Die Konzerte der Band «Rammstein» sorgen für einen Sturm der Empörung – könnte man meinen. In sechs Tagen kamen auf einer Online-Petition gegen die Konzerte sage und schreibe 240 Unterschriften zusammen.
Davon stammt erst noch ein Drittel aus Deutschland. In den 16 Stunden, bevor dieser Text an die Redaktion ging, kamen bloss noch 5 Unterschriften hinzu. So wird selbst das bescheidene Ziel von 500 Unterschriften bis zum Wochenende nicht erreicht werden.
Am Ursprung der Petition steht ein gewisser Patrick 'Paddy' Portmann. Er ist nicht bloss SP-Kantonsrat, sondern geistert wahlweise auch als "Polizei-Gewerkschafter" oder gar als "oberster Polizei-Gewerkschafter Kanton Schaffhausen" durch den hiesigen Blätterwald.
Dass sich scheinbar selbst Polizeikreise gegen das Konzert positionieren, sorgt natürlich für Aufsehen. Titelte der Blick noch: "Feministisches Streikkollektiv Bern und Polizei-Gewerkschafter Patrick Portmann fordert: Lasst Rammstein in Bern nicht auftreten!" - so verschärfte es der Tagesanzeiger bereits zu "Juso und Polizei-Gewerkschafter fordern Absage von Rammstein-Konzert in Bern". Dass es sich dabei bloss um einen einzigen "Polizei-Gewerkschafter" handelt, ist aus der Schlagzeile nicht mehr ersichtlich. Ohne einen einzigen Beleg dafür anzuführen, schreibt das Blatt weiter, dass "auch Störaktionen erwartet" würden. Der vermittelte Eindruck ist klar: Polizeikreise sorgen sich um die öffentliche Sicherheit.
Da vermag es nicht wirklich zu überraschen, dass die Geschichte auf bluewin.ch mit der Schlagzeile "Polizisten fordern Absage" seinen Höhe- und Schlusspunkt fand. So kommt es üblicherweise, wenn Journalisten voneinander abschreiben anstatt selber zu recherchieren: Journalistische Einfalt statt journalistische Vielfalt. Geradezu ein Paradebeispiel journalistischer Alchemie: Aus einem Polizei-Gewerkschafter werden Polizei-Gewerkschafter werden Polizisten.
Doch wer ist dieser "Polizei-Gewerkschafter" überhaupt? Eine Suche auf Google fördert zutage, dass er ausgebildeter Pfleger ist und als Gruppenleiter in einem Alters- und Pflegeheim arbeitet. Dennoch bezeichnen ihn die Schaffhauser Nachrichten als "Polizeibeamtenchef". Des Rätsels Lösung: Das Amt des Präsidenten des Polizeibeamtenverbands Schaffhausen ist quasi eine politische Funktion und wird üblicherweise von einem Mitglied des Kantonsrats ausgeübt. Vor Patrick Portmann hatte SVP-Kantonsrätin Virginia Stoll diese Position inne.
Warum die Medien bei Patrick Portmanns neustem Engagement ausgerechnet sein Amt als Präsident des Polizeibeamtenverbands in den Fokus rückten, bleibt deren Geheimnis. Vermutlich weil sich die Schlagzeilen so besser verkaufen.
In seiner Petition zu Handen der "Mitglieder Stadtrat Bern, Mitglieder Regierungsrat Kanton Bern" offenbart Patrick Portmann gleich einmal seine Unkenntnis der politischen Verhältnisse im Kanton Bern: Dort heisst die Exekutive nämlich "Gemeinderat" und nicht "Stadtrat". Der Stadtrat ist in Bern die Legislative. Da hat unser wackerer "Polizei-Gewerkschafter" wohl zu sehr nach Zürich geschielt...
Nachdem er sich in seiner Petition lang und breit über das "frauenverachtende Vorgehen mit potentiell willig machenden Substanzen" ausgelassen hat, gibt er seiner Überzeugung Ausdruck, "dass die Konzerte aufgrund der jüngsten Vorkommnisse und Berichte nur ohne Till Lindemann stattfinden sollten und bitte euch daher um eure Unterstützung. Die anderen Bandmitglieder wären durch meine Forderung nicht betroffen und könnten trotzdem auftreten."
Wie grosszügig! Oder anders gesagt: Bitte einmal Eis am Stil ohne Eis! Dass eine Band ohne ihren Sänger auftritt, wäre natürlich der weit grössere Betrug am Publikum, als den Auftritt gleich ganz abzusagen.
Patrick Portmann sorgt aber auch sonst für Heiterkeit. So echauffierte er sich in einem Leserbrief: "Die SVP begründet ihr Budgetreferendum damit, dass nicht nur das städtische Personal im Rahmen einer (massvollen) Lohnerhöhung profitieren dürfe. Vielmehr sollen alle Einwohner/innen in Form einer Steuersenkung teilhaben. Die SVP verknüpft so zwei Themen willkürlich miteinander. Übertragen auf die Privatwirtschaft würde das bedeuten, dass ein Unternehmen gleichzeitig die Marge auf seinen Produkten senkt (um sie an die Kunden weiterzugeben) und die Löhne der Mitarbeiter erhöht. Dies bei sich klar eintrübenden wirtschaftlichen Aussichten."
Das Beispiel ist denkbar schlecht gewählt - denn was würde in Unternehmen in einer solchen Situation wohl tun? Richtig, die Margen senken, um wenigstens den Absatz aufrechtzuerhalten - aber ganz sicher nicht die Löhne des Personals erhöhen.
Aber was soll man von einer Partei auch erwarten, welche ein "historisches Resultat" bejubelt, wenn ihr Kandidat bei den Ständeratswahlen etwas mehr als halb so viele Stimmen wie der Gewinner macht? So geschehen 2019. Der damalige Kandidat der SP: Patrick Portmann.
Mit dem historischem Bewusstsein, auf das sich die Linke einst so viel einbildete, ist es bei der heutigen Linken auch nicht mehr weit her: Noch 1979-1991 hielt sie im Kanton Schaffhausen einen Ständeratssitz. Offenbar zählt bei den Schaffhauser Genossen die Zeit vor 30 Jahren bereits zur Urgeschichte.
Thomas Baumann ist freier Autor und Ökonom. Als ehemaliger Bundesstatistiker ist er (nicht nur) bei Zahlen ziemlich pingelig.
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