Sportliche Flüchtlinge sollen die Chance erhalten, dass ihr Talent individuell gefördert wird. Das neue «Refugee Programme» des Talent-Campus Bodensee will damit die Jugendlichen an das Leben in der Schweiz heranführen.
«Grenzenloses Lernen» und «Grenzen überwinden» - das waren die Stichworte, die schliesslich den Stein, oder besser, den Ball ins Rollen brachten. Der Talent-Campus Bodensee steht in direkter Nachbarschaft zu Deutschland. Und diese «Grenzen» will man neu auch mit dem neuen «Refugee Programme» überwinden. Als Reto Ammann, CEO SBW Haus des Lernens AG, in Rio an den Olympischen Spielen die Athleten laufen sah, kam ihm der Gedanke auf, wie hart die Sportler wohl im Vorfeld dafür trainiert haben mussten. Und dies bereits seit ihrer Jugend.
Auf seine Nachfrage bei Swiss Olympics und Olympic Solidarity, ob es ein entsprechendes Sportförder-Programm für Jugendliche gibt, erhielt er jedoch keine positive Antwort. «Wir wollen die Menschen jedoch in ihren Stärken stärken», fasst er das generelle Credo aller SBW Lernhäuser zusammen. Durch ihr sportliches Talent sollen letztlich gerade auch die Flüchtlinge besser in der Schweiz integriert werden.
Von der Idee bis zur Projektlancierung vergingen fast vier Jahre. Doch die Mühen, die vielen Herausforderungen zu bewältigen, haben sich gelohnt, wie Ammann betont. «Die Idee zu haben, ist das eine. Doch anschliessend braucht es Durchhaltewillen und Geduld, bis alle Bereiche und Bedürfnisse zufriedengestellt sind.» Im Sport sei es häufig einfacher, Talente schnell herauskristallisieren zu können. Und damit werde der Grundstein für die Idee gelegt, die aber darüber hinauswachsen kann: Integration über Stärken stärken als neuer Ansatz.
Das neue Programm lehnt sich an das bereits laufende des Internationalen Olympischen Komitees, IOC, und des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) an. Bis zu 15 Jugendliche zwischen 12 und 20 Jahren können im Idealfall in den nächsten vier Jahren ihr sportliches Talent unter Beweis stellen. Sie sind anerkannte Flüchtlinge oder vorläufig Aufgenommene, die bereits in der Schweiz wohnhaft sind. Im Talent-Campus Bodensee besuchen sie die Schule oder eine berufliche Ausbildung. «Der TCB ist dabei weit mehr als eine reine Sport-Schule. Auch in anderen Bereichen, wie beispielsweise der Kunst oder der Persönlichkeitsentwicklung engagieren wir uns stark», so Ammann weiter.
Das Projekt wird vom Staatssekretariat für Migration und dem Bundesamt für Sport unterstützt. Bis zur endgültigen Aufnahme der Flüchtlinge müssten zwar einige Kriterien erfüllt sein – oder, um es in Ammanns Worten auszudrücken, «Hürden genommen werden». «Aber wenn wir nur einem Menschen ermöglichen, seinen sportlichen Traum leben zu können, ergibt das bereits einen schönen Wert und ist ein kleiner Beitrag für gelebte Integration.» Das Projekt ist zwar im Kanton Thurgau angesiedelt, funktioniert aber über die Kantonsgrenzen hinaus. Man wolle schliesslich gleiche Möglichkeiten für alle schaffen.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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