Autor/in
Thomas Kollhopp
Thomas Kollhopp ist Partner / Leiter Geschäftsfeld Bau & Immobilien bei Nellen & Partner in Zürich.
Thomas Kollhopp ist Partner / Leiter Geschäftsfeld Bau & Immobilien bei Nellen & Partner in Zürich.
Die Gastronomie zählt zu den Bereichen, welche jetzt dringend Fachkräfte benötigen, die der aktuellen Krise gewachsen sind.
Die Schweiz braucht neue Gastronomiekonzepte. Thomas Kollhopp, Partner und Leiter unseres Geschäftsfeldes Bau & Immobilien, erläutert, was Gastronomen, Vermieter und Investoren dabei berücksichtigen sollten.
Vorübergehende Schliessungen bei gleichzeitigen Ausgaben für Mieten und jetzt Rahmenbedingungen, die Umsätze auf niedrigem Niveau halten, haben nach Formulierungen des Branchenverbandes GastroSuisse zu einer existenziellen Notlage geführt. Die Folgen reichen weit über die Gastrobranche hinaus. Sie beeinflussen zum Beispiel auch den Immobilienmarkt und die Qualität von Standorten.
Die Struktur in der Gastronomie hat sich bereits in den zurückliegenden Jahren gewandelt. Ende 2019 erklärte der Wirteverband Basel-Stadt: «In den grossen Schweizer Städten gehören immer mehr Gastronomiebetriebe zu einer Gruppe oder einem Markensystem. Auch in Basel ist diese Entwicklung gut zu beobachten. Jeder zweite Umsatzfranken wird von einem Kettenbetrieb erzielt.»
Der hohe Marktanteil sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass Filialen vor allem an stark frequentierten Standorten dominieren. Dass dies nicht zwangsläufig eine gewinnbringende Strategie ist, hatte sich schon vor der aktuellen Krise am gesättigten Markt gezeigt. Die Konjunkturumfrage Gastgewerbe der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich und von GastroSuisse attestierte unter anderem im 4. Quartal 2019 eine negative Geschäftslage der Gastronomie vor allem in grossen Städten.
Die Hoffnung von Investoren und Vermietern, Gastronomieketten könnten die Lücken schliessen, die der kriselnde Einzelhandel in den Städten hinterlässt, haben einen gefährlichen Expansionsboom befeuert, so das Manager Magazin in einem Interview mit Christoph Heidt, CEO der Restaurantkette Sausalitos. Diese wiederum gilt als ein Beispiel für erfolgreichen Wandel. Heidt erläuterte: «Wer es mit der Expansion übertreibt, muss sparen, sobald die Besucherfrequenz sinkt – und das geht auf Kosten des Erlebnisses. Das ist ein Teufelskreis.» Dies gilt auch für die Schweiz.
Geschäftsbetrieb in Gefahr
Zusätzlich hat nun die aktuelle Krise die Zentren stärker als das Land getroffen und die urbane Lebensweise infrage gestellt, wie die Aargauer Zeitung schreibt. Eine Mitgliederbefragung von GastroSuisse zeigt, dass die Umsätze in der Gastronomie in der ersten Woche nach der erlaubten ersten Öffnungsetappe unter Einhaltung des strengen Schutzkonzepts durchschnittlich 60 Prozent unter den Vorjahreswerten lagen. Neun von zehn der wieder geöffneten Betriebe gehen davon aus, dass sie einen Verlust erwirtschaften.
Ergänzend dazu ergab eine Studie des Online-Stellenbörsen-Betreibers YOURCAREERGROUP, dass die meisten erwarten, dass es sechs Monate bis ein Jahr dauern wird, bis ihr Unternehmen zum normalen Geschäftsbetrieb zurückkehren kann. 42 Prozent der Teilnehmer sehen den Geschäftsbetrieb gefährdet. Zudem schaut sich ein hoher Anteil auf Jobbörsen und in persönlichen Netzwerken nach alternativen Arbeitsmöglichkeiten um.
Leerstand und geringere Mietkosten
Mit diesen Entwicklungen sind nun noch einige Ursachen mehr hinzugekommen, dafür, dass zahlreiche Gastronomen wirtschaftlich nicht überleben werden. Dies hat direkten Einfluss auf die Vermieter. Journalist Claudio Kummerfeld erläutert auf finanzmarktwelt.de: «Dadurch, dass zahlreiche dieser Mieter aus dem Markt ausscheiden, verschiebt sich das Machtgefüge zwischen Mietern und Vermietern bei Immobilien im gewerblichen Bereich.
Es wird viel Leerstand geben.» Dies führe dazu, dass die Eigentümer der Flächen den Mietern entgegenkommen werden. Wer die Krise überlebe oder danach mit einer Geschäftsidee starte, der werde womöglich spürbar geringere Mietkosten erwarten dürfen oder aushandeln können. Gleiches berichtet die Luzerner Zeitung. Erste Fälle könne man bereits beobachten, wobei die grösseren Wellen erst noch kommen.
Diese Folgen kann auch der derzeitige Ansturm von Gastronomen auf Online-Lösungen wie kontaktlose Speisekarten, Self-Check-in und Online-Gästemanagement nicht aufhalten. Die Tools reduzieren zwar den Aufwand für das Servicepersonal, zum Beispiel für das Desinfizieren von Speisekarten, wie es in der betreffenden Mitteilung heisst, sie sind jedoch kein Allheilmittel. Es kommt immer auf die jeweilige Zielgruppe an – heute mehr als früher.
Die Erwartungen der Zielgruppen
Denn jetzt treten die Anforderungen noch deutlich sichtbarer zutage. Zum Beispiel möchte kaum ein Gast Schulter an Schulter mit fremden Menschen in einem Gastraum sitzen. Stattdessen sind Aussenflächen gefragt – nicht nur wegen der Schutzkonzepte. Das Positive: Dem Bedarf lässt sich zum Teil schnell entsprechen, indem Städte grössere Flächen für Tische zur Verfügung stellen. «Wo einst Gewerbepolizisten mit dem Massband prüften, ob nicht eine übermässige Nutzung der Gemeinfläche vorliege, stehen heute Tische auf dem Trottoir», berichtet die Aargauer Zeitung.
Eine andere Anforderung bezieht sich auf die Lage. Es sind mehr Gastrokonzepte gefragt, welche sich nicht im Stadtzentrum befinden, sondern in ländlichen Gebieten. Denn diese sind besser – und ohne Gedränge und ohne Maske – mit dem Auto erreichbar. Ebenso geht es bei den Immobilien wie beim Kochen um Kreativität. Das demonstriert ein Beispiel aus Walenstadt. Direkt am See hat ein Pop-up-Restaurant der besonderen Art eröffnet, so die Aargauer Zeitung. Dort können Gäste in 14 Gondeln speisen. Bereits am Eröffnungstag waren alle Gondeln ausgebucht.
Solche Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppen gilt es in den Mittelpunkt der Geschäftskonzepte zu stellen. Das „Rezept“ ist nicht neu. So lauteten die Kern-Botschaften des Gastro-Immobilienkongresses vor circa drei Jahren: «Gastronomie- und Immobilienbranche müssen auf die neuen Erwartungen eingehen oder besser: sie antizipieren. Markanteste Trends: Wunsch nach Erlebnis, Genuss und Aufenthaltsqualität. Mangel an Zeit. Erreichbarkeit & Verfügbarkeit», berichtete das Portal Food Service.
Das schliesst im Übrigen das Bedürfnis nach Nachhaltigkeit beim Essen sowie nach gesundem Essen ein. Zudem ist es essenziell, sich immer wieder neu zu erfinden, wie Christoph Heidt im Interview mit dem Manager Magazin sagte. Das gilt für Gastronomen wie für Immobilienbesitzer und Investoren. Wenn ihnen das gelingt, können sie nicht nur langfristig Geschäfte sichern, sondern auch noch höhere Lebensqualität schaffen.
Thomas Kollhopp ist Partner / Leiter Geschäftsfeld Bau & Immobilien bei Nellen & Partner in Zürich.
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