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Hässlichster Kreisel

Au erhält nationale Beachtung dank seiner Wurströhre

Wer täglich daran vorbeifährt, hatte eigentlich nie Zweifel. Als die Zeitung «Blick» den hässlichsten Kreisel der Schweiz suchte, musste die Wahl einfach auf denjenigen in der Au im Rheintal fallen. Die Künstlerin sieht es natürlich anders - und setzt noch einen obendrauf.

Stefan Millius am 31. Januar 2020

Man kann sich natürlich immer alles künstlerisch schöninterpretieren. Die Frage ist aber doch einfach: Was sieht man, wenn man etwas vor sich hat? Im Fall des Auer Kreisels, der vom Zentrum aus in die Richtungen von Heerbrugg, Berneck und die Autobahn beziehungsweise Vorarlberg führt, ist der Fall ziemlich klar. Der Kreisel sieht aus, als hätte sich ein Riese ganz dringend erleichtern müssen, nachdem er einige Kuh- oder Schweineherden vertilgt hat. Ineinander verschlungene, bräunliche Wurströhren: Das hat sich in der Innendekoration bisher nicht durchgesetzt, mit gutem Grund. Aber genau das bildet das Herz der Gemeinde.

5000 Blick-Leser befanden in einer Umfrage, dieser Kreisel und kein anderer sei der hässlichste im ganzen Land. Der zweite Platz schaffte gerade mal 1400 Stimmen. Das ist in etwa so, als würde ein Ski-Abfahrer mit mehreren Sekunden Vorsprung auf den Zweitrangierten gewinnen. Ziemlich diskussionslos also.

Auf den Wurströhren steht übrigens auch etwas, und zwar die vier Begriffe Knotenpunkt, Lebensraum, Arbeitsplatz und Heimatort. Das alles soll und will die politische Gemeinde Au sein (genau wie sämtliche anderen rund 2700 Schweizer Gemeinden notabene). Also eine Botschaft auf dem Ding, das Augenkrebs verursachen kann. Immerhin. Gegenüber dem «Rheintaler» sagt die Künstlerin Sylvia Bühler, die das Ganze erschaffen hat: «Das Kunstwerk soll die Gemeinde Au charakterisieren.» Nun, die Begriffe tun es vielleicht, aber doch hoffentlich kaum die Darmentleerung eines Riesen?

Natürlich, die subtil eingearbeiteten Worte sind bedeutungsschwer. Allerdings werden nur selten Automobilisten beobachtet, die mitten auf dem Kreisel anhalten, aussteigen und sie lesen. Ebenfalls nicht oft kommt es vor, dass Leute den Kreisel so lange umrunden, bis sie alles entziffert haben. Die meisten fahren an den Kreisel, schauen nach links, fahren in den Kreisel und wieder raus. Diese wenigen Sekunden reichen nur für einen Eindruck: Es ist eine verknotete Wurströhre, die einen daran erinnert, dass man vor der Fahrt bis nach Zürich vielleicht an der Tankstelle noch aufs WC gehen sollte.

Aber immerhin: Au hat es in die nationalen Schlagzeilen geschafft. Vielleicht kann die Gemeinde schon bald Schaulustige aus anderen Regionen bei sich begrüssen. Es könnte sich lohnen, eine Bratwurstbude neben dem Kreisel zu eröffnen.

Falls jemandem zum Essen zumute sein sollte bei dem Anblick.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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