logo

Schöbi hat recht

Heiratet, Paare!

Dauernd ist die Rede von der «Heiratsstrafe». Wer Ja sagt, kommt bei den Steuern an die Kasse, heisst es. Dabei spricht (derzeit noch) einiges für die Eheschliessung.

Gloria Schöbi am 18. Mai 2018

Das Thema «Heiratsstrafe» ist in den Köpfen fest verankert. So fragen mich Paare, die in einem Ehe- und Erbvertrag Regelungen für ihre bevorstehende Ehe treffen möchten, des Öfteren, wieviel Steuern sie denn nach der Eheschliessung mehr bezahlen müssen. Mittlerweile gehört es zur allgemeinen Auffassung, dass Verheiratete gegenüber Konkubinatspaaren generell steuerlich benachteiligt sind. Dieser Fall kann natürlich eintreten, ist aber nur bei einem Bruchteil der Ehepaare wirklich Realität. Im Gegenteil haben manche sogar steuerliche Vorteile durch eine Heirat.

Die Heiratsstrafe als Steckenpferd der CVP wird schon seit Jahren immer wieder thematisiert und manchmal auch ein wenig dramatisiert. Kein Wunder ist daraus der Glaube entstanden, dass verheiratete Paare steuerlich ohnehin benachteiligt sind. Neben dieser Debatte gehen aber die Belange jener Paare, die im Konkubinat leben und dies auch längerfristig nicht ändern wollen, völlig vergessen. Mit der Steuervorlage 17 wird das Thema «Heiratsstrafe» zwar endlich angegangen. Eine neue Auslegeordnung, die sich nicht nur mit der Besteuerung von Ehegatten und der Eindämmung der Heiratsstrafe, sondern auch mit den steuerlichen Aspekten des Konkubinats auseinandersetzt, sucht man aber vergebens. Vielmehr ist die Vorlage einzig ein isolierter Lösungsversuch der immer wieder diskutierten Heiratsstrafe.

Gemäss Rechtsprechung liegt eine Ungleichbehandlung dann vor, wenn ein Ehepaar im Vergleich zu einen Konkubinatspaar in denselben wirtschaftlichen Verhältnissen mindestens 10 Prozent mehr Steuern berappen muss. Mit der Steuervorlage 17 soll aber nicht nur diese Ungleichbehandlung beseitigt werden. Vielmehr sollen künftig die Steuern von Ehepaaren gemäss dem für sie günstigeren Tarif berechnet werden. Es erfolgt also eine totale Gleichstellung mit Paaren die im Konkubinat leben. Umgekehrt profitiert aber ein Konkubinatspaar nicht von einem besseren verheirateten Tarif. Ein allfälliger «Heiratsbonus» bleibt nach wie vor denjenigen vorbehalten, die die Ehe schliessen. Darüber hinaus sieht die Vorlage zusätzliche Abzüge für Einverdienerehepaare und Alleinerziehende vor. Es profitieren von der Vorlage also auch eine Vielzahl Paare, die bisher von gar keiner Heiratsstrafe betroffen waren. Die Vorlage sieht zudem vor, dass bei unverheirateten Paaren mit Kindern für die Bemessung der Bundessteuer der Grundtarif anstatt der Elterntarif angewendet werden soll, d.h. ein Verheiratetenabzug soll in Zukunft nicht mehr möglich sein. Dadurch werden Konkubinatspaare mit Kindern zusätzlich belastet. Schliesslich muss man die entstehenden Löcher ja wieder stopfen – zumindest teilweise. Man könnte die Vorlage also auch als eine Art «Konkubinatsstrafe» bezeichnen.

Die Diskrepanz zwischen der Institution Ehe und dem Konkubinat kommt nicht von ungefähr. So ist diese auch in anderen Rechtsgebieten offensichtlich: Das Gesetz gibt Ehegatten verschiedene Möglichkeiten mittels ehe- und erbrechtlicher Instrumente ihr Zusammenleben zu gestalten und abzusichern. Insbesondere bestehen weitgehende Möglichkeiten einander im Todesfall bestmöglich zu begünstigen. Konkubinatspaare haben hingegen eine völlig andere Ausgangslage und stehen vor einer Vielzahl offener Fragen. Das Gesetz lässt sie dabei sozusagen im Stich. Spezielle Regelungen gibt es nicht.

Schliesslich haben Konkubinatspaare in der Regel dieselben Wünsche wie Ehegatten: Sie möchten einander absichern und im Todesfall bestmöglich begünstigen. Je nach Konstellation können sich aber unüberwindbare Hürden in den Weg stellen. Denn rechtlich gesehen ist der Konkubinatspartner als Drittperson einzuordnen und hat von Gesetzes wegen nicht mehr oder weniger Rechte als ein Fremder, der einem auf der Strasse begegnet. So hat der Konkubinatspartner beispielsweise keinen gesetzlichen Erbanspruch. Falls Kinder vorhanden sind oder die Eltern noch leben, haben diese zudem einen nicht unbeachtlichen Pflichtteilsanspruch. Natürlich kann man den Konkubinatspartner als Erben einsetzen – soweit keine Pflichtanteilssprüche verletzt werden –, doch macht einem die Erbschaftssteuer unter Umständen einen Strich durch die Rechnung, welche im Kanton St.Gallen satte 30 Prozent beträgt. So kann es je nach vorhandenen Mitteln schon ein unüberwindbares Problem darstellen dem Partner den Verbleib in der gemeinsamen Wohnung zu ermöglichen. Aufgrund der begrenzten Möglichkeiten bleibt mir manchmal nichts anderes übrig als solchen Paaren zu empfehlen, eine Heirat nochmals in Erwägung zu ziehen.

In gesellschaftlicher Hinsicht steht es heute jedem frei, sich für oder gegen die Institution Ehe zu entscheiden. Diesem sollte Rechnung getragen werden, indem man das Konkubinat in seiner rechtlichen Stellung stärkt. Bis anhin ist davon aber sehr wenig zu sehen. Zumindest erhofft sich Bundesrat Ueli Maurer scherzhaft, die neue Vorlage führe vielleicht dazu, dass mehr Leute heiraten würden. Quo vadis?

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Gloria Schöbi

Gloria Schöbi (*1987) ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Bartl Egli & Partner in Heerbrugg und Au. Sie ist zudem Gemeinderätin (FDP) der Politischen Gemeinde Au und Vorstandsmitglied der FDP Frauen des Kantons St.Gallen.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.