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Dieter Bachmann | Gottlieber Hüppen

«Wir haben Lehrgeld bezahlt»

Die Gottlieber Hüppen sind längst zu einer gesetzten Marke geworden. Wie schaffte es die Gottlieber Spezialitäten AG, diese Spezialität weit über die Landesgrenzen hinweg bekannt zu machen? Und wo liegen die Gefahren? CEO Dieter Bachmann im Interview.

Marcel Baumgartner am 15. März 2021

Dieter Bachmann, besteht, wenn man auf der Welle des Erfolgs reitet, nicht die Gefahr, dass man sich zurücklehnt und trägt wird?

Die Gefahr besteht immer. Wachstum bringt viele neue interne Herausforderungen mit sich, Fragen im Verkaufsinnendienst, Administration, Produktion und Logistik müssen wieder aus ganz neuer Perspektive betrachtet werden. Da ist das Risiko schon gross, dass man sich an der Front etwas zurücklehnt und sich in internen Themen verliert.

Man kann in der Praxis ein Produkt oder eine Marke ja nur selten ganz nach Lehrbuch positionieren. Wenn Sie die Geschichte der «Hüppen» betrachten, was wurde wann und wie richtig gemacht?

Vor einigen Jahren, als wir das Unternehmen übernahmen, haben wir ernsthaft darüber nachgedacht, «Gottlieber» als eine Luxusmarke im obersten Segment zu positionieren. Ich erinnere an einen ähnlichen Fall der Marke Navyboot, welcher kurz vorher übernommen wurde. Navyboot hatte sich damals für einen Strategiewechsel entschieden. Wir sind aber – beeinflusst von vielen Gesprächen mit unserer Kundschaft, mit unseren Mitarbeitenden und Lieferanten sowie einer in Auftrag gegebene Markenstudie – zum Glück wieder davon abgekommen. Wir haben eine sehr heterogene Käuferschaft. Plakativ gesagt, vom bodenständigen Appenzeller Bauer bis zur schwerreichen «Züriberglerin» zählen wir grundverschiedene Menschen zu unserer Kundschaft. Wir sehen uns darum selber eher als Mittelstand-Premiumbrand.

Gab es in der Entwicklung der Gottlieber Spezialitäten AG auch Phasen oder Bereiche, wo man rückblickend den falschen Weg eingeschlagen hat?

Ja, ich denke das gab es immer wieder einmal. Ende 90er Jahre hatte man sich immer mehr auf das Herstellen von Privat Labels konzentriert. Das sind Produkte, welche wir produzieren und von Kunden unter einem anderen Label verkauft werden. Dies bescherte uns grosse Produktionsvolumen und sicherte einen Deckungsbeitrag, verdienen konnte man daran aber nur sehr wenig. Zudem vernachlässigte man in dieser Zeit die eigene Marke und das Marketing, was sich später mit sinkenden Umsätzen mit der Eigenmarke rächte. Ein anderer Fehler, den ich selbst zu verantworten habe, war, dass wir mit dem Konzept unserer Gottlieber Sweets & Coffee Filialen ein Franchising im Ausland aufbauen wollten. Dies, ohne irgendwelche Erfahrungen und Kontakte zu haben. Zwar wurde in China eine Gottlieber Sweets & Coffee Filiale eröffnet, doch waren wir dazumal absolut überfordert. Auch für Dubai haben wir eine Lizenz verkauft, das Geschäft wurde aber nie eröffnet. Wir haben Lehrgeld bezahlt.

Dieter Bachmann

Dieter Bachmann

Worin besteht eher die Gefahr, dass man zu grosse Sprünge machen will, oder dass man eher zurückhaltend ist?

Think big, act small. Wir haben gelernt zu träumen, aber gehen Schritt für Schritt, manchmal halt auch etwas konservativ, vorwärts. Unsere Marktingbudgets sind im Vergleich zu den grossen Mitbewerben klein und deshalb müssen wir sehr vieles inhouse realisieren. Auf der anderen Seite sind wir aber, genau wegen den kleinen Strukturen, sehr schnell in unseren Entscheidungen und in der Umsetzung.

Sie selbst übernahmen im Alter von 36 Jahren als Aussenstehender das Familienunternehmen. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Ich habe das Unternehmen vorher genau studiert, um zu lernen, ob ich mit meinen Fähigkeiten dem Unternehmen etwas bringen kann oder nicht. Ganz ehrlich, hätte es einen Nahrungsmittelexperten oder Lebensmittelingenieur in dieser Situation gebraucht, so wäre ich der falsche Käufer gewesen und ich wäre nicht eingestiegen. Ich habe aber erkannt, dass mein Knowhow in Marketing, Betriebswirtschaft, in der Visions- und Ideenentwicklung, in der Digitalisierung und auch mein Netzwerk das Unternehmen weiterbringen würden. Es war also ein klarer Match vorhanden und ich brachte dadurch ein fehlendes Teil in ein bestehendes Puzzle mit.

Wie war der Einstieg? Wollten Sie zuerst gleich alles umkrempeln und klare Zeichen setzen oder gingen Sie mit Zurückhaltung ans Werk?

Ich machte in der Vergangenheit in einer anderen Branche den Fehler, dass ich als junger und neuer CEO, bildlich gesprochen den «Fahnen» aufnahm und mit Vollgas voraus rannte. Ich konnte dadurch sehr schnell viele Erfolge feiern, hatte aber durch den Speed ein Teil des Teams verloren. Es folgten schmerzliche Trennungen und die Zeit, die ich gutgemacht hatte, musste ich hier wieder investieren. Es war klar mein Fehler. Das wollte ich nicht mehr wiederholen. Ich wusste, die Menschen bei «Gottlieber» machten in der Herstellung der Produkte einen tollen Job. Deshalb habe ich zu Beginn an jeder Arbeitsstelle mitgearbeitet. Ich habe jede Maschine selber bedient und damit quasi als «Stift» in allen Abteilungen Erfahrungen gesammelt. Das brachte mir schnell Akzeptanz. Niemand dachte deshalb, da kommt wieder so ein Manager, der alles besser weiss. Zudem konnte ich so rasch glaubhaft mitreden, da ich verstand, um was es in den Details ging. Dazu hatte ich mir die Zeit genommen, mit jedem Mitarbeiter ein persönliches Gespräch zu führen. In diesen Gesprächen erfuhr ich viel über das Unternehmen und über existierende Ideen und Verbesserungsvorschläge. Erst nach dieser Zeit haben wir «Vollgas» gegeben…

Die Produkte geniessen eine hohe Bekanntheit. Worin liegen die grössten Gefahren, wenn man diesen Status einmal erreicht hat?

Ich freue mich sehr über die Bekanntheit unserer Produkte, die aber hauptsächlich in der Ostschweiz so gross ist. Aber es gibt noch viele Orte in der Schweiz, wo man die Bekanntheit noch erheblich verbessern kann. Also sehe ich im Moment keine Gefahren, sondern nur Chancen.

Als guter CEO wird man nicht selten vor allem durch den Drang angetrieben, stetig neue Innovationen zu lancieren. Kann das bei einem Genussprodukt aber nicht auch gefährlich sein? Wie schafft man den Spagat, das Traditionelle zu pflegen und dennoch immer wieder mit Neuheiten aufzuwarten?

Sie haben recht, manchmal ist es besser die bestehenden Produkte richtig zu vermarkten, als dauernd Neuheiten auf den Markt zu bringen. Bei unseren Classic Hüppen (Caramel, Mandel, Vanille) sagen heute noch viele Leute, «oh das ist eine Neuheit», obwohl wir dieses Produkt schon mehr als 15 Jahre im Sortiment haben. Manchmal werden wir aber auch von den Kunden zu «Neuheiten» gedrängt. Z.B. unser Teesortiment. Wir hatten nie vor, selber Tee zu verkaufen und haben nur welchen in unseren Cafés angeboten. Die Kunden wollten diesen Gottlieber Tee aber nicht nur in unseren Cafés geniessen, sondern auch gleich kaufen und mit nach Hause nehmen. So entstand unsere Teelinie… Manchmal kann man den Erfolg aber nicht planen. Unsere Morgensünde, ein Schokoladenbrotaufstrich, war eigentlich nur als ein Nebenprodukt (Verwertung von Hüppenschrapps) gedacht. Er mauserte sich ohne Werbung und irgendwelche gezielte Marketingmassnahmen zu einem Leader Produkt.

Dieter Bachmann

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Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Co-Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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