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WortOrt mit Pascal Michel

Wie Söldner Rohner in die tunesische Sklaverei gelangte

Der Frauenfelder Journalist und Historiker Pascal Michel liest am Samstag in Schwellbrunn aus seinem Buch «Zehn Jahre versklavt». In diesem Sachbuch geht es um den Appenzeller Johannes Rohner, der im 19. Jahrhundert in Tunis als Sklave gehalten wurde.

Michel Bossart am 16. März 2023

Für Historiker ist es ein Glücksfall: Man stolpert mehr oder weniger zufällig über eine historische Quelle, die sich als derart ergiebig erweist, dass man daraus ein ganzes Buch machen kann. Dem 31-jährigen Frauenfelder Historiker und Journalisten Pascal Michel ist es so (ähnlich) passiert. Zwar interessierte er sich bereits zu seinen Studienzeiten für die Themen Kolonialismus und Sklaverei, beziehungsweise dafür, inwiefern die Schweiz davon betroffen war. Als er aber den Namen Johannes Rohner (1777-1855) zum ersten Mal las, dachte er nicht, dass die Quellenlage zum Appenzeller, der zehn Jahre lange als Sklave in Tunis gehalten wurde, noch derart unerforscht und bislang unaufgearbeitet geblieben ist.

Das hat sich nun geändert. Michel hat ein Sachbuch («Zehn Jahre versklavt») geschrieben, das kürzlich im Appenzeller Verlag erschienen ist. Als Ausgangslage diente ihm vor allem der von Johannes Rohner selbst verfasste und erstmals 1825 veröffentlichte Erlebnisbericht. Diesen hat Michel minuziös auseinandergenommen, beleuchtet, kritisch hinterfragt und in einen historischen Kontext gebettet. Entstanden ist ein Werk, das sowohl den Anspruch der Wissenschaft befriedigt als auch denjenigen einer Leserschaft, die zwar historisch interessiert, aber nicht in der Forschung tätig ist.

Zirka zwei Jahre habe er an diesem Buch gearbeitet, sagt Michel gegenüber «Die Ostschweiz». «Ich habe rasch gemerkt», meint er, «dass diese Geschichte ein gewisses Potenzial hat.» So sei sie ein Erlebnisbericht, bei dem es um Identität gehe, um das lukrative Söldnerwesen ganz allgemein und um die Solidarität mit einem, der in der Fremde gefangen gehalten wurde. Dank des lokalen Bezugs und der unaufgearbeiteten Quellenlage habe sich mit dem Appenzeller Verlag relativ rasch ein Verleger für sein Buch gefunden.

Das Erforschen und die Deutung historischer Quellen sei für ihn eine willkommene Abwechslung zum Tagesjournalismus, sagt Michel. Ein neues Projekt habe er derzeit noch nicht im Hinterkopf. Er ist aber überzeugt, dass das Thema noch nicht ausgereizt ist. Im Rahmen seiner Recherchen sei er auf drei weitere Sklavenberichte von Schweizern gestossen, die bisher kaum betrachtet worden seien. «Und ich bin sicher, dass in den Archiven noch viele weitere Geschichten von christlichen Sklaven aus der Eidgenossenschaft auf ihre Entdeckung warten.»

Der historische Blick sei auch für die Gegenwart interessant, meint Michel. Gut möglich also, dass die historisch interessierte Schweiz gar nicht so lange auf eine neue Recherchearbeit von ihm warten muss.

Im Rahmen der zweiten Ausgabe von WortOrt im Verlagshaus in Schwellbrunn spricht Lektorin Susanna Schoch diesen Samstag um 11.30 Uhr mit Pascal Michel über «Zehn Jahre versklavt». Dieser wird auch einzelne Passagen aus dem Buch vorlesen. Das vollständige Programm ist auf der Webseite des Verlags abrufbar.

«Zehn Jahre versklavt» kann mit 15 Prozent bei buch-schweiz.ch erworben werden. Einfach bei der Bestellung den Aktionscode «Johannes Rohner» eingeben.

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Stölzle /  Brányik
Autor/in
Michel Bossart

Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).

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