So schnell kann’s heute gehen. Bis vor Kurzem noch Superstar, inzwischen auf dem Weg nach unten. So ist das halt im Boulevard-Journalismus.
Im Grob-Journalismus mit den grossen Buchstaben gilt ein ehernes Gesetz: klare Kante. Dafür oder dagegen, und Sachprobleme werden personalisiert.
Wer sich noch an das elende Grounding der Swissair erinnert: Da kam zuerst «Super-Mario», der grosse Held, der die Airline wieder in die Lüfte hebe. Als dann herauskam, dass Mario Corti sich sicherheitshalber ein üppiges Honorar von 12 Millionen vorab hatte auszahlen lassen, wurde er von einem Tag zum anderen der Buhmann der Nation.
Genau das Gleiche wiederholt sich auch heute. Mit dem kleinen Unterschied, dass inzwischen fast alle sogenannten Qualitätsmedien Boulevard machen. Alle, das ist inzwischen nur noch Tamedia und CH Media. Daneben noch der einsame Leuchtturm NZZ, und den «Blick» nimmt keiner mehr ernst.
Für diese beiden angeblichen Qualitätsorgane war Daniel Koch, der zur Galionsfigur des unfähigen Bundesamts für Gesundheit wurde, «Mr. Corona». Riesentyp, schläfert mit seinem Gemurmel keineswegs ein, sondern führt mit ruhiger Hand und unaufgeregt die Schweizer durch die Krise. Gut, dass wir den haben.
Dass er um die Maskenpflicht rumeierte, also bitte, da kann er nichts dafür. Dass er sich durch alle Gazetten reichen lässt, darauf Wert legt, jeden Tag eine andere Krawatte umgebunden zu haben, also wirklich, das macht ihn doch nur menschlich. Dass er kaum einen Satz rausbrachte, ohne sich rettungslos zu verstolpern, das macht ihn doch nur sympathisch, und dann diese vertrauenserweckende Stimme.
Als er sich in die wohlverdiente Pensionierung zurückzog, wurde er mit staatstragenden Kommentaren gewürdigt. Als er dann gleich zweimal in die Aare sprang, um seinen «Kultbegriff bebadbar» zu würdigen, war das Echo schon leicht geteilt. In der nachträglichen Aufarbeitung seines Wirkens, das in «Die Ostschweiz» schon lange kritisch beleuchtet worden war, kamen dann die ersten Vorwürfe zum Vorschein. Er habe zu langsam reagiert, die Gefahr unterschätzt, sich halt so verhalten, wie er gesprochen hat.
Inzwischen ist Mr. Corona, der Supertyp, der Kult-Typ, endgültig auf der dunklen Seite der Skala angekommen: «Es reicht jetzt, Herr Koch!», so titelt Tamedia einen Kommentar. Koch verwechsle eine globale Pandemie mit einer One-man-Show, schimpft das Blatt.
Anlass dafür ist, dass Mr. Corona nicht nur auf Instagram seine Follower bespasst, nicht nur eine Firma für Krisenfragen gründete, sondern auch noch – natürlich – ein Buch schrieb, beziehungsweise schreiben liess.
«Stärke in der Krise» heisst’s, ist «in ein paar Wochen lieferbar» und umfasst 250 Seiten, inklusive eines Vorworts vom anderen Corona-Helden, Bundesrat Alain Berset. Für schlappe 39 Franken erfährt der Leser hier Aufmunterndes. Tragisches aus seinem Leben hat Koch schon vorher bekannt gemacht. So plauderte er am Radio aus, dass er mit sieben Jahren Vollwaise wurde, als beide Eltern im gleichen Jahr erkrankten und starben. Die folgenden Jahre in einer Pflegefamilie seien «nicht leicht gewesen», erinnert sich Koch.
Schon wieder ein Promi, der den schnellen Aufstieg von der grauen Büromaus ins Scheinwerferlicht der Medien nicht verkraftet hat. Früher hätte ihn nur der «Blick» in den Boden gestampft, nachdem er ihn hochgejubelt hatte. Pech für Koch, dass das der «Blick» mangels Resonanz kaum mehr versucht. Aber dafür gibt es neu die beiden Grosskonzerne Tamedia und CH Media, die mit ihren zwei Dutzend Kopfblättern die ganze Deutschschweiz beschallen.
Auch die leiden unter der Pandemie, die die Inserateeinnahmen nochmals einbrechen liess. Obwohl schon vorher zum Skelett abgemagert, wird nun noch weiter entlassen. Was unter anderem dazu führt, dass nur noch grobmotorische Einteilungen der Welt möglich sind. Und die Personalisierung komplexer Probleme. Inklusive hochjubeln und anschliessend niedermachen. Hat zwar nichts mehr mit Qualität zu tun. Aber viel mit Sparjournalismus.
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