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René Zeyer

Lehrfach «Scheitern»

Versagt, gerügt, peinlich mitten in der Krise ohne Ankündigung Fahnenflucht begangen, dann eisern geschwiegen: Na und? Das qualifiziert ungemein für eine Professur an der HSG.

«Die Ostschweiz» Archiv am 03. Februar 2020

Wenn die HSG nicht gerade Schlagzeilen mit überbordenden Nebentätigkeiten ihrer Professoren macht, macht sie mit den Professoren Schlagzeilen.

Es ist eigentlich nur eine kleine Personalie. Die hat es aber in sich. Der Universitätsrat der Kaderschmiede für angehende Wirtschaftscracks hat Ende letzten Jahres beschlossen, einen Professor in seinem Amt zu bestätigen, das der nun bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2026 ausüben darf.

Na und? Damit bleibt er der Leiter des Instituts für Systemisches Management und Public Governance. Auf Deutsch: Er bringt Studenten bei, wie man ein Unternehmen organisieren und führen soll. Damit es auch richtig flutscht. Er stützt sich dabei sicherlich auf sein Werk «Das St. Galler Management Modell – Management in einer komplexen Welt», das letztes Jahr erschienen ist. Na und?

Blenden wir fast zwei Jahre zurück. Gerade wurde der langjährige Raiffeisen-Boss Pierin Vincenz verhaftet und in Untersuchungshaft gesetzt. Bei der Bank geht es drunter und drüber. Der richtige Moment für einen Verwaltungsratspräsidenten, mutig vor seine Bank zu treten, Verantwortung zu übernehmen, Ruhe in die Bank zu bringen. Public Governance eben. Das tat er in einem Interview mit der NZZ am Sonntag auch. Erklärte sich als schockiert, aber unschuldig am Schlamassal und kündigte im März an, im Juni für die nächste zweijährige Amtszeit zu kandidieren.

Johannes Rüegg-Stürm entschied sich aber wenige Tage später, von einem Moment auf den nächsten zurückzutreten. Als Sahnehäubchen verabschiedete er sich mitten in einer Pressekonferenz und liess die Bankführung mit offenen Mündern zurück. Grossartiges öffentlichen Vollversagen. Peinlich über jede Schmerzgrenze hinweg.

Später trat die meist zahnlose Bankenaufsicht Finma noch mit einer Rüge nach, der Verwaltungsrat habe sträflich seine Aufsichtspflicht vernachlässigt. Das hinderte Rüegg-Stürm nicht daran, in tiefes Schweigen zu verfallen und im stillen Kämmerlein sein nettes Zubrot zum Professorengehalt an der HSG in der Höhe von rund 550'000 Franken zu zählen.

Nun will niemand dem Professor zumuten, dass er als abschreckendes Beispiel, wie man es nicht machen sollte, den Studenten vorgeführt wird. Allerdings äussert er sich im «Tagblatt» doch eher nassforsch. Sein «Engagement» bei Raiffeisen bezeichnet er schriftlich als eine «vorneherein zeitlich limitierte Nebentätigkeit». Kein Wort darüber, dass die zeitliche Limitierung nicht von ihm ausging.

Wie steht es denn mit der Vergangenheitsbewältigung des Professors, hat er wenigstens aus seinen Fehlern gelernt? Nicht wirklich. Er beschwert sich über «überschiessende Kritik», die ihn aber für seine Lehrtätigkeit zusätzlich angespornt habe, wobei er vom Katheder aus «aktiv mein grosses Bedauern über die negativen Auswirkungen zum Ausdruck» bringen will, «die sich im Zusammenhang mit meiner Tätigkeit für Raiffeisen selbst und leider auch für die HSG ergeben haben.»

Im Übrigen erklärt er sein langes Schweigen damit, dass er sich natürlich in eine noch nicht abgeschlossene Strafuntersuchung nicht einmischen wolle. Fassen wir kurz zusammen: Der Institutsleiter sieht kein Problem darin, dass er selbst auf dem von ihm unterrichteten Gebiet krachend versagte. Er hält noch heute Kritik an seiner peinlichen und erbärmlichen Leistung als VR-Präsident vor, während und nach der Affäre Vincenz, für «überschiessend». Und er will nur Bedauern ausdrücken über «negative Auswirkungen», die sich «ergeben haben».

Ergeben haben? Spricht so ein geläuterter Versager, der seinen Studenten vorbildlich vorführen will, wie man mit einer solchen Klatsche umgeht, wie man sich richtig verhält, wenn man als Vollpfosten dastand? Zugegeben, über eine halbe Million weniger Jahreseinkommen ist natürlich bitter. Wäre auch noch die Professur weggefallen, hätte sich Rüegg-Stürm wohl beim RAV melden müssen. Aber all das ist doch kein Grund, sich dermassen unbelehrbar, beratungsresistent und verstockt gegenüber eigenen Fehlern zu verhalten.

Ob da wenigstens die HSG-Studenten, ganz gegen ihre Gewohnheit, wenigstens aufbegehren und ihre Zweifel anmelden, dass der zum Gärtner gemachte Bock vielleicht nicht die richtige Person ist, um zu lehren oder gar ein Institut zu leiten? Das wäre dann zumindest gelebte Social Responsability, Good Governance, um es für die Studenten verständlich auszudrücken.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
«Die Ostschweiz» Archiv

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