Werbung, die uns ein schlechtes Gewissen macht, ist schlechte Werbung. Die Migros macht es aktuell vor.
Gute Verkäufer haben psychologische Tricks in der Tasche. Die nutzen gezielt menschliche Verhaltensweisen aus.
So sind zum Beispiel Gratisproben oder auch digitale «Geschenke» nicht nur dazu da, ein Produkt oder eine Marke an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Solche – im besten Fall persönlich adressierten – Präsente lösen mitunter auch ein Gefühl der Gegenverpflichtung aus.
Überhaupt ist das Erzielen eines schlechten Gewissens ein beliebter Ansatz.
Bringen Sie doch endlich Ihre Sommerfigur zum Vorschein! Am besten im Fitnesscenter xy.
Wieso tun Sie nichts gegen Ihre schlechte Laune? Nehmen Sie doch endlich den Nahrungsergänzungszusatz xy zu sich.
Und wieso haben Sie eigentlich aktuell viel zu wenig Zeit, sich um Ihr Kind zu kümmern?
Das liegt bestimmt daran, dass Sie dauern in der Küche stehen und die Ravioli eben noch selber machen.
Mit dem letzten Beispiel wirbt die Migros aktuell auf Plakaten für die Fertigravioli von Anna’s Best. Auf dem Bild sieht man eine glückliche Mutter, die sich endlich wieder um ihr Neugeborenes kümmern kann. Das Kind wurde wahrscheinlich seit der Geburt kaum beachtet und hat nur durch grosses Glück die ersten Wochen überstanden.
Denn der Slogan auf dem Plakat macht klar, was Sache ist: «Heute lieber Zuwendung schenken als Ravioli füllen?»
Also denken Sie das nächste Mal daran, wenn Sie sich entschliessen sollten, ihr Essen frisch zuzubereiten: Die gesamte Familie leidet unter ihrem zwanghaften Drang, etwas Selbstgemachtes auf den Teller zu zaubern.
Seien Sie also keine schlechte Mutter und kein schlechter Vater: Kaufen Sie Fertigprodukte.
Die aktuelle Werbekampagne gibt es übrigens hier zu sehen.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Co-Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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