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Warum das der Kantonsrat verdient hat

Der St.Galler Kantonsrat soll besser entschädigt werden als bisher. Das ist auf den ersten Blick und von aussen stossend - wie immer, wenn sich jemand selbst das Gehalt erhöht. Aber: Es gibt den zweiten Blick, und der sieht anders aus.

Stefan Millius am 17. Dezember 2019

Unser Staat, vor allem auf Bundesebene, aber auch kantonal und kommunal, wächst. Es gibt immer mehr Stellen und damit einhergehend immer mehr Ausgaben. Und oft genug fragt man sich, was davon wirklich nötig ist. Die Staatsquote ist alarmierend hoch, und im Grunde ist die öffentliche Verwaltung der einzige Sektor, der noch wächst. Das ist nicht gut.

Aber eben: Da sprechen wir von der Verwaltung. Und bei der liegt vieles im Argen. Ein schwer überschaubares Lohnklassensystem, in dem viele Leute unabhängig von der Leistung nach oben klettern, Löhne für Amtsleiter in Gemeinden, die massiv über denen liegen in der Privatwirtschaft: Das kanns nicht sein. Wenn wir hingegen von den Entschädigungen für Milizpolitiker sprechen, sieht es ein bisschen anders aus.

Denn hier muss man sich anschauen, was jemand verdienen würde, wenn er sich nicht für ein solches Amt zur Verfügung stellen würde. Klar, das geschieht freiwillig, aber wir sind auf Leute angewiesen, die sich das antun. Gerade auf kommunaler Ebene ist die Entschädigung für Amtsträger (ausser vollamtlichen wie Gemeindepräsidenten) verglichen mit dem Aufwand und den zeitlichen Ressourcen selten mehr als ein Trinkgeld. Vor 20 oder 30 Jahren war die Ehre des Amts Bezahlung genug, aber inzwischen ist man ja in der Regel eher der Buhmann als die respektierte Persönlichkeit, wenn man sich öffentlich engagiert.

Bei Kantonsräten, und das räume ich als nun wirklich staats- und behördenkritischer Bürger ein, sehen die wenigsten Aussenstehenden den tatsächlichen Aufwand. Wer sich in den Livestream bei den Parlamentssessionen einklickt, gewinnt zwar nicht den Eindruck von harter Arbeit. Aber dem vorausgegangen sind für die meisten Kantonsräte Kommissionssitzungen, Fraktionssitzungen, Arbeitsgruppen, das Aktenstudium und so weiter. Vieles findet am Wochenende statt. Man investiert ordentlich Zeit in dieses Amt, zumindest wenn man es ernst nimmt. Und wir sollten interessiert sein an Leuten, die es ernst nehmen.

Ein Sitzungsgeld von 400 Franken ist so gesehen nun in der Tat keine überrissene Forderung. Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, die Freude am Amt und dem Einsatz für die Allgemeinheit sei Lohn genug. Tatsache ist aber, dass das immer weniger Leute so sehen. Während es für den Kantonsrat noch genügend Kandidaturen gibt, muss man sich gerade auf kommunaler Ebene bereits ein Bein ausreissen, um Willige zu finden. Möglichst viel Geld als Anreiz kann natürlich nicht die Lösung sein, aber zumindest eine sachgerechte Entschädigung für den tatsächlichen Aufwand.

Dass viele der aktuellen St.Galler Kantonsparlamentarier aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit diesen Zustupf nicht nötig hätten, mag stimmen. Aber man kann eine Regelung nicht an ihnen ausrichten. Denn schliesslich wollen wir nicht nur sie im Parlament.

Und eben: Wenn wir sparen wollen, dann bei der Verwaltung. 800'000 Franken pro Jahr sind ein Pappenstiel verglichen mit dem, was jeden Monat für Funktionen draufgeht, die in der jüngeren Vergangenheit «erfunden» wurden.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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