Der HEV Kanton St.Gallen zeigt in einer neuen Studie auf, dass der Kanton St.Gallen bei der Standortqualität seiner Ansicht nach an Terrain verloren hat. Nun müsstem die Erreichbarkeit verbessert, verfügbare Siedlungsflächen ausgebaut und steuerliche Rahmenbedingungen verbessert werden.
«Die Kritik, welche der HEV Kanton St.Gallen im Rahmen der Vernehmlassung zum Richtplan (2016) und zur Gesamtverkehrsstrategie (2017) geäussert hatte, ist und war – im Lichte der nun vorliegenden Studienergebnisse – begründet», heisst es in einer Medienmitteilung des Verbands. Zusammenfassend habe der Kanton St.Gallen im Bereich Erschliessung und Erreichbarkeit gegenüber anderen Landesteilen «klar an Terrain verloren». Das Reineinkommen liege deutlich unter dem Schweizer Durchschnitt, der Abstand zu anderen Schweizer Regionen in Sachen Attraktivität sei grösser geworden. Die hohe Steuerbelastung mindere die Attraktivität für Familien wie. Gleichzeitig fehle es in den Gemeinden an erforderlichen Siedlungs- und Arbeitsplatzreserven, welche Voraussetzung für eine aktive Wohnstandort- und Ansiedlungspolitik seien.
Erhebliche Defizite bei Erreichbarkeit
In punkto Erreichbarkeit zeigen sich laut dem HEV im gesamten Kanton St.Gallen erhebliche Defizite. Fahrzeiten beim motorisierten Individualverkehr (MIV) legen die teils starke Überlastung der Verkehrsinfrastruktur offen (Umfahrung Winterthur, Brüttisellerkreuz, Stadtautobahn St.Gallen, Agglomerationszentren Rapperswil-Jona und Wil, verschiedene Ortsdurchfahrten).
Auch bei der Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr fallen laut der Studie die Unterschiede in Bezug auf Fahrzeiten im Vergleich zu anderen Schweizer Regionen deutlich schlechter aus. Gute Verbindungen wären ein wesentlicher Faktor, insbesondere etwa um wissensbasierte Unternehmensdienstleistungen anzuziehen. Lichtblicke seien neue Bahnverbindungen nach Zürich und München. Es zeige sich, dass das Bewertungssystem für die kantonale Gesamtverkehrsstrategie (GVS) klare Fehlentwicklungen fördert, «da die Erreichbarkeit viel zu tief und ökologische und soziale Aspekte viel zu hoch gewertet werden.»
Unterschiede bei Reineinkommen vergrössert, hohe Steuerbelastung für Familien
Das durchschnittliche Reineinkommen liegt im Kanton St. Gallen mit rund 78'000 Franken deutlich unter dem Schweizer Mittel von rund 87'700 CHF. Zudem hat sich dieser Unterschied seit 2009 vergrössert. Währendem in den meisten Gemeinden der Nachbarkantone die Steuerbelastung für einen Referenzhaushalt «Verheirateter Alleinverdiener mit zwei Kindern» zwischen 2010 und 2018 gesunken ist, hat sich die Steuerbelastung in praktisch allen St. Galler Gemeinden erhöht. Insgesamt präsentiert sich die mittlere Steuerbelastung über alle Einkommensklassen hinweg, sowohl bei Familien wie bei Ledigen, im Kanton St. Gallen als vergleichsweise hoch.
Zu kleine Siedlungsreserven, Arbeitsplatzpotenziale nicht verfügbar
Die überwiegende Mehrheit der St. Galler Gemeinden weist laut der HEV-Studie zu kleine und teils deutlich zu kleine Siedlungsreserven auf. Dies trifft insbesondere auf Gemeinden in den Wahlkreisen Wil, St. Gallen, Rorschach zu sowie auf einzelne Gemeinden in den Wahlkreisen Sarganserland, Werdenberg und Rheintal. Die kantonale Raumplanung versage aber auch bei der Bereitstellung von Wirtschaftsflächen sowohl im Hightech-Bereich wie auch bei wissensbasierten Arbeitsplätzen. Eine kantonale Flächenpotenzialanalyse hat ergeben, dass die sofort verfügbaren und auch als marktfähig geltenden Flächen lediglich 6 % aller Arbeitsplatzpotenziale ausmachen. Ausgerechnet diese Flächen, die für die Wirtschaft attraktiv sind, hätten sich seit 2011 mehr als halbiert. Nur geringe Anteile der vorhandenen Arbeitsplatzpotenziale erfüllen die notwendigen Qualitäten, um den Standortanforderung für wissensintensive Dienstleistungsunternehmen (inkl. ICT) oder technologieintensive Produktion / Präzisionstechnologien gerecht zu werden. Ebenso knapp seien die passenden Arbeitsplatzpotenziale für die industrielle Massenproduktion oder grössere Dienstleistungsunternehmen bzw. Verwaltungs? und Hauptsitze. «Berücksichtigt man zusätzlich die zeitliche Verfügbarkeit wird klar, dass im Bereich des Flächenbedarfs für Arbeitsplatzpotentiale grosser Handlungsbedarf besteht», so der Hauseigentümerverband.
«Massnahmen rasch einleiten»
Entsprechend seien umfassende Massnahmen zu ergreifen, damit die zahlreichen Handlungsfelder adressiert werden können. Der Wohn- und Wirtschaftsstandort Kanton St.Gallen müsse – insbesondere auch im Hinblick auf die Folgen der anhaltenden Covid19-Pandemie – wieder auf seine Erfolgsspur geführt werden. Im Rahmen der April-Session 2021 werden deshalb zwei parlamentarische Vorstösse eingereicht, welche die Themen Erreichbarkeit sowie Siedlungsreserven gezielt adressieren. Verschiedene Sektionen führen derzeit zudem regionale Vertiefungen der kantonalen Studie durch, damit die Umsetzung des neuen kantonalen Planungs- und Baugesetzes im Rahmen der kommunalen Revisionen von Bau- und Zonenordnungen eng begleitet werden können.
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