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Kommentar

Auf dem linken Auge blind

Während drei Tagen versuchte kürzlich die links-grüne Klimabewegung «Extinction Rebellion», den Verkehr in Zürich lahmzulegen. Kurz zuvor tat das Gleiche die Bewegung «Critical Mass», eine Bewegung von grünen Velo-Aktivisten.

Walter Locher am 21. Oktober 2021

Die zuständige grüne Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart verhielt sich passiv und sah dem Treiben zu. Sie sorgte sogar dafür, dass die Polizei, statt einzuschreiten, WCs für die Demonstranten installierte.

In St. Gallen veranstalteten die SP und die Juso am Frauenstreiktag auf öffentlichem Grund im Juni ein «Dosenwerfen gegen alte weisse Männer». Die grünliberale Sicherheitsvorsteherin Sonja Lüthi schritt dagegen nicht ein. In einer Antwort auf die einfache Anfrage von zwei bürgerlichen Politikern zu diesem Vorgehen wurde die Veranstaltung mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Diskussion über Gleichberechtigung oder Gleichwertigkeit gar noch schön geredet. Der Ausdruck «alte weisse Männer» sei «als feststehender politischer Begriff zu verstehen, der auf die Machtstrukturen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft abziele». Dementsprechend sei die Veranstaltung und das Werfen auf Büchsen mit Bildern allgemein bekannter männlicher Persönlichkeiten aus der nationalen und internationalen Politik «nicht zu beanstanden und es bestehe keine Veranlassung, darauf einzuwirken, dass künftige Veranstaltungen solcher Art auf öffentlichem Grund nicht mehr bewilligt würden».

Dieses Verhalten grüner und links-grüner Exekutivpolitiker in Zürich und St. Gallen ist untragbar. Toleriert wird auf öffentlichem Grund offenkundig, was man selbst für richtig ansieht und die eigene Klientel als richtig befindet, unabhängig vom Recht. Verurteilt wird nur, was nicht in das eigene politische Weltbild passt. Das ist reine linke Intoleranz. Die Durchsetzung des Rechts ist im Rechtsstaat keine Gesinnungs-, sondern eine Rechtsfrage.

Man kann diese Fehlentwicklung linker Politiker bei Sahra Wagenknecht in ihrem neuesten Buch «Die Selbstgerechten» nachlesen: Die Filterblase des eigenen Milieus wird in Ruhe gelassen, die Argumente ausserhalb dieser Blase werden unterdrückt und Bewilligungen zu deren Verbreitung verweigert.

Wer als Exekutivpolitiker so argumentiert, wie dies die Sicherheitsvorsteherinnen von Zürich und St. Gallen bei ihrer Bewilligungspraxis tun, der ist auf dem linken Auge blind. Er fördert nicht die Rechtsstaatlichkeit, sondern untergräbt sie. Wer nicht in der Lage ist, Gesuche der eigenen Klientel und Gesuche politisch anders Denkender gleich zu behandeln und das Recht gegenüber allen gleich durchzusetzen, der verwirkt als Exekutivpolitiker den Anspruch auf Glaubwürdigkeit und Regierungsfähigkeit.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Walter Locher

Walter Locher (*1955) ist Rechtsanwalt, St.Galler FDP-Kantonsrat, Präsident HEV Kanton St.Gallen und Präsident IG Engpassbeseitigung.

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