«Es wäre zu kurzsichtig, die jüngst lancierte Souveränitätsinitiative auf den WHO-Pandemievertrag zu reduzieren. Vielmehr geht es um Grundlegendes – was auch die Diversität des Komitees illustriert.» Ein Plädoyer des Autors des Initiativtexts.
Mitte Oktober ist die Unterschriftensammlung der sogenannten Souveränitätsinitiative gestartet, deren Initiativtext der Autor dieses Beitrags verfasst hat. Selbstredend nicht ohne «Peer Review» durch circa fünf geschätzte Kolleginnen und Kollegen, denn alles andere wäre bei solch einem wichtigen Projekt unseriös. «Für den wirksamen Schutz der verfassungsmässigen Rechte (Souveränitätsinitiative)» lautet der offizielle Initiativtitel gemäss Publikation im Bundesblatt. Doch worum geht es konkret?
Da das Co-Präsidium der Initiative von zwei Vertretern von Mass-Voll und der Freunde der Verfassung besetzt wird, liegt der mediale Fokus aktuell auf dem WHO-Pandemievertrag. Ein gefährlicher Vertrag, sollte er der WHO de facto so viel Macht geben, wie dies aktuell befürchtet wird. Wobei der definitive Vertragstext noch nicht vorliegt. Erst diesen Monat wurde in Äthiopien, dem Heimatland des WHO-Generaldirektors Tedros, gegen diesen eine Strafuntersuchung wegen Veruntreuung und Sexualdelikten eingeleitet, wobei die Unschuldsvermutung gilt.
Bekämpfung eines einzelnen Staatsvertrags wäre unnötig
Doch eine Initiative bloss gegen einen einzelnen Staatsvertrag, den man auch auf dem Referendumsweg bekämpfen könnte, wäre unnötig. Allein daraus ergibt sich, dass es beim neu lancierten Anliegen um mehr gehen muss als nur die Bekämpfung eines einzelnen unliebsamen Vertrags.
Und effektiv: Die Begriffe «Pandemie» oder WHO tauchen im gesamten Initiativtext nirgends auf. Neu eingeführt werden soll vielmehr ein Grundsatzartikel in der Bundesverfassung, der gewisse Arten völkerrechtlicher Verträge generell für unzulässig erklärt. Und zwar einerseits solche, welche die Schweiz verpflichten würden, in den Schutzbereich der Grundrechte ihrer Bürgerinnen und Bürger einzugreifen. Andererseits würden Staatsverträge verboten, gemäss denen die Schweiz sich verbindlich nach der Rechtsprechung anderer Staaten oder supranationaler Gremien orientieren müsste. Im Klartext würde damit auch eine Neuauflage eines Rahmenabkommens mit der EU ausgeschlossen – jedenfalls eines solchen, das erneut ein Schiedsgericht vorsähe, das die Unabhängigkeit der Schweizer Gerichte einschränkte.
Kein Rundumschlag nach SVP-Manier
Was das Anliegen aber von einem Rundumschlag nach SVP-Manier unterscheidet, ist der klare Ausnahmenkatalog, der explizit diverse erwähnte Arten von Staatsverträgen von der Initiative ausnimmt: allem voran die EMKR, die Europäische Menschenrechtskonvention. Ein Staatsvertrag, der nicht grundsätzlich aufgegeben werden sollte, auch wenn vereinzelte Urteile aus Strassburg (beispielsweise Menschenrecht auf Geschlechtsumwandlung auf Kosten der Allgemeinheit) tatsächlich mehr als nur ein paar Fragen aufwerfen.
Auch Schengen/Dublin, Flughafenanflüge oder Doppelbesteuerungsabkommen wären genauso wenig betroffen wie Verträge des internationalen Zivil(verfahrens)rechts oder der Rechtshilfe in Strafsachen. Kurzum: Kontakt mit dem Ausland gibt es in einer globalisierten Welt, und ohne staatsvertragliche Regelung würde dieser zur bürokratischen Hölle.
Abbau von Bürokratie
Doch nochmals: Der Abbau von Bürokratie zugunsten internationaler Mobilität ist nicht dasselbe wie ein völkerrechtlicher Vertrag, der die nationale Souveränität einschränkt und einem Land – im Einzelfall auch gegen dessen Willen – die verbindliche Pflicht oktroyiert, in die Grundrechte seiner Bevölkerung einzugreifen oder seine Rechtsprechung an ausländischen Autoritäten ausrichten zu müssen. Und zwar nicht etwa bei Kriegsverbrechen, sondern auch Banalitäten wie der Namensgebung gewisser alltäglicher Konsumprodukte.
Geht man (zu Recht) davon aus, dass ein Staatswesen – trotz all seiner Unperfektheit – auf dem grundsätzlichen Konsens der auf seinem Territorium lebenden Personen basiert, realisiert man rasch, dass nationale Souveränität keine Makulatur, sondern eine Notwendigkeit ist. Wird sie in diesem Sinne verstanden, ist sie eine Selbstverständlichkeit.
Und so erstaunt auch wenig, dass neben Exponenten aus SVP, Mass-Voll, Aufrecht oder Freunde der Verfassung auch Vertreter von GLP, FDP, Grüne, Piratenpartei, EDU sowie mehrere Parteilose im 27-köpfigen Komitee sitzen. Damit könnte gelingen, was dringend nötig ist: ein prospektiver Lerneffekt aus der Covid-Massenpsychose, der ungeachtet der konkreten Streitfrage das Grundprinzip hochhält, dass staatliche Regulatorien unsere Probleme nicht besser lösen können als wir selber.
MLaw Artur Terekhov ist selbstständiger Rechtsvertreter in Oberengstringen ZH.
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