Autor/in
Thomas Ritter
Senior Management Consultant bei Nellen & Partner in Zürich.
Senior Management Consultant bei Nellen & Partner in Zürich.
COVID-19 hat einen starken Einfluss auf die Weltwirtschaft und die Unternehmen in der Schweiz. Lässt sich ein Unterschied nach der Grösse der Organisation feststellen: Bewältigen etablierte Unternehmen die Herausforderungen der Pandemie besser als Neugründungen?
Grosse Unternehmen haben oft eingespielte Prozesse und die nötigen Ressourcen, um auf komplexe Situationen zu reagieren. Gleichzeitig kann ein Konzern schwerfälliger sein und langsamer auf veränderte Rahmenbedingungen antworten.
Der Branchenverband Swiss Finance Startups hat seine Mitglieder zu den Auswirkungen von COVID-19 befragt. Dabei gaben 83 Prozent an, dass sie in der Coronakrise grosse bis sehr grosse Chancen für Fintechs sehen.
Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer bestätigte, dass sie trotz COVID-19 kurzfristig Mitarbeiter einstellen wollen. Lediglich sieben Prozent sprachen über einen möglichen Abbau von Arbeitsplätzen.
Wie decken Start-ups ihren Kapitalbedarf?
Banken sind bei der Kreditvergabe derzeit vorsichtig. Gleichzeitig halten sich in der Coronakrise ausländische Investoren zurück, wenn es um die Unterstützung neu gegründeter Unternehmen durch Risikokapital geht. Allerdings haben schweizerische Risikokapitalgeber einen grossen Teil der entstehenden Finanzierungslücke gefüllt.
Staatliche Überbrückungskredite sorgen dafür, dass die Liquidität erhalten bleibt, doch für das Wachstum junger Unternehmen reicht dies nicht aus. Manche Start-ups fielen anfangs zudem durch das Netz der staatlichen Unterstützung.
Start-ups anderer Branchen schauen zum Teil weniger optimistisch in die nahe Zukunft als die banknahen Fintechs. Generell leiden Neugründungen besonders unter COVID-19. Wer für dieses Jahr oder 2021 die nächste Finanzierungsrunde eingeplant hat, hat erste Zweifel, ob sich der Kapitalbedarf decken lässt. Da klassische Netzwerk-Veranstaltungen mit Business Angels und weiteren potenziellen Investoren nicht stattfinden, ist das eigene Netzwerk stärker gefragt.
Wer als besonders innovatives und aussichtsreiches Start-up gilt, profitiert von einem Bürgschaftswesen des Bundes, das Corona-bedingte Insolvenzen verhindern soll. Sofern der zuständige Kanton das Instrument anbietet, kann das Start-up bis Ende August 2020 die KMU-Bürgschaft beantragen. Dabei bürgt der Bund für 65 Prozent und der Kanton für 35 Prozent des Kredits.
Das zeigt, dass die Nachfrage nach digitalen Finanzlösungen durch die Pandemie stark angestiegen ist. Auch klassische Banken strecken ihre Fühler Richtung Fintechs aus, um sich durch eine Kooperation schlanker aufzustellen und Kosten zu sparen. Das heisst nicht, dass die Coronakrise einen Bogen um Fintechs macht. Jedes vierte der befragten schweizerischen Fintechs nutzt das Instrument der Kurzarbeit und 14 Prozent nehmen staatliche Überbrückungskredite in Anspruch.
Insurtechs profitieren von der verstärkten Digitalisierung durch Corona
Ähnlich wie bei den Fintechs, zeigen sich die schweizerischen Insurtechs in der Coronakrise verhalten optimistisch. Der Verband Digitalversicherung Schweiz (VDVS) befragte im Mai 2020 seine Mitglieder zu den Auswirkungen der Pandemie. Trotz Lockdown im März und April gaben 84 Prozent an, dass sie ihr Portfolio an Kunden und ihr Prämienvolumen stabil halten konnten oder weiter steigern. Daher plant jedes dritte Mitgliedsunternehmen, sein Team in den nächsten zwölf Monaten zu vergrössern.
Ähnlich wie die Fintechs sehen sie einen steigenden Bedarf für digitale Versicherungslösungen. Sie glauben, dass sich das Verhalten der Verbraucher nachhaltig ändern wird – und zwar über alle Altersgruppen.
Homeoffice und Führung neu gedacht: Wie verändert COVID 19 die Unternehmen?
Neun von zehn Fintechs in der Schweiz arbeiten zu Zeiten der Coronakrise überwiegend oder komplett aus dem Homeoffice. Der Corona-bedingte Umzug an den häuslichen Schreibtisch hat für die Mitarbeitenden Fintechs keine grosse Hürde dargestellt. Im Gegensatz zu manchen eher traditionellen Arbeitgebern war das mobile Arbeiten bei den meisten Start-ups schon zuvor gang und gäbe. Daher verloren sie zu Beginn der Krise keine wertvolle Zeit, um sichere Arbeitsbedingungen für ihr Team zu Hause zu ermöglichen.
Die Fachhochschule Nordwestschweiz publizierte gemeinsam mit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften die Studie zur Umstellung auf Homeoffice in der Schweiz während der Covid19 Krise.
Die Befragten votierten klar für das Arbeiten im Homeoffice. Mehr als 70 Prozent bestätigten, dass sie sich im heimischen Büro „wohl oder sogar sehr wohl“ fühlen und dort gerne nach der Pandemie weiterarbeiten würden. Zu den positiven Effekten gehören flexiblere Arbeitszeiten und die Zeitersparnis, da sie seltener pendeln.
Trotzdem fehlt vielen der spontane Austausch mit Kollegen an der Kaffeemaschine oder beim Mittagessen und lässt sich nur zum Teil durch Videocalls kompensieren. Um den Zusammenhalt im Team zu stärken und zu erhalten, sind regelmässige persönliche Treffen auf lange Sicht unerlässlich. Trotzdem zeichnet sich ab, dass der Trend zum (teilweisen) Arbeiten von zu Hause unumkehrbar ist.
Zentral für das Funktionieren der Zusammenarbeit auf Distanz und über mehrere Standorte ist eine gute digitale Führung. Im Idealfall setzt die Führungskraft passende Software ein und kommuniziert auch über die physische Distanz jederzeit emphatisch. Das wechselseitige Vertrauen und transparente Entscheidungen sind dabei wichtige Schlüsselbegriffe.
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