Die Abhängigkeit von staatlichen Geldern ist umfassend, durchdringt die ganze Gesellschaft. Eine Tatsache, die nicht nur unseren Staatshaushalt, sondern auch unsere Demokratie in hohem Masse beschädigt.
Dies gelesen: «Subventionen machen über 60 % des Bundeshaushaltes aus und betragen jährlich fast 50 Milliarden Franken.» (Quelle: Eidgenössische Finanzkontrolle, Jahresbericht 2023)
Das gedacht: Im Grunde genommen Schnee von gestern. Die Subventionslawine ist seit vielen Jahren eines der zentralen Probleme der Schweizer Politik. Allerdings, in Zeiten ständig steigender Steuerträge interessierte dies kaum jemand.
Und deshalb wurde und wird das Geld mit vollen Händen ausgeben. Gemäss Voranschlag 2023 machen die Subventionen für die soziale Wohlfahrt 21,5 Milliarden Franken aus. 7,7 Milliarden fliessen in die Bildung und Forschung, 7,4 Milliarden in den Verkehr. Landwirtschaft und Ernährung erhalten 3,6 Milliarden, die Beziehungen zum Ausland 2,9 Milliarden und die Wirtschaft 2 Milliarden Franken.
Kaum eine Rolle spielt die Frage, ob und in welchem Umfang dieser Geldsegen der Allgemeinheit dient. Licht in diese Dunkelkammer bringt der Subventionsreport des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern IWP. Jedes Jahr gibt der Bund 6,7 Milliarden Franken für Subventionen aus, die die allgemeine Wohlfahrt vermindern. Bei weiteren 31.3 Milliarden besteht zumindest das Risiko wohlfahrtsvermindernder Effekte.
Galoppierende Anspruchsmentalität
Nun hat sich das Blatt gewendet. Trotz weiterhin rekordhoher Steuereinnahmen. Die galoppierende Anspruchshaltung von Volk und Politik lässt sich mit den zu Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr finanzieren.
Beispielhaft für den aktuellen Irrweg die 13. AHV-Rente. Es wird Geld verteilt, das nicht vorhanden ist. Vergleichbares gilt beispielsweise für die Klima- und die Migrationspolitik, den öffentlichen Verkehr oder die Entwicklungszusammenarbeit.
Wenig überraschend ist der Verteilkampf voll entbrannt. Jede noch so bescheidene Sparübung stösst auf erbitterten Widerstand. Linke fordern die Abschaffung der Schuldenbremse. Andere wiederrum versuchen, die dringend notwendige Ertüchtigung der Armee mit der Ukraine-Hilfe zu verknüpfen und so nicht nur die Schuldenbremse, sondern gleich noch das Stimmvolk auszutricksen.
Wer zahlt, befiehlt.
Gemeinsam ist all diesen Auseinandersetzungen, dass Subventionen in erster Linie als finanzpolitische Herausforderung gesehen werden. Kaum ein Thema sind die schädlichen Auswirkungen dieser staatlichen Geldzahlungen auf die Gesellschaft im Allgemeinen und die demokratische Willensbildung im Besonderen.
Subventionen sind staatliche Leistungen ohne direkte Gegenleistung der Begünstigten. Wer für die Installation von Sonnenkollektoren auf seinem Ferienhaus staatliche Beihilfen erhält, steht in keinem Schuldverhältnis gegenüber der öffentlichen Hand. Die Allgemeinheit begleicht die Rechnung, der Private profitiert.
Allerdings gilt auch in diesem Zusammenhang: Wer zahlt, befiehlt. Dazu gehören die durch den Gesetzgeber und die Verwaltung formulieren Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung. Dazu gehört aber als indirekte Gegenleistung auch die Bereitschaft der Subventionsjäger, den übergeordneten Interessen der politisch Verantwortlichen gerecht zu werden. Beispielhaft zeigt dies die Kulturpolitik.
Politische Agenda
Grundsätzlich liegt die Kulturhoheit in der Schweiz bei den Kantonen. Dies hält Bundesbern jedoch nicht davon, die Kulturszene im Vierjahresrhythmus mit knapp einer Milliarde Franken zu unterstützen. Aktuell liegt die Kulturbotschaft des Bundesrates für die Jahre 2025 bis 2028 auf dem Tisch.
Diese hält unter anderem fest, dass sich die Filmbranche «für einen schonenden und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen» in allen Förderbereichen die Kosten einer «Nachhaltigkeitsberechnung» anrechnen lassen kann. Erwartet wird die «Einhaltung von ökologischen Mindeststandards» sowie die Durchführung von «Sensibilisierungsveranstaltungen». Begleitet und überwacht wird dies alles durch Beratungsstellen, Kommissionen, Plattformen, Mentoringprogramme und Coachings.
Mit anderen Worten, es geht nicht nur um das Kulturschaffen an sich, sondern zusätzlich um die politische Agenda der Verwaltung und die Interessen der ihr nahestehenden Beratungsindustrie. Geld erhält, wer deren Erwartungen erfüllt.
Was diese Abhängigkeit in der Praxis bedeutet, führte uns Corona vor. Der zuständige Bundesrat fand in der Kulturszene nicht nur seine Liebschaft, sondern die besonders kompromisslosen Befürworter seiner Politik. Wer als Kunstschaffender nicht im Gleichschritt mit den Behörden unterwegs war, wurde ausgegrenzt, riskierte seine Existenz.
Subventionen machen bequem
Corona bestätigte eine weitere Erfahrung. Subventionen machen bequem. Während des ersten Lockdowns entwickelten viele Gastrounternehmer kreative Ideen, um mit neuen Takeaway-Konzepten wenigstens ein wenig Umsatz zu erzielen. Es wurde improvisiert und experimentiert.
Gleichzeitig setzten sich die Gastroverbände und viele Wirtinnen und Wirte lautstark für ihre Interessen ein. Man ging auf die Strasse, demonstrierte, bewaffnet mit Pfannendeckeln, Töpfen und Kochlöffeln. Für Gewerbetreibende ein mehr als ungewöhnliches Engagement.
Von all diesen Aktivitäten war im zweiten Lockdown kaum mehr etwas zu spüren. Die in der Zwischenzeit verabschiedeten Härtefallentschädigungen zeigten Wirkung. Die Basis verstummte, die Selbsthilfe verkümmerte. Finanziell einigermassen abgesichert legte man die Hände in den Schoss. Zudem wollte kaum jemand mit mühsam erarbeiteten Einnahmen aus Ersatzangeboten die Kürzung der Corona-Entschädigungen riskieren.
Gipfel des Eisbergs
Die Subventionsmilliarden des Bundes sind nur der überbreite Gipfel des Eisbergs. Auch auf Kantons- und Gemeindeebene wird subventioniert, was das Zeug hält. Und dies nicht nur zu Gunsten Hilfsbedürftiger. Im Gegenteil. Hauseigentümer erhalten Staatsbeiträgen für die energetische Sanierung ihrer Liegenschaft. Unternehmer setzen auf eine mit Steuergeldern finanzierte Innovationsförderung, Start-ups auf Startkapital und subventionierte Büroräume.
Weiter geht es mit der Kultur, dem Sport, Messeveranstaltungen, Volksfesten, der Standortförderung und mit Angeboten für Migranten, Jugendliche oder Menschen mit einer besonderen sexuellen Orientierung.
Die Abhängigkeit von staatlichen Geldern ist umfassend, durchdringt die ganze Gesellschaft. Eine Tatsache, die unsere Demokratie in hohem Masse beschädigt. Beispielhaft für diese Fehlentwicklung die gescheiterte Gesundheitspolitik des Kantons St.Gallen.
Fehlende Grundsatzdiskussion
Vor rund zehn Jahren präsentierten die Kantonsregierung und die Parlamentsmehrheit eine Vorlage, die Investitionen von einer Milliarde Franken in eine marode Spitallandschaft mit zahlreichen kleinen Landspitälern vorsah. Dies ungeachtet veränderter Finanzierungsmodalitäten, der Verlagerung hin zu ambulanten Behandlungen, dem Fachkräftemangel bei den Pflegeberufen und dem unbestrittenen Zusammenhang von Fallzahlen und Qualität.
Wer angesichts dieser Ausgangslage vor der Volksabstimmung eine intensive gesundheitspolitische Auseinandersetzung erwartete, sah sich getäuscht. Die politischen Parteien stellten sich einmal mehr hinter ihre Regierungsmitglieder. Politische Interessen sind wichtiger als die Sache. Das Gewerbe applaudierte, mit Blick auf das Auftragsvolumen werden Bauvorhaben grundsätzlich unterstützt.
Still verhielten sich auch die auf Gesundheitsfragen spezialisierten Professoren der Universität und der Fachhochschulen. Man kann und will es sich mit dem Kanton, der die Hochschulen finanziert, nicht verderben. Zudem erbringen zahlreiche Hochschulinstitute gut bezahlte Beratungsdienstleistungen zu Gunsten des Gesundheitswesens.
Vergleichbar die Exponenten der Krankenkassen und der Ärztegesellschaft. Auch sie sind Teil des Gesundheitssystems und mit Blick auf ihre finanziellen Interessen auf den Goodwill der Politik und insbesondere der Behörden angewiesen. Für die Beschäftigten der kantonalen Spitäler, die ihre Unternehmen und deren Probleme von innen her kennen, galt ein absolutes Redeverbot. Mitdiskutiert wurde nur hinter vorgehaltener Hand.
Die dringend notwendige Grundsatzdiskussion fand nicht statt. Niemand beisst die Hand, die ihn füttert. Stattdessen konzentrierte sich die öffentliche Debatte wie von der Regierung mit einer PR-Kampagne orchestriert auf regionalpolitische und bauliche Aspekte. Wenig überraschend stimmte das Stimmvolk der Vorlage zu.
Was die politische Diskussion nicht zu leisten vermochte, erledigte innert weniger Jahre das Tagesgeschäft. Die Spitalunternehmen gerieten in massive finanzielle Schwierigkeiten. Bauprojekte wurden annulliert, Regionalspitäler geschlossen. Zurück blieben Defizite und Abschreiber. Was soll’s? Niemand muss die Verantwortung für direktdemokratisch legitimierte Fehlentscheidungen übernehmen. Vor allem aber gilt: Wenn es um angeblich öffentliche Interessen geht, spielt Geld keine Rolle.
Selbstbedienungsladen hat ausgedient
Das Narrativ westlicher Wohlfahrtsstaaten war und ist das von Peter Sloterdijk als Amalgam aus kampfloser Freiheit, stressfreier Sicherheit und leistungsunabhängigem Einkommen beschriebene Versprechen einer sorglosen, durch die Gemeinwesen abgesicherten Existenz. Damit dürfte es vorbei sein.
Der Staat als Selbstbedienungsladen hat ausgedient. Wir alle müssen wieder lernen, für unsere Bedürfnisse und die eigene politische Agenda selbst zu bezahlen. Kostspielige Wahlgeschenke können wir uns nicht länger leisten. Eine gute Nachricht. Nicht zuletzt für unsere Demokratie.
Quelle und Links: www.kurtweigelt.ch
Kurt Weigelt, geboren 1955 in St. Gallen, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bern. Seine Dissertation verfasste er zu den Möglichkeiten einer staatlichen Parteienfinanzierung. Einzelhandels-Unternehmer und von 2007 bis 2018 Direktor der IHK St.Gallen-Appenzell. Für Kurt Weigelt ist die Forderung nach Entstaatlichung die Antwort auf die politischen Herausforderungen der digitalen Gesellschaft.
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