Scheitern ohne Ende, wieder und wieder. Deshalb müssen die Wissenschaftler ganz streng zu uns sein. Denn wir versemmeln ihre guten Ratschläge Mal für Mal. Bis wir ausgestorben sind.
Der TV-Star Marcel Salathé ist wieder da. Nachdem er im September behauptete, dass alles gut unterwegs sei, besser kaum laufen könnte, tauchte er kurzzeitig etwas ab, um Gras drüber wachsen zu lassen.
Das ist nun genügend hoch, also runzelt er wieder öffentlich die Stirne. Und beklagt die Unfähigkeit aller Orten. Natürlich bei allen anderen, aber niemals bei der hochwissenschaftlichen Task Force, die immer Recht hat. Immer.
Schon wieder hat der Bundesrat versagt, wie es so seine Unart ist. Mit gekünstelter Geduld, so etwa, wie man mit einem quengelnden Kind umgeht, gibt die Task Force schon wieder neue Empfehlungen ab.
Sie fordert, Überraschung, mehr Geld und mehr Tests. Zudem hält sie fest: Die bisherige Strategie sei richtig gewesen, aber die operative Seite, also die Umsetzung, sei in den Sand gesetzt worden. Das ist natürlich so, denn die Strategie stammt ja von der Task Force, aber selbst so viele Wissenschaftler können sich natürlich nicht um alles selber kümmern.
Die Umsetzung sei «nicht effizient genug», schimpft Salathé in einem Interview. Wir gehen also in uns, schlagen uns aufs Haupt und üben Selbstkritik. Schon wieder hat uns die Wissenschaft die richtige Strategie aufgezeigt, aber wir sind einfach zu blöd, sie auch richtig umzusetzen.
Vielleicht muss man das Ganze ja als evolutionäres Problem sehen. Wenn die Menschen im Umgang mit einer Seuche versagen, dann sind sie halt zum Aussterben verurteilt, so grausam ist das in der Natur.
Bevor wir uns in unser Schicksal fügen, vielleicht doch nochmal ein anderes Thema. Um uns vor dem Aussterben zu schützen, haben wir bekanntlich Spitäler. Und für die ganz schlimmen Fälle haben die Intensivstationen. So ein Platz auf einer Intensivstation ist ziemlich teuer, ob das Bett belegt ist oder nicht.
Allerdings unterscheidet sich dieses Bett von einem normalen Krankenhausbett im Wesentlichen nur durch eine ständige Kontrolle und Überwachung. Mit Apparaten und mit Personal. 24 Stunden am Tag. Allerdings: aus diesen Gründen sind die Betten normalerweise höchstens mit Vorhängen voneinander separiert.
Was im Ernstfall bedeuten kann, dass der Schwerkranke zuhören oder gar zusehen darf, wie neben ihm gestorben wird. Denn das kommt in der Intensivstation nicht allzu selten vor. Aber bevor man das erleben darf, gibt es bekanntlich eine drohende Hürde: Es hat dann nicht mehr genug Plätze für alle, die sie brauchen. Damit erschrecken ärztliche Vereinigungen, Wissenschaftler und natürlich zuvorderst die Task Force die Bevölkerung immer wieder.
Es hat sich da eine gewisse Routine eingespielt. Der drohende Kollaps wird, dank überlegener Prognosemethoden, auf den Tag genau vorhergesagt. Der Tag vergeht, kein Kollaps. Die Prognostiker nehmen das zur Kenntnis und sagen: stimmt, ist nicht eingetreten. Aber das liegt natürlich auch daran, dass wir davor gewarnt hatten.
Um das Ausmass der drohende Katastrophe einschätzen zu können, würde die Angabe ungemein helfen, wie viele Intensivplätze denn belegt, wie viele frei sind. Diese Zahlen lieferte bislang der Koordinierte Sanitätsdienst (KSD) auf seiner Webseite. Ab Montag waren die Zahlen dann weg. Lage «zu volatil», man solle sich doch ans BAG wenden. Das BAG wusste anfangs aber von nichts.
Das ist nun kein Anlass für Verschwörungstheorien, verstärkt aber das Vertrauen in die Ämter ungemein. Nehmen wir dazu eine Grafik zur Hand, aus unverdächtiger Quelle, nämlich dem SRF:
Dem können wir entnehmen: Es sind kontinuierlich grosse Reserven vorhanden. Als im April die Zahlen der Covid-Patienten stark anstiegen, wurde gleichzeitig das Angebot schnell erweitert. Und, nicht minder wichtig, durch verschiedene Massnahmen wurde die Anzahl der Intensivstation-Patienten ohne Covid-19 gesenkt.
Das passiert auch zurzeit wieder, trotz allem Geschrei über nicht notwendige Operationen. Somit verändert sich trotz neuerlichem Anstieg der Covid-Patienten die Gesamtzahl der auf der Intensivstation Liegenden kaum. So wenig, dass bislang nicht einmal die Reserven aufgestockt wurden.
Auf der Webseite von SRF kann man übrigens in der Grafik Tag für Tag abrufen, wie viele Plätze mit welchen Patienten belegt sind, und wie gross die Reserven. Auch beim letzten von der Task Force prognostizierten Kollaps-Tag war alles im grünen Bereich. Ob das wohl auch beim nächsten angekündigten Tag der Überlastung der Fall sein wird? Wir blicken gebannt auf den 13. November. Freitag, der 13., das kann ja nicht gutgehen.
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