Der St.Galler Marc Schlegel wurde mit seiner «Low Carb»-Pizza bei «Die Höhle der Löwen» auf einen Schlag bekannt. Drei Jahre und Umsätze in Millionenhöhe später kann er sein Sortiment ausbauen.
Eine Pizza, die nicht dick macht, Schokokekse, bei denen auch zwei oder drei drinliegen oder Brötchen, die sich nicht an den Hüften bemerkbar machen – eure Produkte haben offenbar unzählige Fans und Kunden gefunden. Wie bist du auf die Idee gekommen, auf Low Carb und gesunde Produkte zu setzen? Damals war der Hype darum ja noch nicht so riesig wie heute.
Mein Mitgründer Matthias hat nach einer schweren Sportverletzung seine Ernährung komplett umgestellt und mit «Low Carb» sehr gute Erfahrungen gemacht, da die Wirkung entzündungshemmend ist. Wir haben uns beide bei einem Praktikum 2012 bei der Deutschen Bank in Frankfurt kennengelernt, haben jedoch schnell gemerkt: Konzern ist nicht das Richtige für uns. Vielmehr haben wir zahlreiche digitale Ideen gesponnen und daneben gut gekocht und gegessen.
Und dann?
Bei einem Brainstorming-Abendessen haben wir Freunde eingeladen, um über die Weiterentwicklung unserer App-Ideen zu sprechen. Die zum Abendessen servierte Leinsamenpizza hat aber allen Digital-Ideen komplett die Show gestohlen. Aufgrund des tollen Feedbacks sowie der Tatsache, dass wir selbst dankbare Abnehmer eines solchen Produkts gewesen wären, aber weder in Deutschland noch sonstwo in Europa etwas ähnliches gefunden haben, entschlossen wir uns, der Idee eine Chance zu geben und Lizza Leinsamenpizza (Low Carb Pizza) an Streetfoodmärkten zu testen.
2016 nahmt ihr mit eurer Idee an der Sendung «Die Höhle der Löwen» teil. Und seid anschliessend voll durchgestartet. In den ersten vier Stunden nach der Ausstrahlung erzielte eure Firma einen Online-Umsatz von 400'000 Euro, insgesamt im Jahr 2016 1.4 Millionen Euro – ein Jahr zuvor waren es noch 50'000 Euro. Hättet ihr euch solche Zahlen je erhofft?
Die Zahlen wirken auch rückblickend noch völlig verblüffend, sind aber korrekt. Während der Ausstrahlung bei der «Höhle der Löwen» wurden wir auf einen Schlag einem Millionenpublikum bekannt.
Wie ging es danach weiter?
Während der Sendung und in den Wochen danach wurde uns eine riesige Aufmerksamkeit zu Teil, die sich in mehreren Zehntausend Onlinebestellungen niederschlug. Was uns einerseits riesig freute, stellte uns andererseits vor riesige logistische Herausforderungen. Mit der Medienaufmerksamkeit kamen auch die ersten Supermarktanfragen. Binnen weniger Monate waren wir in Deutschland mit unserem #leinzigartigen Pizzateig in mehreren Tausend Märkten gelistet.
Hättet ihr es auch ohne die Sendung geschafft?
Bereits in den Monaten vor der Sendung haben wir mit unserem Onlineshop über 250.000 Euro umgesetzt. Entsprechend selbstbewusst waren wir in der «Höhle der Löwen». Wir waren überzeugt, den Weg auch ohne einen Löwen zu schaffen, wenngleich auch langsamer…
Zeigte die Kurve immer nach oben – oder gab es auch Durststrecken?
Es liegt in der Natur des Startups, dass Dinge schief gehen, Sachen hinten runterfallen und längst nicht alles klappt. So hatten auch wir zahlreiche Durststrecken, mussten mit abspringenden Kunden umgehen, genauso, wie mit vielen Stolpersteinen im Aufbau einer eigenen Produktion (Stichwort Zertifizierungen) sowie der Kühllogistik.
Welches war dabei die wohl grösste Herausforderung, die ihr meistern musstet?
Liquiditätsmanagement ist wohl eine der grössten, wenn nicht die grösste Herausforderung im Startup, insbesondere im produzierenden Gewerbe. Vom Rohstoffeinkauf, der meist im Voraus bezahlt werden muss, bis hin zum Zahlungseingang eines Supermarktkunden können gut und gerne vier Monate vergehen.
Mittlerweile habt ihr euer Angebot erweitert, die Konkurrenz ist gewachsen. Der Markt mit gesunden und kohlenhydratarmen Produkten boomt, aber nur die wenigsten können sich aufgrund ihres Geschmacks durchsetzen. Was habt ihr anders oder besser gemacht als die Konkurrenz?
Wir setzen von Anbeginn an auf 100 Prozent Leinsamen. Das klingt einfach, ist aber durchwegs komplex: Vom Souring in der richtigen Qualität und Körnung bis hin zur überaus komplexen Verarbeitung (Produktion) stellt der Leinsamen zahlreiche Anforderungen, überzeugt aber mit einem leicht nussigen, tollen Geschmack und bietet Nährwerte, die das gesamte Regal in den Schatten stellt.
Warum hast du dich entschieden, euer Start-up nicht in der Schweiz aufzuziehen?
Die Entscheidung, ein Unternehmen in Deutschland aufzubauen, lag primär daran, dass mein Mitgründer und ich uns in Frankfurt wohl gefühlt haben und sich in der Rhein-Main Region «eins nach dem anderen» ergeben hat. Das war also keine bewusste Entscheidung «gegen die Schweiz» – vielmehr sind wir dem «Flow» gefolgt…
Ein überaus erfolgreicher «Flow». Welche Pläne und Ziele verfolgt ihr weiterhin?
Angefangen mit Pizza haben wir uns deutlich weiterentwickelt und arbeiten an immer grösser werdenden Low Carb Produktportfolio, um Kunden ganztags, das heisst, über alle Mahlzeiten hinweg zu begleiten. Aktuell vertreiben wir primär in Deutschland, Österreich und der Schweiz – zukünftig wollen wir auch die umliegenden EU-Länder mit Lizza Low Carb Genuss beglücken.
Zur Person
Marc Schlegel ist 32 Jahre alt, geboren und aufgewachsen in Flums SG. Angefangen mit Lizza hat er in einem Foodtruck im April 2015. Die Gründung der GmbH und Aufbau einer eigenen Teigproduktion erfolgten dann ab Januar 2016. Aktuell arbeiten 35 Mitarbeiter am Standort Frankfurt mit eigener IFS-zertifizierter Produktion und Vertrieb via Onlineshop und mittlerweile über 5’000 Supermärkte in Deutschland, Österreich und seit September auch bei Coop in der Schweiz. Das Unternehmen erzielt einen Jahresumsatz (2019) von fünf Millionen Euro.
Manuela Bruhin (*1984) aus Waldkirch ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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