Sie hat Exekutiverfahrung als ehemalige Stadträtin von Rapperswil-Jona. Den Sprung an die Spitze der Stadt hat sie seinerzeit nicht geschafft, ebenso wenig den auf die nationale Bühne. Nun will Rahel Würmli in die St.Galler Regierung. Die Geografie spricht für sie - und gleichzeitig auch gegen sie.
Wer in Rapperswil-Jona politisch aktiv ist, den erschreckt so leicht nichts mehr. Die Stadt hinter (oder je nach Perspektive vor) dem Ricken ist kein gemütlicher Flecken. Jedenfalls nicht in den letzten Jahren. Das lag nicht zuletzt daran, dass sich mit den «Obersee Nachrichten» (ON) eine Wochenzeitung sehr aktiv in die Politik einmischte, bevor die neue Besitzerschaft dort einen personellen und damit auch einen Richtungswechsel vollzog.
Zwei Stichworte sind es, die für Unruhen sorgten. Die KESB Linth, die der ehemalige ON-Verleger Bruno Hug mit einer Serie von kritischen Artikeln überzog, eine Auseinandersetzung, die später vor Gericht ausgetragen wurde. Und im Sog dieser Sache die Stadtratswahlen 2016, bei denen der amtierende Stadtpräsident Erich Zoller abgewählt wurde. Als Kuriosum erhielt Verleger Hug damals im ersten Wahlgang am meisten Stimmen, zog sich dann zurück und machte den Weg frei für das heutige Stadtoberhaupt Martin Stöckling (FDP). Es kommt selten vor, dass einer so gut wie gewählt ist und dann verzichtet, aber Hug hatte andere Pläne - er wollte wohl nur ein Zeichen setzen.
Was Rahel Würmli damit zu tun hat? Einiges. Sie sass zwölf Jahre im Stadtrat von Rapperswil-Jona, und das für die UGS, was ausgedeutscht «Unabhängig, grün, sozial» heisst. Und sie war Teil der Wirren ums Stadtpräsidium. Im ersten Wahlgang, als keiner das absolute Mehr schaffte, der Querdenker Bruno Hug aber dem Amtsinhaber Erich Zoller das Wasser abgrub, konnte Würmli noch relativ teilnahmslos zusehen. Sie nahm an jenen Stadtratswahlen nicht mehr teil, weil, wie sie erklärte, zwölf Jahre genug seien. Im zweiten Durchgang stieg sie dann aber ein und komplettierte eine ziemlich unübersichtliche Situation. Martin Stöckling kam neu für die FDP, die CVP liess den Stadtpräsidenten Zoller fallen und portierte Peter Göldi, Zoller kam aber doch, dann noch ein parteiloser Kandidat - und eben Rahel Würmli.
Das Resultat damals war überdeutlich, Stöckling wurde mit fast 5000 Stimmen massivem Vorsprung gewählt, weit hinter ihm lagen die beiden CVP-Kandidaten mit jeweils um die 1600 Stimmen. Würmli kam auf 925. Das war, im Nachhinein, eigentlich ein unschönes Ende ihrer lokalen Politkarriere. Nach zwölf Jahren engagierter Arbeit im Stadtrat resultierte ein doch sehr mässiges Ergebnis beim Griff nach dem Stadtpräsidium. Wobei man fairerweise sagen muss, dass der Grünen keine Chancen zugerechnet worden waren. Sie selbst sah das Ganze (zweckoptimistisch?) anders. In der «Südostschweiz» sagte sie auf die Frage nach ihren Chancen: «Rein rechnerisch 20 Prozent, aber ich glaube sie stehen bei 50 Prozent.»
Die Natur- und Umweltfachfrau stürzte sich später wieder in berufliche Aktivitäten, sie ist aktuell Leiterin der Fachstelle Alter und Gesundheit der Stadt Wetzikon. Dass sie mit der Politik nicht abgeschlossen hat, zeigte sich am vergangenen 20. Oktober, als sie für den Nationalrat kandidierte. Bekanntlich holte die St.Gallerin Franziska Ryser einen Sitz für die Grünen, Würmli schloss auf dem guten vierten Platz ab. Sie kam allerdings nicht in den Bereich von alt Nationalrätin Yvonne Gilli, bei der nicht viel fehlte zu einem Comeback. Zur Erinnerung: Auch Gilli wurde immer wieder mit einer möglichen Regierungskandidatur in Verbindung gebracht.
Rahel Würmlis Vorteil bei der Wahl im kommenden März ist zugleich ihr Nachteil. Eine Kandidatur aus dem Linthgebiet wird dort sicher gern gesehen, da nach Beni Würth diese Region Stand heute nicht mehr in der St.Galler Regierung vertreten wäre. Gleichzeitig muss man feststellen, dass Würmlis Bekanntheitsgrad im restlichen Kanton ziemlich mager ist. Wer gerade in Rapperswil-Jona im Stadtrat sitzt, nimmt man in anderen Gegenden von St.Gallen kaum zur Kenntnis (umgekehrt übrigens auch). Ob die grüne Welle ausreicht, um das auszugleichen, ist zweifelhaft.
Die Grünen waren bei ihrer Auswahl allerdings wohl auch nicht ganz frei. Dass sie eine Frau ins Rennen schicken, dürfte bei ihnen zwingend gewesen sein. Interessante andere mögliche Kandidaturen wie die des St.Gallers Patrick Ziltener waren da wohl von Anfang an ausser Traktanden.
Natürlich haben es in der Vergangenheit immer wieder Leute aus dem Linthgebiet in die Pfalz geschafft, allerdings unter anderen Vorzeichen. Joe Keller (2000 bis 2011) und Beni Würth (ab 2011) kamen beide aus dem Gemeinepräsidium von Jona beziehungsweise später Rapperswil-Jona in die Regierung, stammten aber nicht aus dieser Region und hatten vorher andernorts Ämter bekleidet. Ihre Wählerbasis war damit auch geografisch breiter als derjenige einer ehemaligen Stadträtin von Rapperswil-Jona.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.