Facebook schenkt der Welt eine neue Währung. Ganz uneigennützig?
Was sind schon Cumulus-Punkte oder Supercard gegen Libra? Zwei mikroskopisch kleine Kundenbindungswerkzeuge. Gegen 2,4 Milliarden aktive Nutzer von Facebook. Was schon lange gemunkelt wurde, ist nun Realität geworden: Mark Zuckerberg schenkt der Welt eine neue Währung.
Braucht die Welt das, darf der das, und was hat er davon? Die Welt kann tatsächlich eine Währung brauchen, die weitgehend fälschungssicher ist, leicht zu benutzen, stabil im Wert und vor allem fast gebührenfrei bei Transaktionen. Ja, Zuckerberg darf das, und natürlich hat er was davon; eine neue Dimension von Kundenbindung.
Was ist denn Libra genau? Dafür müssen wir zuerst verstehen, wieso wir mit einer 10-Franken-Note in der Schweiz überall bezahlen können. Das beruht in erster Linie auf Vertrauen. Käufer und Verkäufer vertrauen darauf, dass die Note in einem stabilen Verhältnis zu der dafür eingetauschten Dienstleistung oder dem Produkt steht. Und dass der Wert in einem akzeptablen Verhältnis zum Aufwand steht, um 10 Franken zu verdienen.
Das alles garantiert die Schweizerische Nationalbank. Und Orell Füssli bemüht sich, diese Banknoten so fälschungssicher wie möglich herzustellen. Bei Libra ersetzt eine mathematische Methode die Notenbank und Orell Füssli, die sogenannte Blockchain. Erklärungen würden hier etwas weit führen, weiter hilft Wikipedia.
Aber gibt es nicht schon genug Währungen, dazu Bitcoins und andere internetbasierte Zahlungsmittel, Kreditkarten, Debitkarten, usw? Schon, aber da kommen zwei Vorteile ins Spiel, die alle Währungen haben, die auf der Blockchain-Technologie beruhen. Es braucht keinen Mittelsmann mehr. Und dadurch wird es viel, viel billiger.
Wer zum Beispiel aus der Schweiz einen Betrag in US-Dollar nach Singapur überweisen will, benützt dafür normalerweise eine Bank. Abbuchung hier, Wechsel in Dollar, Einbuchung in Singapur. Dafür fallen im Einzelfall kleine, aber insgesamt gewaltige Gebühren an. Für die Dienstleistung und dafür, dass die Bank auch Garant ist. Sollte es ein Problem geben, der Empfänger sagt zum Beispiel, er habe das Geld nicht bekommen, wendet man sich an das Finanzinstitut, das die Transaktion gespeichert hat und somit belegen kann, wer recht hat.
Wer Geld an einen Empfänger überweisen will, der kein Konto hat, und das ist in Afrika, Asien und Lateinamerika gar nicht so selten, ist auf Dienstleister angewiesen, die mit happigen Gebühren ihre Kunden abzocken. Wird die Währung Libra verwendet, ist eine solche Überweisung blitzschnell, sicher und fast kostenfrei.
Aber wer garantiert denn den Wert von Libra; was passiert zum Beispiel, wenn Facebook pleite ginge? Das ist auch bei einem Konzern, der einen aktuellen Wert von rund 400 Milliarden Dollar hat, nicht ganz ausgeschlossen. Deshalb ist das Herausgeberkonsortium von Libra von Facebook abgekoppelt und sitzt in Genf. Reserven in den üblichen Weltwährungen, also US-Dollar, Euro, Yen und möglicherweise Franken, garantieren den Wert der Libra. Und verschiedene Finanzdienstleister wie Kreditkartenfirmen machen bereits mit.
Bitcoins und der Zoo der übrigen Kryptowährungen hat nicht unbedingt Werbung für diese Art Zahlungsmittel gemacht. Grosse Kursschwankungen, gelegentlich wurde auch ein Marktplatz beraubt, Nischenphänomen. Aber Libra hat da entscheidende Vorteile: Es kann, eben 2,4 Milliarden Nutzer, schnell zu einem allgemein anerkannten Zahlungsmittel werden.
Da geplant ist, Libra zuerst nur für Mikrozahlungen auf einer Plattform wie WhatsApp oder Instagram zu verwenden, können allfällige Kinderkrankheiten geheilt werden und getestet, wie gross die Akzeptanz der neuen Währung ist.
Und was bedeutet das für die Schweizer Finanzdienstleister, insbesondere die Banken? Nichts Gutes. Denn nach der Devise «Kleinvieh macht auch Mist» verdienen die happig an banalen Transaktionen wie Überweisungen, Kontoführung, Börsengeschäften usw. Das wurde von den bisherigen Kryptowährungen nicht ernsthaft in Frage gestellt. Aber auch im Geldverkehr gilt: Die Masse macht’s. Und gegen Facebook sind selbst Schweizer Grossbanken Zwerge.
Ohne Bankgeheimnis und immer noch im Bussen-Strudel für vergangene Untaten befindet sich der Finanzplatz Schweiz sowieso schon im Prozess des Verzwergens. Da könnte ein Erfolg von Libra weiteren Banken den Todesstoss versetzen. Denn natürlich hat der Bankenplatz Schweiz die Einführung einer eigenen Kryptowährung verstolpert, verlauert und verschnarcht. Das kann ein böses Erwachen geben.
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