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Gastbeitrag

Welche Solidarität ist denn gemeint?

Man musste nicht lange darauf warten, bis das zurzeit etwas arg strapazierte Wort «Solidarität» nun auch mit der Corona-Impfung in Zusammenhang gebracht wurde.

Sonja Zünd am 27. Dezember 2020

Die Impfung solle man als «Solidaritätsakt» sehen, zitiert im Tagblatt von Andreas Möckli.

Interessant wäre es allerdings zu analysieren, welche Solidarität hier angesprochen wird. Es gibt unweigerlich Menschen, die zu einer Risikogruppe gehören und geschützt werden müssen oder sich schützen sollten. Diese Gruppe Menschen ist jedoch nicht neu, auch ein Grippevirus, Norovirus oder eine bakterielle Infektion kann bei ihnen schnell Komplikationen auslösen oder schlimmstenfalls zum Tod führen. Sie wissen also bereits, wie und wo sie sich am besten schützen. Das taten sie bereits in der Vergangenheit, mit oder ohne Impfung, eigenverantwortlich.

Für eine viel grössere Gruppe der Menschen ist es aber in erster Linie die Angst, die sie Massnahmen befolgen lässt. Womit wollen wir uns also solidarisieren? Mit einer diffusen Angst (1% der Weltbevölkerung ist mit dem Coronavirus infiziert, davon sterben ca. 0.3% an den Folgen), Solidarität mit den Politikern, die zugegebenermassen schwierige Entscheide treffen müssen, gleichzeitig aber seit Jahren einen Pflegenotstand in Heimen und Kliniken nicht in den Griff bekommen? Oder gar mit den Pharmakonzernen, die sich solche Mühe gegeben haben in kürzester Zeit einen Impfstoff auf den Markt zu bringen, der alle Rekorde schlägt?

Die Grippeimpfung ist seit 1942 auf dem Markt und hat eine Erfolgsquote von 20-30%. Dies soll nun von verschiedenen Corona-Impfungen mit 90-95% Wirkungsgrad getoppt werden, auch die für Impfungen unverzichtbaren «Langzeitstudien» wurden innerhalb von einigen Monaten möglich, entwickelt teilweise von Firmen, die bis jetzt noch keine Impfung herausgebracht haben (Biontech). Auf wissenschaftliche Daten wartet man noch, die sind ja jetzt in diesem «Notfall» nebensächlich.

Wir haben eine Pandemie, Spitäler, aber vor allem das Personal kommen teilweise an ihre Belastungsgrenze – unbestritten. Also Solidarität mit dem Pflegepersonal? Interessant nur, dass die Mehrheit des Pflegepersonals sich selber seit Jahren gegen die Grippeimpfung und nun auch gegen eine mögliche Corona-Impfung wehrt. Vielleicht weil sie wissen, dass so eine Impfung maximal 4-6 Monate wirkt, oder weil sie mehr über mögliche Nebenwirkungen und Impfschäden aufgeklärt sind?

Wo die Zahlen durchaus im Vergleich mit anderen Jahren liegen, sind die der Übersterblichkeit. In Wintern, wo die Grippe in unseren Breitengraden stark ausgefallen war (2015) hatten wir teilweise sogar höhere Todeszahlen. Nun wird damit argumentiert, das wäre den getroffenen Massnahmen zu verdanken, die Zahl der Coronatoten wäre sonst um ein vielfaches höher. Was dabei wohl vergessen wird ist, dass man gegen die Grippe ebenfalls immer Massnahmen getroffen hat, nämlich die Impfung. Risikopatienten konnten sich jedes Jahr impfen lassen. Warum also diese hohen Sterbezahlen bei einer gewöhnlichen Grippe?

Doch was ist schon ein kleiner Piks, wenn er angeblich Leben retten kann? Was ist schon das bisschen Verzicht auf Freiheitsrechte, Einschränkungen, die bis in die Familien hineingreifen – uns geht es doch sonst so gut. Die Stunde derjenigen hat geschlagen, die sich gerne als gute Menschen fühlen, weil sie doch aus «Solidarität» all die Massnahmen und eben auch die Impfung auf unbeschränkte Zeit in Kauf nehmen.

Ich frage mich, wo diese plötzliche Bereitschaft zu Verzicht herkommt? Wo ist sie, wenn es um Umweltthemen geht – eine Thematik, die nun wirklich alle Menschen die nächsten Jahre betrifft, und die das Leben unserer Kinder prägen wird. Denn «Die grösste Gefahr für unseren Planeten ist der Glaube, dass jemand anderes ihn rettet.» wie Robert Swan, britischer Polarforscher und Umweltschützer meint. Doch das ist wieder ein anderes Thema.

Solidarität ist eine edle Tugend. Sie sollte hingegen nicht unhinterfragt verwendet werden. Sind wir nämlich auch solidarisch mit den Verlierern der getroffenen Massnahmen? Den vielen alten Menschen in den Heimen, die ohne Corona, vielleicht an Einsamkeit sterben? Den kleinen Kindern, die Gesichter nur noch mit Masken kennen und deren Immunsystem bei all den «Schutzmassnahmen» vielleicht schwächer ausgebildet wird? Den vielen zusätzlichen Hungertoten auf der Welt? Mit unseren lokalen Geschäften oder Gastbetrieben, die diese Zeit wohl nicht überleben werden? Denn je kleiner, lokaler und stärker auf das reale Zusammenleben von Menschen angewiesen ein Unternehmen ist, desto bedrohter ist seine Existenz. Mit Künstlern und allen Menschen, die in der Kultur- und Veranstaltungsbranche arbeiten?

Die Liste liesse sich wohl beliebig verlängern.

Sie werden Opfer der Massnahmen, die nun durch eine heilbringende Impfung abgelöst werden und uns zu Normalität verhelfen sollen. Dass dem auch mit Impfung noch lange nicht so sein wird, hat vor kurzem Monsieur Berset bekannt gegeben.

Darum also: Lasse sich doch bitte gerne impfen, wer einer Risikogruppe angehört, sich besser geschützt damit fühlt, daran glaubt, dass danach wieder «Normalität» möglich ist oder warum auch immer. Doch bitte lassen wir das Wort Solidarität aus dem Spiel.

Ich wünsche mir Solidarität, die eigenverantwortlich ohne Moralinspritze entsteht und die auch Offenheit und Verständnis gegenüber andersdenkenden Mitmenschen beinhaltet.

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Autor/in
Sonja Zünd

Sonja Zünd (*1972) ist Primarlehrerin und Mutter zweier Teenager. Sie wohnt in Altstätten.

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