Ein Kulturmagazin im Web mit Fokus auf der Ostschweiz, täglich aktualisiert: Das ist vor einem Jahr mit «Qultur» entstanden. Gründer Christian Imhof im Interview über seinen Antrieb, die bisher gemachten Erfahrungen und die Ausbaupläne.
Christian Imhof, Qultur feiert das einjährige Bestehen. Was war damals eigentlich der Anlass, das neue Medium ins Leben zu rufen?
Das hatte mehrere Gründe. Sicher ist meine Faszination für die Kultur an und für sich ein grosser Antrieb gewesen. Auch die Sparpolitik von vielen Medienhäusern, die Bereiche wie Musik, Film, Literatur, Theater und Kunst oft aus Kostengründen aus ihren Publikationen verbannen, hat mich motiviert, es selber in die Hand zu nehmen. Zudem träumt wohl jeder Journalist irgendwann im Verlauf seiner Karriere von einem eigenen Magazin. Mein Moment kam 2019, als ich nach der Veröffentlichung meines Buches «20 Träume bis 30» plötzlich sehr viel Zeit zur Verfügung hatte und dann mit meinem Magazin online ging.
Welches waren die Leitgedanken bei der Konzeptionierung der Onlinezeitung, was sollte sie den Lesern bringen – und was nicht?
Früh war für mich klar, dass Qultur von zeitlosen Geschichten leben wird. Mein Team und ich setzten auf Meinungen, Hintergründe und viel Liebe zum Detail. So entstand in der rasanten Medienwelt eine tägliche Oase der Entschleunigung oder eben «das tägliche Intermezzo», wie es unser Claim schon erklärt. Wir wollen mit dem Onlinemagazin aufzeigen, dass es auf der Welt neben blassen Ticker- und Agenturmeldungen auch noch farbige Geschichten mit Tiefgang gibt. Beispielsweise in Form von umfassenden Plattenkritiken, Portraits oder auch Video-Talks. Ein Kernstück des Konzepts war zudem der Mittwoch, welchen wir zum Frauentag ernannt haben.
Ihr seid regional eingeschränkt und habt ein klares geografisches Zielgebiet. Wird das so bleiben oder soll Qultur auch bezüglich Radius wachsen?
Unser Einzugsgebiet beinhaltet aktuell Graubünden, das Sarganserland, das Werdenberg und Liechtenstein. Wir arbeiten uns Schritt für Schritt ins Unterland, und ich denke, in ein bis zwei Jahren könnte es sein, dass wir in der Ostschweiz (Thurgau/St.Gallen/Appenzell) noch Land gewinnen könnten. Für solche angestrebte Expansionen braucht es aber die passenden Persönlichkeiten, denen Qultur auch so viel bedeutet wie meinem Team und mir. Wenn die Chemie dann stimmt, verschwinden oft geografische Grenzen in einem Sekundenbruchteil und unser Einzugsgebiet wächst organisch weiter.
Gibt die Region kulturell eigentlich genug her, um ein aktuelles Medium zu bestreiten?
Absolut. Man muss aber auch erwähnen, dass es aufgrund der wegfallenden Veranstaltungen anspruchsvoller geworden ist, täglich ein Magazin zu publizieren. Dank der Flexibilität und Kreativität meines Teams bringen wir den Sommer aber sicher elegant über die Bühne. Um Corona etwas entgegen setzten zu können, ist es extrem wichtig, über den Tellerrand zu blicken. So entstanden im Frühling gleich zwei spontane Projekte, die für Aufsehen gesorgt haben: Die Seifenverschenkaktion mit dem Buchladen Bad Ragaz und Heiligkreuzer Seifen und das «Bliib dahai»-Festival im Fabriggli Buchs. Bei beiden Aktionen konnten wir mit Qultur der Gesellschaft respektive den Künstlern etwas zurückgeben, was ich wundervoll finde und mich mit Stolz erfüllt.
Kultur ist ein weiter Begriff. Wie definiert Ihr ihn bei der Zusammenstellung der Themen und bei der Suche nach Geschichten?
Qultur ist definitiv ein weiter Begriff, weshalb wir das Ganze schon ein wenig eingegrenzt haben. Hier muss ich Marcus Duff von der Agentur Cascadas Communications ein Kränzchen binden. Er hat das Konzept mit den Qultur ABC eingeführt, welches bis heute Bestand hat. Das Herzstück Qultur A steht für Beiträge zu den Themenfeldern Film, Literatur, Musik, Theater und Kunst. Qultur B steht für die Bereiche Gesellschaft, Philosophie, Soziales, Biografien und Haltungen. Unter Qultur C halten wir ausserdem Geschichten über die Themen Handwerk, Reisen, Wissen und Natur für unsere buntdurchmischte Leserschaft bereit. Zudem gibt es im Bereich Qultour Covergeschichten, Konzertberichte und Talks zum Entdecken.
Hat das Konzept von Anfang an geklappt wie angedacht oder musstet Ihr im Lauf des Jahres korrigieren und nachbessern?
Das Konzept hat erstaunlich gut funktioniert. Die einzige Korrektur, die wir gemacht haben, war eine Erweiterung, nämlich die Kategorie Handwerk. Die Mitarbeitenden des Qulturteams geniessen bei der Themenwahl eine Narrenfreiheit, wie sie ihnen wohl in keinem anderen Medienunternehmen sonst gewährt wird. Ich habe im vergangenen Jahr immer wieder die Erfahrung gemacht, dass so nämlich die besten Geschichten entstehen. Die Schreibenden widmen sich auf diese Weise mit viel mehr Herzblut ihren Themen, als wenn ich ihnen welche vorschreiben würde. So bleibt das Magazin bunt, und die Leserschaft darf sich auf Geschichten mit Tiefgang freuen. Ich glaube, niemand erwartet von einer Mamabloggerin eine Plattenkritik zu einem neuen Metalalbum, oder?
Wie sehen die Reaktionen der Leserschaft aus, gemessen an Zahlen, aber auch an Rückmeldungen und Wünschen?
Die Reaktionen sind stets wundervoll positiv, wohlwollend und motivierend. Im Schnitt sind es mehrere tausend Besucher, die täglich in unsere Geschichten eintauchen. Für mich persönlich wichtig ist es, dass diese Zahlen nachhaltig sind, das heisst, dass die Leserschaft gerne wiederkommt und auf unserer Seite verweilt. Das zeigt, dass mein Team und ich auf dem richtigen Weg sind und mit dem täglichen Intermezzo eine echte Nische im Schweizer Mediendschungel gefunden haben,
Und wie hat die Kulturszene auf das neue Medium reagiert?
Da schlägt uns regelmässig eine Welle der Begeisterung entgegen. Aufgrund der oben erwähnten Sparpolitik von Medienhäusern oder auch weil es vielleicht den Geschmack des Redaktors nicht trifft, stossen viele Künstler bei Radios und Zeitungen regelmässig auf taube Ohren. Das Magazin Qultur ist da gänzlich anders. Es ist unsere Mission, die Qultur in der Region zu fördern und über möglichst alle ausgewogen zu berichten. Denn wenn wir es nicht tun, tut es leider niemand…Durch diese offene Mentalität erhält Qultur immer wieder mal exklusive Geschichten, Mails voller Dankbarkeit sowie Respekt und Anerkennung von allen Seiten. Zudem füllt sie meinen Briefkasten regelmässig mit Tonträgern aus der ganzen Schweiz, was mein Sammlerherz höherschlagen lassen.
Die Finanzierung ist bei Onlinemedien stets ein leidiges Thema. Wie läuft das bei Euch, auf welche Geldquellen setzt Ihr – und funktioniert es?
Im ersten Jahr habe ich sehr viel Geld in den Aufbau von Qultur investiert. Dabei durfte ich auf die Unterstützung von meinem rund 15-köpfigen Team zählen, die sich alle ehrenamtlich für das Magazin eingesetzt haben. Diese Leidenschaft hat sich ausgezahlt, denn inzwischen erhalten meine fleissigen Bienen alle auch Löhne. Qultur wird komplett über Werbeeinnahmen finanziert, was immer besser funktioniert. Dank den kurzen Entscheidungswegen und den flachen Hierarchien können schnell Partnerschaften geschlossen werden und die Werbemöglichkeiten, die ein Onlinemagazin von einer Zeitung abheben, voll ausgespielt werden. Ich denke, dass die Firmen hier ein gutes Gefühl beim Werben haben, da bei Qultur echte Menschen über Themen berichten, welche die Region bewegen. Bei Qultur wird mit einem Inserat beispielsweise ein Nebeneinkommen für eine Mutter generiert, was zur Unterstützung einer lokalen Familie beiträgt. Gerade die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig Solidarität und kreative Lösungsansätze sind und dass wir mit Qultur auf dem richtigen Weg sind.
Gibt es Ausbau- oder Erneuerungspläne? Wie soll die mittel- und langfristige Zukunft von Qultur aussehen?
Ja, wir planen eine wertige Printausgabe für den Frühling 2021, die dann an jedem Kiosk in der Schweiz erhältlich sein wird. Ausserdem dürfen wir dank Beni Garrido bei Qultur seit ein paar Monaten auf einen Allrounder an der Kamera zählen, weshalb ich mit gutem Gewissen behaupten darf, dass in naher Zukunft einiges im Videobereich passieren könnte. Podcasts hat Gaudenz Egger vor kurzem angerissen, was sicher auch immer mehr ein Thema wird. Und auch wenn es vielleicht nicht direkt zum Magazin selber gehört, planen wir aktuell Bleistifte mit dem Logo herstellen zu lassen, was als ein Ausrufezeichen gegen Plastik verstanden werden soll.
Zuguterletzt: Was wünscht Du Dir persönlich für Dein «Baby»?
Ich wünsche mir, dass mein Team weiterhin Geschichten liefert, die es schaffen, die Leserschaft zu begeistern. In der heutigen schnelllebigen Zeit soll Qultur zum Entschleunigen anregen und noch viele weitere Jahre den Menschen ein tägliches Intermezzo voller Freude bieten.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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