Drink genommen. Nach diesem Drink sind wir dann gleich wieder abgefahren, weil das Budget aufgebraucht war. Mehr muss man dazu nicht sagen.
Und jetzt entschuldigen Sie mich. Ich muss mal kurz in den Rhein pinkeln. Bloss nicht zu weit weg vom Auto - es kann jeden Moment soweit sein!
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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