logo

Online-Lexikon

Die Hürden von Wikipedia

St.Gallen wird übers Wochenende zum Mekka von Wikipedia. Wir haben unsere eigenen Erfahrungen mit der Enzyklopädie gemacht.

Stefan Millius am 05. Oktober 2018

Rund 300 Autoren, die den deutschsprachigen Teil von Wikipedia betreuen, kommen in St.Gallen zusammen. Es ist eine Art Gipfeltreffen ehrenamtlicher Enthusiasten, die viel Zeit in die kostenlose Plattform investieren. Kaum jemand, der Wikipedia nicht auch schon genutzt hat und dankbar ist dafür, dass es diese Online-Enzyklopädie gibt.

Allerdings gibt es auch oft Kritik an dem Angebot. Zwar kontrollieren sich die «Wikipedianer» gegenseitig und sollen so dafür sorgen, dass die schiere Masse an Beiträgen nicht zu Fehlinformationen führt. Aber es lässt sich kaum vermeiden, dass zumindest vorübergehend da und dort keine harten Fakten zu finden sind, sondern zweifelhafte Ausführungen.

Dazu kommt, dass grundsätzlich jeder Änderungen vornehmen kann an Beiträgen, rückverfolgbar nur durch die IP-Adresse. Und: Nicht alle Regeln sind für den Normalverbraucher nachvollziehbar.

Als wir «Die Ostschweiz» starteten, wollten wir den Wikipedia-Eintrag über die ehemalige Tageszeitung «Die Ostschweiz» um einen kleinen Absatz ergänzen. Immerhin hat ein neues Medium unter demselben Namen den Betrieb aufgenommen, der 20 Jahre zuvor sang- und klanglos eingestellt wurde. Eine wertvolle Information für Leute, die Informationen über das Stichwort «Die Ostschweiz» suchen, wie wir dachten. Zumal der Beitrag über die frühere Tageszeitung überaus mager ist.

Die Ergänzung wurde kurz darauf ersatzlos gestrichen - von einem der unsichtbaren Wikipedianer, der - wo auch immer sitzend - zum Schluss kam, dass das nicht regelgerecht sei. Der Eintrag drehe sich einzig und allein um die frühere Tageszeitung, und mit dieser hätte die neue «Die Ostschweiz» ja schliesslich nichts zu tun.

Inwiefern die zusätzliche Information, dass unter demselben Namen ein neues Medium kreiert wurde, für die Wikipedia-Nutzer schädlich sein könnte, erschloss sich uns nicht. Wir hätten demnach einen neuen Beitrag kreieren müssen - doch wie sollte der heissen? «Die Ostschweiz (Onlinezeitung)» zum Beispiel? Wie bekannt ist, werden wir ab 2019 auch Printprodukte lancieren. Oder vielleicht «Die Ostschweiz 2»? Das wäre seltsam genug.

Dazu kommt, dass die meisten Wikipedia-Einträge voll sind mit Querverweisen zu anderen Themen, die nur noch am Rande mit dem Ursprungsthema zu tun haben. Es ist diese Uneinheitlichkeit, die misstrauisch macht: Nach welchen Kriterien wird ein- und dasselbe in einem Fall zugelassen und in einem anderen nicht? Das ist das Problem einer Plattform, bei der diejenigen Macht haben, die genug Zeit aufbringen, aber letztlich niemand so richtig verantwortlich ist.

Die Schwierigkeit an Wikipedia ist, dass die Leute, die dafür - verdankenswerterweise - Zeit investieren, gleichzeitig oft genug einer seltsam missionarischen Verhaltensweise zum Opfer fallen. Sie interpretieren die Regeln gerne im Übermass. Dabei vergessen sie leicht die Interessen ihrer Nutzer, die eigentlich nur eines wollen: Vollständig informiert sein. Das sind sie im konkreten Fall nicht. Denn «Die Ostschweiz» gibt es wieder, auch wenn sie anders aussieht. Und unter dem Wikipedia-Stichwort «Die Ostschweiz» müsste selbstredend auch ein Hinweis auf ein neues Medium zu finden sein, das so heisst.

Highlights

Nach Kommentar von Stefan Schmid

Interessenkonflikt beim Tagblatt-Chefredaktor?

am 07. Mai 2024
Lehrperson filmte heimlich

Nach den Übergriffen an der St.Galler «Flade» sagt Psychologe: «Wenn man nicht ernst genommen wird, kommt ein Gefühl von Ohnmacht auf»

am 08. Mai 2024
Lage entspannt sich wieder

Nach Missbrauchsskandal der Kirche sagt Thomas Franck: «Es gab sehr viele Kirchenaustritte, aber nicht so viele, wie ich persönlich befürchtet habe»

am 05. Mai 2024
DG: DG: Politik

Fragmentierung ist nicht das Problem, sondern das Wesen der digitalen Gesellschaft.

am 06. Mai 2024
Banker-Saläre

Es ist völlig in Ordnung, wenn Sergio Ermotti 14 Millionen Franken Lohn erhält

am 03. Mai 2024
Mangelndes Interesse?

Weil das Umfeld nicht vergessen werden darf: In St.Gallen sollen Angehörige psychisch Kranker ein Gehör finden

am 07. Mai 2024
20 Jahre Jubiläum

Bianca Mosimann feiert das Jubiläum ihres Coiffeurgeschäfts in St.Gallen: «Es war eine gute Zeit, und ich würde keinen Tag davon missen wollen»

am 06. Mai 2024
Zoomer Agency

Funktioniert Werbung überhaupt noch? Die St.Galler Werbeagentur sagt: «Hochwertiger Content auf TikTok geht oft unter»

am 09. Mai 2024
Serie «Warbird»

Nach einem Einsatz über Augsburg musste ein Bomber im Rheintal zur Landung ansetzen

am 08. Mai 2024
Serie «Warbird»

Der «Death Dealer»: Erster amerikanischer Bomber landet in der Schweiz

am 05. Mai 2024
Positive Dynamik fortsetzen

So sieht die neue St.Galler Departementsverteilung aus

am 08. Mai 2024
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.