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Isabella Müller

Mit dem Motorrad einmal um die Welt: Was macht die Weltmeisterin heute?

14 von 17 Tagen Regen ohne Ende – das hielt Isabella Müller vor fünf Jahren jedoch nicht davon ab, mit ihrem Motorrad einmal um die Welt zu fahren. Die Weltmeisterin erinnert sich noch heute an jedes Schlagloch. Was der Sieg mit ihr gemacht hat und weshalb sie froh ist, keine Joggerin zu sein.

Manuela Bruhin am 17. Oktober 2023

«Oh doch, dieser Gedanke kam mir ehrlich gesagt ganz oft», lacht Isabella Müller, darauf angesprochen, ob sie in diesen 17 Tagen auch einmal kurz davor war, alles hinzuschmeissen. Das Telefon für das Interview erreicht die Thurgauerin gerade in ihren Töffferien – was auch sonst. «Urlaub gibt es für mich nur auf dem Zweirad», sagt sie. Kein Wunder, denn dass sie die Freiheit auf ihrem Motorrad in Rumänien auf der Transalpina so geniessen kann, ist alles andere als selbstverständlich.

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2017 war es, als die Thurgauerin mit ihrer Maschine schwer verunglückte. Ein technischer Defekt, sagt sie im Gespräch. «Das Motorrad gab plötzlich Gas, ich reagierte falsch, und kuppelte nicht aus», erinnert sie sich. Sie flog 15 Meter weit, überschlug sich und blieb schwer verletzt liegen. Die Diagnose: beide Hüftgelenke zertrümmert, acht gebrochene Rippen. Dass sie überlebte, grenzte an ein Wunder. Zehn Wochen lang sass sie im Rollstuhl, musste das Laufen mit einem künstlichen Hüftgelenk erst wieder neu lernen.

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Ungute Gefühle

Konnte sie je wieder ohne Schmerzen gehen? Und wie sah es mit dem Motorradfahren aus? Diese Fragen beschäftigten die Thurgauerin rund um die Uhr, und noch ein Gefühl kam dazu: die Angst vor der Angst. «Was, wenn ich mich nicht mehr in den Sattel getraue?», fragte sie sich oftmals. Bevor sie überhaupt wieder ohne zu humpeln laufen konnte, sass sie wieder auf der Maschine. Das war nach vier Monaten. Isabella Müller vergleicht es mit einem Reiter, der nach einem Sturz so schnell wie möglich auf das Pferd möchte. Die Anfrage des Veranstalters des Women’s World Record, ob sie sich vorstellen könne, gegen drei internationale Konkurrentinnen für die Schweiz zu starten, kam für sie deshalb zur richtigen Zeit. «Es war quasi meine persönliche Rehabilitation», fasst sie zusammen. Bei der Langdistanz-Motorradfahrt galt es, einmal die Erde zu umrunden – auf dem Motorrad. Alleine. Der Startschuss fiel am 6. Mai 2018. Die Thurgauerin schaffte es in 17 Tagen, 7 Stunden – und legte 23'120 Kilometer zurück. Das bedeutet den Weltrekord der schnellsten Erdumrundung einer Frau mit dem Motorrad.

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Loch jagt das nächste

Vor allem eines ist Isabella Müller noch sehr präsent: das Wetter und die langgezogenen Strassen Russlands. «Von den 17 Tagen hat es 14 Tage geregnet. Die Strassen in Russland springen durch die Kälte auf, es folgt ein Schlagloch am anderen – dagegen ist jeder Feldweg hierzulande super», so die Thurgauerin. Die einsamen Strassen liessen sie das eine oder andere Mal schier verzweifeln – und der Gedanke ans Aufgeben näherkommen. Doch durch den Unfall ging sie gestärkt hervor. «Ich rief mir meine damalige Gemütslage in Erinnerung. Schliesslich war ich damals viel schlimmer dran, es ging mir sehr schlecht. Dagegen waren doch die Strassen, die Einsamkeit und der Regen nicht so schlimm.» Geschlafen hat sie durchschnittlich etwas mehr als drei Stunden. Und irgendwann kam dann der «Point of no return», wie sie sagt. «So blöd es klingt: Ich wollte einfach nur nach Hause.»

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Sie schweigen nun

Seither bringt sie auf ihren Touren auch das mieseste Wetter nicht mehr so schnell aus der Ruhe. Denn das Motorradfahren gehört nach wie vor zum festen Bestandteil. Und noch eines hat sie sich durch ihren Sieg erkämpft: den Respekt. Oftmals wurde sie in der Vergangenheit belächelt – eine Frau auf dem Motorrad ist eben immer noch nicht das gleiche wie ein Mann auf einem Motorrad. «Nach meinem Sieg durfte ich einige Vorträge halten. Und meine Ausführungen haben dann doch den einen oder anderen zum Schweigen gebracht, der mich vorher nicht ernst genommen hat», lacht die Thurgauerin. Und wenn einer kommen und sie herausfordern würde? «Dann würde ich morgen oder übermorgen auf den Töff steigen – den Rekord lasse ich mir nicht so schnell wegnehmen.» Dass sie überhaupt an diesem Punkt stehen darf, wie derzeit gerade auf den weiten Strassen Rumäniens, sehe sie überhaupt nicht als selbstverständlich an. «Ich denke, jeder, der seine Passion gefunden hat, steht auf der Sonnenseite des Lebens. Und so ist es bei mir.» Auch nach ihrem schweren Unfall sei es ihr weiterhin möglich, ihrer Leidenschaft nachgehen zu dürfen. «Stellen Sie sich vor, ich wäre eine Joggerin gewesen – das hätte ich mit einem künstlichen Hüftgelenk wohl aufgeben müssen.» Stattdessen blickt sie nach vorn, und fährt weiter ihren Wünschen entgegen: wie beispielsweise eine dreimonatige Reise durch Argentinien. Und das natürlich mit der grossen Freiheit, die sie sich auf dem Motorrad um die Nase wehen lässt.

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Autor/in
Manuela Bruhin

Manuela Bruhin (*1984) aus Waldkirch ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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