Das «Johanniter», das Bier aus der Komturei Tobel.
Der Name der Thurgauer Gemeinde Tobel war bis vor wenigen Jahren mit wenig positiven Assoziationen verknüpft, sie war vor allem für ihr Zuchthaus bekannt. Ein eigenes Bier will zu einer Imagekorrektur beitragen.
Vor rund vierzig Jahren unterbrach die Komturei Tobel ihren Dornröschenschlaf. Kein Prinz, sondern eine Filmcrew holte sie vorübergehend aus der Lethargie. Der Schweizer Regisseur Markus Imhoof (More than Honey) drehte im stillgelegten Gefängnis einzelne Szenen zu seinem Oscar nominierten Drama «Das Boot ist voll». Es thematisiert den Umgang der Schweiz mit Flüchtlingen aus Nazi-Deutschland. Die massiven Gitter vor den Fenstern und die baufällige Substanz verleihen den Bildern eine Ambiance von Trostlosigkeit.
Grosser Gutsbetrieb
Sieben Jahre zuvor hatten die letzten echten Strafgefangenen den düsteren Gebäudekomplex verlassen. Das Zucht- und Arbeitshaus hatte von 1811 bis 1973 bestanden. Nach seiner Stilllegung wurde ein Teil des Gefängnistraktes zurückgebaut. Seine Relikte sind ein Zeugnis für den restriktiven Umgang der Gesellschaft, die sich mit jenen, die sich mit ihren Spielregeln schwer taten.
Abbruch und Aufbau ist ein Thema, das die bewegte der Geschichte der 4,5 Hektaren grosse Anlage durchzieht. In ihr stehen insgesamt zwölf Gebäude in unterschiedlichem Zustand sowie Bauplätze für vier weitere. Auch Wald, Gewässer und Wiesen gehören zu ihr.
Historische Symbole
1683 soll das damals bestehende Ritterhaus während eines ausgelassenen Festes zusammengebrochen sein. 1706 wurde die Kirche abgebrochen und an einem Standort in der Nähe wieder aufgebaut. Sie steckt voller Zeichen und Symbole. Ein Autor historischer Thriller à la Dan Brown fände dort einige Inspirationen. Rund vierzig Jahre später wurde der Komturei-Komplex erheblich umgebaut.
Hoher Finanzbedarf
Ursprünglich war die Komturei eine Niederlassung des Johanniterordens. Sie bestand von 1228 bis 1809. Ab 1809 war sie im Besitz des Kantons Thurgau. Nach der Auflösung des Gefängnisses sollte ein Museum für Dorf- und Bauernkultur eingerichtet werden. Es wurde diesem Vorhaben dermassen viel politischer Wiederstand entgegengebracht, dass der Plan begraben werden musste. Mittlerweile versucht eine 2006 gegründete Stiftung die teils baufällige Anlage in eine lebendige Zukunft zu überführen. Gemäss Schätzungen besteht ein Investitionsbedarf von 4,5 Millionen Franken.
«Das langfristige Konzept baut auf den Synergien aus der wirtschaftlichen Nutzung der Anlage, der Vernetzung von Betrieben, Mietern und den verschiedenen Angeboten auf dem Areal der Komturei», umschreiben die Initianten auf der Homepage ihre Vision. «Derzeit fördern wir vor allem Letzteres, um mit realen Inhalten dafür zu sorgen, dass sich auch die 'Schale' verändert. Dieser Weg erfordert Arbeit, Geduld und ein tragfähiges Netzwerk uneigennütziger Menschen.» Konkret wurde etwa die historische Pilgerherberge reaktiviert. Die Komturei liegt am Jakobsweg, der von Norddeutschland bis nach Santiago de Compostela in Spanien führt.
Inspiriert vom Pilgerweg
Sozusagen als Botschafter der neuen Phase dient das Johanniter Komturei Bier. Es lehnt sich an die Tradition der Jakobsweg-Pilger an. Bei ihnen war Bier als nahrhaftes Getränk beliebt. Deshalb trägt das Komturei Bier eine Jakobsmuschel auf der Etikette, die als Symbol für den Pilgerweg steht.
Seine Ursprünge hat das Bier bei zwei Unternehmern aus Tobel, die es 2006 in der Komturei eher als Liebhaberei, denn als Geschäft begründeten. Es war so erfolgreich, dass sie es entweder als professionelles Business aufbauen oder die Produktion abgeben mussten. 2009 übernahm die Komturei-Stiftung die Marke.
Insidertipp in Zürich
Das Bier wurde in Zusammenarbeit mit der Brauerei Locher in Appenzell weiterentwickelt, dort wird es mittlerweile auch gebraut. Es gehört in die Gruppe der Genussbiere und ist damit weniger als Durstlöscher geeignet. Es ist bernsteinfarbig und leicht herb. Die Ausgangsmaterialien stammen alle aus der Ostschweiz.
Zu seiner besonderen Geschmacksnote trägt die mehrwöchige Lagerung in einem Gewölbekeller bei. Es wird vor allem in der Region um Tobel gekauft und getrunken. Aber auch in einigen Trendlokalen in Zürich gilt das Bier aus der Provinz als Geheimtipp. Der Verkaufserlös fliesst in die Stiftung der Komturei.
Weitere Informationen gibt es hier.
Das «Johanniter», das Bier aus der Komturei Tobel.
Adrian Zeller (*1958) hat die St.Galler Schule für Journalismus absolviert. Er ist seit 1975 nebenberuflich, seit 1995 hauptberuflich journalistisch tätig. Zeller arbeitet für diverse Zeitschriften, Tageszeitungen und Internetportale. Er lebt in Wil.
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