Binär beschreibt ein Zahlenschema, bei dem es nur zwei Ziffern gibt: 0 und 1. So funktioniert logischerweise auch eine binäre Uhr. Die Juso sieht darin eine Diskriminierung. Offenbar müssen wir nun auch grundlegende Gesetze in Frage stellen.
Ja, die binäre Uhr am Bahnhof St.Gallen sorgte schon mehrfach für Schlagzeilen. Dies vor allem deshalb, weil sie nicht von allen gelesen werden kann – oder weil die Kosten für die Installation für Kritik sorgten.
Letztlich ging sie viral und sorgte für Aufmerksamkeit. St.Gallen bekam damit über die Region hinaus eine mediale Aufmerksamkeit. Die Stadt hat damit etwas gewagt – was man in der Ostschweiz ja selten tut – und ein Zeichen gesetzt.
Wir erklären an dieser Stelle nun nicht nochmals, wie die Uhr gelesen werden kann. Das wurde schon in unzähligen Beiträgen abgehandelt. Und um die Lesbarkeit geht es nun auch nicht. Es geht um das Wort «binär». Und dieses Wort bietet Angriffsfläche.
Nemo, unser ESC-Sieger, hat uns nochmals klar verdeutlicht, wie «non-binär» unsere Gesellschaft zu sein hat. Es gibt nicht mehr ausschliesslich Männer und Frauen. Es gibt mehr. Darüber darf und soll man diskutieren.
Nun führt uns dies Diskussion aber offenbar auch zu den Zahlen – zur binären Uhr. Die Juso führt uns dahin.
Per Medienmitteilung verkündet die Partei: «Am Montag zerschlug die Juso St.Gallen symbolisch die Geschlechterbinarität vor der binären Uhr am St.Galler Bahnhof. Sie will damit aufzeigen, wie drastisch sich die binäre Geschlechterordnung auf die Lebensrealität von trans Menschen auswirkt.»
«Echt jetzt», denkt man sich bei diesem Einstieg. Es ist aber definitiv Tatsache.
Gestern Nachmittag hat die Juso St.Gallen eine Miniaturversion der binären Uhr auf dem Kornhausplatz aufgestellt. Mitglieder der Juso und Passanten schlugen auf die Uhr ein, bis sie in Trümmern lag. Zwischen den Resten der Uhr holten sie ein Transparent mit der Aufschrift «Die Zeit der Binarität ist vorbei» hervor.
Ihre Begründung für die Aktion: «Die grundlegendsten Rechte für queere Menschen mussten immer schon hart erkämpft werden. Wir werden diesen Kampf auf allen Ebenen führen und uns nicht zufriedengeben, bis alle Menschen frei leben können.»
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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