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Geheimkontakte

Zweiter Weltkrieg in der Ostschweiz: Das geheimnisvolle «Büro Ha» in Teufen

Menschen wie der St. Galler Hans Hausamann sind eine Fundgrube für Drehbuchautoren des Genres Agententhriller. Der Nachrichtendienstoffizier verfügte über weitreichende Geheimkontakte, die bis in die Führung der deutschen Wehrmacht und bis ins kommunistische Moskau reichten.

Adrian Zeller am 12. Juli 2020

Es begann ganz unspektakulär. Hans Hausamann, Sohn eines Fotografen aus Heiden, ergriff denselben Beruf wie sein Vater. Er eröffnete 1925 in St. Gallen ein erfolgreiches Fotounternehmen, das bis heute besteht.

Aus Deutschland drangen damals im öfters Parolen über die Landesgrenzen, die nichts Gutes erahnen liessen. Angesichts der braunen Propaganda baute Hausamann einen Pressedienst auf, der der Mutlosigkeit und der Resignation in der Schweizer Bevölkerung entgegen treten wollte. Viele glaubten damals schicksalsergeben, nach dem Anschluss Österreichs und der raschen Besetzung Frankreichs werde demnächst die Schweiz vom Dritten Reich vereinnahmt.

Hausamann war Pressechef der Schweizerischen Offiziersgesellschaft und Leiter des Armee-Filmdienstes. Er drehte im Auftrag des Bundes patriotische Propagandafilme, die die Wehrbereitschaft in der Bevölkerung anstacheln sollten.

Nachrichtendienstliches Netzwerk

Ab 1935 wurde aus seinem ursprünglichen Pressedienst immer mehr ein Nachrichtendienst mit Sitz in Teufen. Die legendäre Institution ging als «Büro Ha» (gelegentlich auch Bureau Ha geschrieben) in die Geschichtsbücher ein. Das Büro wurde zu einer wichtigen internationalen Drehscheibe von geheimdienstlichen Informationen. Brisante militärische Nachrichten aus Hitler-Deutschland wurden via China in die Sowjetunion weitergeschleust.

Der Ostschweizer Geheimdienstler Hausamman wird von Historikern der «Roten Kapelle» zugeordnet. Mit dieser Bezeichnung ist ein rund 400 Personen umfassendes international weitverzweigtes geheimes Netzwerk aus Oppositionellen zum Hitlerregime gemeint.

Füsilier Wipf

Brisante Insiderkontakte

Einer der wichtigsten Informanten des Büro Ha in Deutschland war Rudolf Rössler, Theaterkritiker, Verleger und Inhaber einer geheimen Nachrichtenagentur. Er hatte seinerseits Kontakte zu Künstlern und Schriftstellern, die von Nazis verfolgt wurde. Und er unterhielt auch Beziehungen zu hohen deutschen Militärkreisen, die Hitler kritisch gegenüberstanden.

Umstrittene Bundesrats-Ansprache

Nach der Eroberung Frankreichs durch die Wehrmacht hielt der damalige Bundespräsident Marcel Pilet-Colaz eine inhaltlich und rhetorisch umstrittene Rede.

Man warf ihm in der Folge mangelnde Distanzierung von Nazi-Deutschland vor. Zudem empfing er offiziell Abordnungen von Schweizer Nazi-Sympathisanten. Im Weiteren war die Pressezensur in der Schweiz sehr streng. Der Bundesrat befürchtete, zu kritische Zeitungsartikel könnten eine Besetzung der Schweiz durch die Wehrmacht provozieren. All dies sorgte für viel Unmut in der Bevölkerung.

Anklage wegen Meuterei

Als Folge der unklaren Haltung der Landesregierung zu den Nazis wurde 1940 ein geheimer Bund von Schweizer Offizieren gegründet, der auch dann weiterkämpfen wollte, wenn Bundesrat und Armeespitze vor der Wehrmacht kapitulierten.

Bald flog die Organisation, der auch Hausamann angehörte, auf. Die Mitglieder wurden wegen Planung einer Meuterei vor ein Militärgericht gestellt. Da ihnen achtenswerte Gründe zugebilligt wurden, kamen sie mit milden Strafen davon.

Pferdesporttage zur Völkerverständigung

Das legendäre «Büro Ha» wurde 1946 aufgelöst. Nach dem Krieg widmete sich Hausamann wieder vermehrt seiner Fotofirma. Zudem hielt er an der Universität St. Gallen militärgeschichtliche Vorlesungen. 1973 verlieh ihm die HSG die Ehrendoktorwürde.

Hausamman leitete zudem von 1954 bis 1965 die Pferdsporttage in St. Gallen. Sein Ziel war dabei die Förderung der Völkerverständigung. Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität gehören zu den Kernanliegen der Freimaurerei. Hausamann war Mitglied einer St. Galler Loge. Er verstarb 1974 im Tessin.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Adrian Zeller

Adrian Zeller (*1958) hat die St.Galler Schule für Journalismus absolviert. Er ist seit 1975 nebenberuflich, seit 1995 hauptberuflich journalistisch tätig. Zeller arbeitet für diverse Zeitschriften, Tageszeitungen und Internetportale. Er lebt in Wil.

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