Elisabeth Federer
Viele Denkweisen und Gewohnheiten wurden durch die Corona-Krise über den Haufen geworfen. Wurden vorher die Hof- und Dorfläden nicht mal bewusst wahrgenommen, trieb der Lockdown viele dazu, gerade in diesen einkaufen zu gehen. Regionalität liegt plötzlich im Trend – doch was wird davon bleiben?
Lockdown. Was zuvor unvorstellbar war, wurde im vergangenen Frühling plötzlich Realität. Geschlossene Schulen, Läden dicht, Anlässe abgesagt. Das damals noch unbekannte Virus machte Angst, Einkaufen war häufig mit einer gespenstischen Stille und einem wahren Spiessrutenlauf verbunden. Hinter jedem Regal lauerte schliesslich die Gefahr eines Niesers oder Räusperns. Oder noch schlimmer: einem anderen Kunden. Kurz: Lebensmittel einzukaufen, machte keinen Spass mehr. Ob dies vorher für jeden der Fall war, sei einmal dahingestellt.
Geschärftes Bewusstsein
In der Folge wichen viele auf die regionalen Einkaufsmöglichkeiten und Hofläden aus. Das Gedränge konnte so aussen vor gelassen werden, und sowieso verwandelte sich das beklemmende Gefühl, wie es bei manchem in den Grossverteilern auftrat, beim regionalen Anbieter höchstens noch in ein laues Lüftchen. Auch jetzt, über ein Jahr später, sind regionale Produkte gefragt. Viele wurden ins Homeoffice befördert, sind in Kurzarbeit oder gar ohne Arbeit. Das Kochen wurde neu entdeckt, die Bananenbrote boomten, und das Rüebli von Nebenan war plötzlich gefragter denn je. «Das Bewusstsein der Konsumenten wurde durch die Krise sicherlich geschärft», sagt Elisabeth Federer, stellvertretende Geschäftsführerin des Trägervereins Culinarium. «Die Leute machen sich mehr Gedanken darüber, was sie ihrem Körper zufügen – oder eben nicht.» Man stelle sich plötzlich die Frage, ob das Bio-Produkt aus Chile wirklich so viel Sinn mache oder eben doch das regionale Produkt, das saisonal angeboten wird, dem nicht vorzuziehen ist.
Grosser Mehrwert
Doch nicht nur die Corona-Krise habe dazu geführt. Auch die Kommunikation für die Regionalität habe einen Schub erhalten. Man liest viel mehr Geschichten darüber, erfährt über innovative Ideen der Landwirte, man blickt über den Tellerrand hinaus. «Früher wurde vielleicht der Rebbauer oder der Hofladen von nebenan als unwichtig abgestempelt. Durch das vermehrte Hintergrundwissen und die Bewusstseinsförderung hat jedoch ein Umdenken stattgefunden», sagt Federer weiter. Auch das Culinarium spüre das verstärkte Interesse – in etwa dann, wenn über regionale Produkte und Angebote in den Medien berichtet wird. «Unser Magazin ‘Culinarisch’ bietet den Lesern einen grossen Mehrwert. Bereits im Vorfeld macht sich das Team Gedanken darüber, über welche Angebote und Themen wir berichten könnten.» Umweltbewegungen wie «FridaysForFuture» habe die Problematik auf den Tisch gebracht – gerade auch bei jüngeren Menschen.
Zwei Lager
Diese neuen Gewohnheiten gilt es nun, in die Zukunft mitzunehmen. «Ich hoffe sehr, dass uns das gelingt – und wir noch mehr in die richtige Richtung pushen können», so Federer. Denn die Corona-Krise teile auch hier in zwei Lager. Die einen, die auch jetzt noch auf importierte Take aways setzen – und die anderen, die frische Produkte bei den regionalen Anbietern saisonal einkaufen. «Sind wir vorher von einem Termin zum nächsten gehetzt, haben einige nun begriffen, dass das Essen ein elementarer Teil des Lebens ist.»
Mehrwert bieten
Ob sich der Erfolg durchsetzen kann, sei aber auch von den regionalen Anbietern abhängig. Mittlerweile habe man vielerorts ein gutes Angebot geschaffen. «Da kann man sich auch überlegen, wie man beispielsweise auf ‘cross sailing’, also den Querverkauf, setzen kann», so Federer. Will heissen: Der Hofladen spannt beispielsweise mit dem regionalen Weinbauer oder Käseproduzenten zusammen und bietet dessen Produkte in seinem Geschäft an. Der Konsument erhält durch das vergrösserte Angebot einen Mehrwert. Wichtig dabei sei jedoch, sich selber treu zu bleiben. «Es macht keinen Sinn, wenn der Hofladen beispielsweise importierte Ananas anbietet. Der Kunde, der regional einkauft, möchte authentische und vor allem nachhaltige Angebote.» Nur so könne das Vertrauen der Kunden beibehalten werden. Und dies auch in der Zukunft – wenn die Krise hoffentlich vorbei ist.
Manuela Bruhin (*1984) aus Waldkirch ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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