Oder: Warum sich Waldmeyer gerade am Jahresende über zu begrünende Baucontainer und andere absurde Sachen ärgert.
Die verqueren Pläne der rot-grünen Zürcher Stadtregierung sehen vor, bei Bauvorhaben die Oberseite von Containern begrünen zu lassen. Also zwangszubegrünen. Vordergründig amüsant, aber letztlich gar nicht so lustig, findet Max Waldmeyer.
Waldmeyer brauchte mehrere Wochen, um sich vom Ärger zu erholen und sich einen Reim auf die neuesten Pläne in Zürich zu machen.
Schon vor ein paar Monaten mussten wir einen mehr als merkwürdigen Vorstoss des Stadtparlaments zur Kenntnis nehmen: Private Dachgärten sollen künftig der Öffentlichkeit frei zugänglich gemacht werden. Das sind Enteignungs-Vorstösse, und nicht einmal der gute Karl Marx hätte sich solch schöne Umverteilungsideen des Kapitals erhofft.
Und nun also die Container. Aber auch dies geschieht nur zum Allgemeinwohl: Die individuellen Luftsäulen über jedem Container (im Durchschnitt auf einer Fläche von 15 m2), welche den C02-Ausstoss, global gesehen, bestimmt markant reduzieren werden, sind eben ein positiver Beitrag gegen die Klimaerwärmung. Zudem soll so «die lokale Biodiversität zu spürbar besserer Lebensqualität» vor Ort führen.
Allerdings, so die Vermutung Waldmeyers: Dieser raffinierte Containerplan könnte nur der Anfang sein. Was kommt als nächstes? Die Begrünung der Gehwege? Künftig müssten die Zürcher Banker also besseres Schuhwerk bereithalten, wenn sie durch die Sumpfwiesen die Bahnhofstrasse runterstapfen. Innert Kürze könnten auch die Strassen fallen: nur noch Acker, gepflegt von neuen StaatsdienerInnen (oder Staatsdiener*innen?), vielleicht in einer Dreifelder-Wirtschaft? Offroadfans hätten sich zu früh gefreut, denn das ginge natürlich mit einem kompletten Fahrverbot in der Innenstadt einher.
Auch Waldmeyers Porsche Cayenne (früher schwarz, innen auch) müsste in einer ersten Phase wohl mit einem begrünten Dach leben, in der zweiten Phase dann allerdings stillgelegt werden. Anschliessend wären alle Hausdächer dran, dann vielleicht die Menschen. Und das nicht nur in Zürich. Denn Biel, Luzern oder St. Gallen werden rasch folgen.
Die totale Begrünung also. Und deren Finanzierung? Kein Problem: Dafür sind die Bürger zuständig, bzw. die Container-Eigner. Oder die vermögenden Besitzer der Firmen, welche noch bereit sind, in den künftigen Kibbuz-Städten Bauvorhaben zu realisieren. Das wird allerdings keinen markanten Einfluss auf die fortschreitende Umverteilung haben, denn das oberste Prozent der Bürger schultert bereits fast 25% des gesamten Steueraufkommens. Das auch dieses oberste Prozent künftig vielleicht ein subventioniertes Lastenrad betreiben darf, könnte ein kleiner Lichtblick sein.
Doch zurück zu den begrünten Containern. Es ist schon bemerkenswert, mit welchen Problemen wir uns auseinandersetzen dürfen. In einer hochentwickelten Welt sublimieren sich die echten Probleme quasi, und es werden dann ziemlich einfältige oder weltfremde und absurde Themen gewälzt. Das sind natürliche Ausprägungen der Wohlstandsfalle. In Somalia gelten andere Massstäbe. Im tiefen Toggenburg auch.
Aber das mit den Containern könnte Waldmeyer vielleicht so was von egal sein. Er wohnt ja in Meisterschwanden! Waldmeyer blickte von seiner grossen Terrasse aus ins Grün Richtung See runter. Alles war grün, der Garten, die Gärten der Nachbarn, die Wiesen, manchmal auch der See. Das gegenüberliegende Ufer, zum Teil bewaldet, ebenso. Die Waldbestände erhöhen sich in der Schweiz übrigens jährlich um Dutzende von Quadratkilometer. Schön, dass sich die Zürcher Exekutivpolitiker mit dem nicht zufriedengeben und ein paar einzelne Quadratmeter Grün zusätzlich vorschreiben. Waldmeyer überschlug kurz: 1 Quadratkilometer hat 1 Million Quadratmeter; es gälte also rund 67‘000 Container zu begrünen, um das Schweizer Grüntotal nur um einen einzigen Quadratkilometer zu erhöhen. Es müsste also eine ganze Menge an Bauvorhaben realisiert werden.
Diese Rechnung war amüsant, aber Waldmeyer ging es eigentlich um dieses Vorschreiben, um diese zunehmende und wenig zielführende Regeldichte, welche ihm den Atem stockte. Und das mit den Containern, so fiel ihm deshalb ein, dürfte ihm deshalb trotzdem nicht egal sein: Es besass nämlich UBS-Aktien. Es war kein guter Entscheid, vor 20 Jahren, als er sie bei CHF 40 als sichere Langfristanlage gekauft hatte (heute dümpeln sie bei jämmerlichen CHF 16 vor sich hin). Und jetzt der Zusammenhang: Diese glücklose Begrünungs-Schlacht in Zürich verteuert nämlich die Ausschreibungen der Stadt, die Ausschreibungen verteuern die Ausgaben, was tendenziell zu schlechten Abschlüssen der Gemeinde führt – welche wiederum Einfluss auf die Steuerlast nehmen. Die UBS versteuert einen Teil ihrer Gewinne nämlich in der Stadt Zürich; damit reduzieren sich – wenn auch im Nanobereich – deren Gewinne, folglich behindert dies eine gute Kursentwicklung der UBS-Aktie. Mit jedem Container Begrünung verliert Waldmeyer also Geld - und das von Meisterschwanden aus!
Waldmeyer reflektierte weiter: Es hängt also alles zusammen. Es kann uns nicht gleich sein, wenn jeder Junkie künftig auf die privaten Dachgärten raufsteigen darf, weil diese der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. Es darf uns nicht gleich sein, dass vermögende Bürger aufgrund absurder Steuerpläne die Flucht antreten oder wenn – ziemlich sinnlos – teure Begrünungsorgien gefeiert werden. Irgendwie kommt alles auf uns zurück. We all are family. Nein: We all are Waldmeyer. Sollte diese wichtige Erkenntnis gar als Credo für das Neue Jahr gelten?
„Wir sind alle Waldmeyer“, fasste Waldmeyer das Thema zusammen und platzierte so ein Statement gegenüber seiner Frau Charlotte. „Natürlich, ich musste damals deinen Namen annehmen“, antwortete Charlotte etwas mürrisch.
„Nun, 2022 kommen nun noch rund 8.8 Millionen Schweizer hinzu“.
„Also einer reicht mir schon“, seufzte Charlotte.
Roland V. Weber (*1957) verbrachte einige Zeit seines Lebens mit ausgedehnten Reisen. Aufgewachsen in der Schweiz, studierte er Betriebswirtschaft in St. Gallen und bekleidete erst verschiedene Führungspositionen, bevor er unabhängiger Unternehmensberater und Unternehmer wurde. Er lebt in den Emiraten, in Spanien und in der Schweiz. Seit Jahren beobachtet er alle Länder der Welt, deren Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Er bezeichnet sich selbst als «sesshafter digitaler Nomade», als News Junkie, Rankaholic und als Hobby-Profiler.
Roland Weber schreibt übrigens nur, was er auch gerne selbst lesen würde – insbesondere, wenn Sachverhalte messerscharf zerlegt und sarkastisch oder ironisch auf den Punkt gebracht werden.
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