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Gedanken eines Maskenbefreiten

Der Hass auf die Gesunden

Unmut, mehr noch Wut spürt ein Maskenloser von den Maskenträgern. Woher kommt sie, und was tut unserer Gesellschaft? Und wie geht man um mit der eigenen Angst? Ein Gastbeitrag von Nicolas Lindt.

Nicolas Lindt am 17. November 2020

Vorausschicken muss ich, dass ich leide, wenn Menschen nicht frei sind. Es schmerzt mich, mitansehen zu müssen, wenn sie gehorchen, weil sie zu etwas gezwungen werden. Deshalb tut es mir in der Seele weh, wie sich ein ganzes Volk dem Corona-Joch beugt, als ob es eine von Gott verordnete Strafe sei. An den Anblick maskentragender Menschen will ich mich nie gewöhnen.

Ich selber habe das Glück, dass ich infolge eines Geburtsfehlers von der Pflicht, eine Maske zu tragen, befreit bin. Doch es ist ein zwiespältiges Glück. Einerseits bin ich zwar dankbar und froh, unbehindert atmen zu können – trotzdem kann ich mein Privileg nicht geniessen. Denn wo immer ich öffentlich gehe und stehe, bin ich fast der einzige ohne Maske. Und das ist nicht leicht zu ertragen.

Obwohl ich ein ärztliches Attest habe, das mich schützt, versuche ich Situationen zu meiden, die mich der maskentragenden Masse allzu schonungslos ausliefern würden. Ich nehme, wann immer möglich, das Auto und ich erledigte unsere Einkäufe, solange dort Maskentragen noch freiwillig war, im Nachbarkanton.

Bis die Front über Nacht plötzlich näherrückte: Maskenzwang in den Läden des ganzen Landes. Ausweichen ging nicht mehr. Ich konnte mir die Fahrt über die Kantonsgrenze sparen. Bei meinem nächsten Einkauf begab ich mich wieder in den Supermarkt hier bei uns. Mein Attest hatte ich in der Tasche.

Als ich den Laden betrat, stockte ich. Einer grossen Zahl maskentragender Menschen gegenüberzutreten, ist jedesmal wieder ein Schock für mich. Wo immer ich damit bereits konfrontiert war - in der S-Bahn, am Bahnhof, in der Fussgängerzone, an der Masterfeier für unseren Sohn, in der Abflughalle auf dem Weg in die Ferien, im Flugzeug, wieder zuhause im Wartezimmer des Zahnarzts: Es ist ein ungesundes und hässliches Bild.

Auch jetzt, beim Betreten des Supermarkts war es nicht anders. Ich sah nur noch Masken statt Menschen. Ich sah nur noch Vogelgesichter. Und es kam mir so vor, als ob mich die Vogelaugen über den Vogelschnäbeln mit ihren Blicken alle fixieren würden.

Beflissen schaute ich gradeaus, hielt den Einkaufswagen im festen Griff, begab mich zum Brot, dann zu den Früchten, dann zum Gemüse - als plötzlich ein älterer Herr vor mich hintrat und mit dem zischend ausgesprochenen Wort «Maske!» auf meine Mundpartie deutete. Er sagte nur dieses eine Wort, doch die Gereiztheit, die darin steckte, zeigte mir, dass er offenbar unter Hochdruck stand.

«Maske!» wiederholte er, als ich nicht reagierte. Diesmal brüllte er fast. Es fehlte nicht viel, und der ältere Herr wäre tätlich geworden. Er schleuderte mir einen Fluch ins Gesicht und ging.

Ich brauchte einen Moment, um soviel aufgestaute Aggression zu verdauen.

Einigermassen verstört wandte ich mich wieder dem Einkaufen zu – als der Securitas-Mann des Supermarkts zu mir kam und mich auf die Maskenpflicht hinwies. Ich befürchtete neues Unheil und zog eilig mein Attest aus der Tasche.

Ich hätte es ihm auch gezeigt, doch er winkte ab.

«Sie müssen es mir nicht zeigen. Ich muss es nur wissen.» Und er klärte mich auf, dass er keine Berechtigung habe, ein ärztliches Dokument einzusehen. Nur die Polizei sei dazu legitimiert. Ich wusste das, zeigte mich aber dankbar, es von ihm selbst zu hören. Ich hätte ihn nicht belehren wollen, denn er machte bloss seinen Job, und er war sehr zuvorkommend.

Und dann, für mich überraschend, gab er seinem Ärger über die Massnahmen der Behörden Ausdruck. Mir schien, als habe er bei mir das Gefühl, offen sprechen zu können - gerade bei mir und nicht bei den anderen, maskenbewehrten Kunden. Der Wachmann hatte auch mitbekommen, wie mich der ältere Herr tituliert hatte, und er verriet mir, dass er den Kunden gebeten habe, sich in seiner Ausdrucksweise zu mässigen. Er verteidigte mich - was mir gut tat.


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Mit dem Segen des Securitas-Mannes setzte ich meinen Einkauf fort und blickte jetzt etwas selbstbewusster in die Maskengesichter der anderen Kunden. Bei manchen glaubte ich so etwas wie Anerkennung in ihren Augen zu lesen; manchen war ich egal - doch bei vielen spürte ich Unverständnis und Ablehnung. Das liess mich auch diesmal nicht kühl. Es beunruhigte mich. Denn ihre Blicke sprachen eine deutliche Sprache.

Sie sagten: «Was du tust, ist verboten.» «Du nimmst dir ein Recht heraus, das du nicht hast.» «Du gefährdest uns.» Und sie sagten noch mehr. In ihren Augen las ich so etwas wie Unmut. Unmut über mein Privlileg: «Wir schränken uns ein - du nicht.» «Wir verzichten auf freies Atmen - du nicht.» «Wir verunstalten unser Gesicht - du nicht.» Und vor allem: «Wir gehorchen. Du nicht.»

Das war es, was ich in diesen Blicken spürte und jedesmal wieder von neuem spüre: Wenn die Maskenmenschen mich sehen, wird ihnen jäh bewusst, dass sie gehorchen. Dass sie sich willenlos unterordnen. Dass sie – im Gegensatz zu mir - dem Virus ihre Freiheit geopfert haben.

Natürlich würden die Menschen, die eine Maske tragen, so etwas nie unterschreiben. Manche sind sogar stolz auf die Maske. Und selbst jene, die sie nur lästig finden, würden sich trotzdem nicht eingestehen, dass der Maskenzwang ihnen die Freiheit nimmt. Niemand gibt gerne zu, dass er nicht frei ist. Doch für sie alle gilt: Ob sie wollen oder nicht - sie müssen die Maske tragen. Ihre Maske ist ein Ausdruck von Unfreiheit. Begegnen sie jemandem ohne Maske, dann sagt eine unangenehme innere Stimme zu ihnen:

«Siehst du den? Dieser Mensch ist freier als du. Der ist nicht so ein braves Schaf!»

Aber das ist noch nicht alles. Ein Mensch ohne Maske - fast hätte ich gesagt: ein normaler Mensch - vermittelt seiner Umgebung das Bild: Ich bin gesund. Mir geht es gut. Ich habe keine Angst.

Ein Maskenmensch dagegen strahlt für mich aus: «Ich weiss nicht, ob ich gesund bin.» «Ich habe Angst davor, krank zu werden.» «Ich bin infiziert».

Menschen mit Hygienemasken verstärken noch diesen Eindruck. Sie kommen mir vor wie Patienten, ihre Masken erinnern an Krankenhaus, an Krankenhauskeime und Atemnot. Irgendwie mag ich es nicht, wenn mir Menschen mit solchen Masken zu nahe kommen. Ich möchte nicht angesteckt werden. Meine Gesundheit ist mir zu wertvoll, und damit meine ich auch meine Gesundheit im geistigen Sinn.

Das sind harte Worte, ich weiss, und sie sind ungerecht gegenüber den Menschen, die aus beruflichen Gründen genötigt werden, sich zu verhüllen. Doch genau diesen Ekel empfinde ich, wenn mir Menschen mit Masken entgegenkommen. Ich habe bei ihrem Anblick schon an «The Walking Dead», die lebenden Toten gedacht, an die Zombies in der Fernsehserie. Natürlich ist der Vergleich viel zu krass, doch warum fallen mir diese Bilder ein?

Manchmal habe ich Angst vor den Maskenmenschen. Es ist mehr als nur Unmut. Es ist Wut. Der ältere, unter Hochdruck stehende Herr in der Migros ist nicht der Einzige. Bei vielen spüre ich diese Wut. Ich spüre sie nicht nur im Supermarkt, ich spüre sie auch in wütenden Zeilen auf Facebook, in den Leserkommentaren der Medien, und ich erfahre von Zwischenfällen, die mir andere Maskenfreie erzählen: Da wächst eine grosse Wut. Auf alle, die keine Maske tragen. Auf alle, die das Corona-Regime kritisieren, weil sie an die Gefährlichkeit des Virus nicht glauben. Auf alle, die nicht gehorchen. Und es wird daraus mehr als nur Wut. Es wird daraus Hass. Ein Hass auf die Freien.

Ein Hass auf die Gesunden.

Was werden die Masken tragenden Menschen tun, um hinter der Maske nicht zu ersticken an ihrem Hass? Sie werden mit Hilfe ihrer Politiker, ihrer Behörden und ihrer Medien alles versuchen, um uns, die Gesunden zu infizieren. Sie werden uns zwingen wollen, uns einzugliedern ins Maskenheer, und sie tun es schon. Sie zeigen auf uns, sie schreien uns an, sie drohen uns, denunzieren uns. Ihre Haltung ist: Wenn ich nicht frei atmen darf, sollst auch du es nicht dürfen. Wenn meine Gesundheit gefährdet ist, soll auch deine Gesundheit gefährdet sein. Wir lassen dich nicht in Ruhe!

Mit diesem Hass werden alle zu leben haben, die sich nicht unterwerfen wollen. Keine Regierung, keine Behörde, keine Polizei wird uns schützen – im Gegenteil. Man wird uns bestrafen und tut es schon. Menschen, die maskenfrei bleiben wollen, werden gebüsst, entlassen, ausgeschlossen, geächtet. Die Behörden begründen ihre Sanktionen gegen uns damit, dass wir gegen die Regeln verstossen. Dass wir Verbote missachtet haben. Doch eigentlich bestrafen sie uns, weil wir gesund sind.

Eine gesunde Gesellschaft kümmert sich um die Kranken. Eine kranke Gesellschaft bestraft die Gesunden.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Nicolas Lindt

Nicolas Lindt (*1954) war Musikjournalist, Tagesschau-Reporter und Gerichtskolumnist, bevor er in seinen Büchern wahre Geschichten zu erzählen begann. Neben dem Schreiben gestaltet er freie Trauungen und Abdankungen. Der Schriftsteller lebt mit seiner Familie in Wald und Segnas.

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