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Impfoffensive

Die Kantone sprechen Klartext

Die Ostschweizer Kantone und einige darüber hinaus begegnen den Ideen des Bundesrats, mit denen die Impfquote erhöht werden, soll mit einigem Unverständnis. Vor allem Bersets «Kopfgeld» stösst auf Widerstand.

Stefan Millius am 06. Oktober 2021

Mangelnde Kreativität kann man dem Bundesrat nicht vorwerfen. Zu wenig Leidenschaft auch nicht. Er will Impfmobile durchs Land jagen, seine Aktivitäten in einer Impfwoche ballen, an den Haustüren sollen Impfmissionare klingeln, und schliesslich soll es noch einen Gutschein über 50 Franken für Leute geben, die andere zum Stich überreden. Ein bunter Strauss also, der den Kantonen zur Vernehmlassung weitergereicht wurde.

In der Vergangenheit hat die Landesregierung meist nur dann auf die Kantone gehört, wenn die von seinen Vorschlägen begeistert waren oder sogar noch darüber hinaus gehen wollten. Dieses Mal sind die Reaktionen zurückhaltend bis ablehnend. Vor allem das erwähnte «Kopfgeld» stösst auf Kopfschütteln in verschiedenen Kantonen, in der Ostschweiz – die sich abgesprochen hat – einhellig. Die einen halten es für unethisch, andere halten monetäre Anreize für den falschen Weg.

Doch noch wichtiger als diese Reaktionen sind die kleinen Aussagen zwischen den Zeilen, manchmal sogar direkt in diesen. Hinterfragt werden nicht nur die geplanten Methoden, sondern auch deren Notwendigkeit. Alles soll ja dazu dienen, die Impfquote zu erhöhen. Die Thurgauer Regierung weist darauf hin, man solle die Impfquote um die Zahl der Personen ergänzen, die genesen seien, ausserdem seien die unter Zwölfjährigen aus der Berechnung zu nehmen, die man aktuell gar nicht impfen darf. Die neue Zahl solle dann die Basis für die Zielsetzungen sein und nicht diejenige, mit der der Bundesrat derzeit immer operiert – und die viel tiefer liegt.

Eine Forderung, die unsere Zeitung schon mehrfach so festgehalten hat. Denn was das Bundesamt für Gesundheit als Impfquote angibt, hat schlicht nichts mit der Realität zu tun. Die Zahl wird künstlich tief gehalten, um die Notwendigkeit weiterer Massnahmen zu begründen. Kinder unter zwölf Jahren in eine Statistik zu nehmen, die rein technisch dort gar nicht figurieren können, ist ein Taschenspielertrick. Und die Genesenen sind ohnehin eine riesige Gruppe von Menschen, die sträflich vernachlässigt wird, obwohl ihr Status nicht dem der Geimpften nachhinkt, ganz im Gegenteil.

Es ist den Ostschweizer Kantonen hoch anzurechnen, dass sie Klartext gesprochen haben auf die Vorschläge des Bundesrats hin. Dass sie nebenbei noch mehrfach betonen, wie wichtig ein weiterer Zuwachs an Geimpften sei, muss man ihnen verzeihen. Sie können nicht über Nacht die grundsätzliche Strategie des Bundes in Frage stellen. Was sie hingegen tun, ist schon einiges: Sie machen deutlich, dass der Bundesrat mit einigen seiner Ideen die Grenze überschreitet.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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