An der Herzklinik des Unispitals Zürich geht’s rund. Der Leiter wurde gerade seines Amtes enthoben. Aber aus St. Gallen schallte Unterstützung für ihn hinüber.
Was macht ein St. Galler Spitaldirektor, wenn er die Betten durchgezählt und die Pillendosen in Reih und Glied gestellt hat? Genau, er schreibt Briefe. Das tut der Direktor und Vorsitzende der Geschäftsleitung des Kantonsspitals St. Gallen (KSSG), Dr. Daniel Germann, offenbar gerne.
Um seinem Schreiben noch mehr Wucht zu verleihen, ist es auch Von Prof. Rickli, Chefarzt der Kardiologie, und seinen beiden leitenden Ärzten, Philipp Haager und Daniel Weilenmann, mitunterzeichnet. Lassen wir einmal beiseite, dass weitere sechs leitende Ärzte nicht unterzeichneten. Vielleicht mussten sich die gerade um Patienten kümmern.
Diesen tapferen Vier ist es aber ein Anliegen, sich in Zürcher Angelegenheiten einzumischen. Das leiten sie mit der üblichen Floskel ein: «Es liegt uns fern, zu den USZ-internen Aspekten Stellung zu nehmen», zitiert das «Tagblatt» (Artikel hinter Bezahlschranke) aus ihren Schreiben. Dann tun sie’s doch; sie wollen «ihrer Sorge Ausdruck verleihen, dass ein Weggang von Prof. Maisano für unsere Zusammenarbeit einen grossen Rückschritt bedeuten würde».
Wer mit den Zuständen am Zürcher Unispital nicht so vertraut ist wie diese Ärzte des KSSG: Prof. Francesco Maisano wurde aufgrund einer Untersuchung beurlaubt, bei der abgeklärt wird, ob er sich persönlich an der Verwendung eines sogenannten Cardiobandes bereichert hat und in seinen Werbebotschaften dafür Komplikationen verschwieg. Letzte Woche wurde er zusätzlich seines Amtes enthoben. Es ist neu der Verdacht entstanden, dass er Daten – gemeint sind wohl Operationsberichte – nachträglich manipuliert haben soll.
Prof. Maisano weist sämtliche Vorwürfe zurück, hat sich der Unterstützung der PR-Firma Farner Consulting versichert und sich von der Nobelkanzlei NKF ein 132-seitiges Gutachten anfertigen lassen, das seine Unschuld belegen soll. Offenbar alles rausgeschmissenes Geld.
Angestossen wurde dieser Skandal von einem Whistleblower, einem ebenfalls an der Zürcher Herzklinik arbeitenden Arzt. Der wurde zuerst entlassen, inzwischen wieder eingestellt. Ihm sprechen die St. Galler Herzärzte, die Patienten ans USZ überweisen und zum Teil selbst dort tätig sind, das Misstrauen aus und haben eine Verweigerung der Zusammenarbeit angekündigt.
Aber die Spezialisten wissen nicht nur mehr als die Zürcher Untersuchungsorgane, sie doktern auch noch an den Medien herum. Das äussert sich in ihrem «grossen Bedauern» über Presseartikel «in Zürcher Tageszeitungen». Damit meinen sie offensichtlich die kritische Berichterstattung von «Tages-Anzeiger» und NZZ.
Rund 250 Patienten aus dem Kanton St. Gallen werden jährlich ans Unispital Zürich überwiesen, weiss das «Tagblatt». Die dürften nun entsprechend verunsichert sein. Aber eigentlich müssten sie über das Gebaren ihrer kantonalen Ärzte und des Spitalchefs von St. Gallen irritiert sein.
Denn offensichtlich sind die mit ihrer eigenen Tätigkeit nicht ausgelastet. Und mischen sich ungeniert in eine laufende Untersuchung in Zürich ein. Zudem wohl mit einer eindeutigen Fehldiagnose. Denn statt wieder in sein Amt zurückkehren zu dürfen, ist’s Prof. Maisano inzwischen los.
Was sagen also der Spitalchef und die drei Ärzte der Kardiologie, die sich für ihren mit immer neuen Vorwürfen konfrontierten Kollegen ins Zeug legten, heute? Ausser automatischen Abwesenheitsmeldungen – Diagnose: Ferien – sagen sie nichts. Keiner benützt die Gelegenheit zur Stellungnahme. Inzwischen haben sie offenbar gelernt: Schweigen ist Gold. Und man soll sich als Arzt besser nicht in Operationen einmischen, deren Ausgang noch nicht bekannt ist.
So meldet sich fünf Minuten nach Ablauf der Antwortfrist der «Medienbeauftragte Unternehmenskommunikation». Mit der kommunikativen Höchstleistung, dass das Spital weiterhin zum Inhalt der «nicht für die Öffentlichkeit bestimmten» Schreiben stehe, sich aber zu meinen «Fragen nicht äussern wird».
Hoffentlich kommt dieses Schweigen den St. Galler Patienten zugute. Für deren Heilung sind die Ärzte nämlich angestellt, beziehen dafür fürstliche Honorare. Nicht für ausserkantonale Parteinahmen und Medienschelte.
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