Im März finden im Kanton St. Gallen die Aktionstage gegen Rassismus statt. Die Absichten sind gut, ob sie ihr Ziel erreichen, ist fraglich.
«Afrikaner, Latina, Albanerin, Schweizer (…) Die Stadt XY denkt nicht in Schubladen, sondern sieht Vielfalt», prangt in dicken Lettern auf Plakatwänden. Auf andern steht: «Die Stadt XY denkt nicht in schwarz-weiss, sondern in Vielfalt.»
In den Erläuterungen zur Kampagne im Internet heisst es unter anderem: «In jeder muslimischen Person «die religiösen Fanatikerin» zu sehen, ist eine verkürzte Wahrnehmung, die den gesellschaftliche Zusammenhalt gefährden kann.»
Den Plakaten und den Begleitunterlagen hafte die unterschwellige Botschaft an: Unfreundliche Gedanken gegenüber Migranten gehören sich nicht, treiben wir den kleinen Rassisten in uns aus; erfahren wir sämtliche Zuwanderer als Bereicherung für unsere Kultur.
Ob sich der Staat, in diesem Fall der Kanton St.Gallen, in schulmeisternden Tonfall an seine mündigen Bürgerinnen und Bürger wenden sollte, wäre zu diskutieren. Moralisierende Botschaften aus Verwaltungsdepartementen ab Plakatwänden können auch als grenzwertige Bevormundung gedeutet werden.
Zudem fordert die Kampagne dazu auf, Migranten differenziert wahrzunehmen, die Appelle dazu erfolgen jedoch in sehr pauschalisierenden Slogans - dies wirkt etwas befremdlich.
Im 21. Jahrhundert glaubten nur einige Ewiggestrige und Personen mit bizarr verzerrten Menschenbildern, es gäbe minder- und höherwertige Rassen.
Doch die Kampagne will ein Bewusstsein für tiefersitzende Vorurteile schaffen. «Welche Emotionen entstehen, wenn ich zwei Personen zuhöre, die sich lauthals in einer anderen Sprache unterhalten?» Geringschätzige Blicke, abwertende Worte oder beiläufige Bemerkungen «verdienen unsere Beachtung», Abwertung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion, Sprache oder Hautfarbe sei meist nicht offensichtlich, wissen die Kampagneninitianten.
Sie hegen hehre Absichten, ob sie ihren Plan genügend durchdacht haben, ist fraglich. Offensichtlich richtet sie sich an ein Publikum, das die deutsche Sprache sehr gut beherrscht und gewohnt ist, über das eigene Denken und Handeln kritisch nachzudenken. Die Aktionstage werden zusätzlich von entsprechenden Büchertischen in Bibliotheken begleitet. Ob dieser Ansatz den Grossteil der Bevölkerung erreicht, darf bezweifelt werden.
Offen bleibt auch die Frage, weshalb sie sich offensichtlich an die angestammte Bevölkerung richtet. Nirgends stehen Sätze zu lesen: «Wir betrachten nicht verschleierte Frauen nicht als Freiwild». Auch die Aussage: «Wir beschallen beim Telefonieren mit Landsleuten in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht den ganzen Wagen mit unseren Botschaften». Ebenso fehlt der Appell: «Wir beschuldigen Mitbewohner nicht als intolerante Rassisten, weil sie auf der Einhaltung der Nachtruhe beharren.»
Adrian Zeller (*1958) hat die St.Galler Schule für Journalismus absolviert. Er ist seit 1975 nebenberuflich, seit 1995 hauptberuflich journalistisch tätig. Zeller arbeitet für diverse Zeitschriften, Tageszeitungen und Internetportale. Er lebt in Wil.
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