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Zeyer zur Zeit

Mindestens drei Massstäbe

Für alle gilt die Unschuldsvermutung. Gegen einen läuft ein Strafverfahren wegen Geldwäscherei. Gegen einen anderen wegen Spesenbetrug und Untreue. Verantwortliche für Milliardenverluste sind völlig unschuldig.

«Die Ostschweiz» Archiv am 20. Januar 2021

Die UBS hat – mal wieder – ein gröberes Problem. Der von ihrem VR-Präsidenten höchstselbst ausgesuchte Nachfolger von Sergio Ermotti hat sein Amt angetreten und kommt anscheinend bei der Teppichetage gut an.

Axel Weber, bestbezahlter VR-Präsident, pro Jahr um die 6 Millionen, hat nun echt Feuer im Dach. Denn sein neuer CEO Ralph Hamers hat eine Vorgeschichte. Wie eigentlich jeder Banker, aber seine ist etwas heikel. Denn als er CEO der niederländischen Bank ING war, musste die Grossbank eine Busse von happigen 775 Millionen Euro abdrücken, um ihre Verwicklung in einen gigantischen Geldwäschereifall abschliessen zu können.

2018 kam Hamers bei der Strafuntersuchung ungeschoren davon, das habe sein CFO zu verantworten, und er selbst habe natürlich nichts davon gewusst. Diese Verteidigungslinie hielt bislang, diese Affäre ist allgemein bekannt; auch der UBS. Aber Weber wollte offenbar einmal in seinem Leben eine wichtige unternehmerische Entscheidung treffen und warf sein ganzes Gewicht in die Waagschale, dass Hamers dennoch den Chefsessel bei der UBS erklimmen konnte.

Als die ersten Gerüchte aufkamen, dass sich Hamers möglicherweise einem Strafverfahren in Holland stellen müsse, wischte Weber noch alle Bedenken arrogant auf die Seite; er stehe voll und ganz hinter seinem CEO.

Unabhängige Beurteilung, befriedigende Ergebnisse, zufriedenstellende Einschätzung des niederländischen Staatsanwalts, Hausaufgaben gemacht, Weber sah nicht den geringsten Anlass für Selbstkritik.

Aber auf Betreiben eines bekannten niederländischen Aktienrechtlers hat nun ein Gericht die Staatanwaltschaft dazu aufgefordert, nochmal genau hinzuschauen. Was bereits zu einer Wiederaufnahme der Strafuntersuchung gegen Hamers geführt hat.

Das bedeutet, dass der neue CEO der UBS kurz nach Antritt in ein Strafverfahren verwickelt ist, das seine Aufmerksamkeit benötigt. Schlimmer noch, wie wird das auf Privat- und institutionelle Anleger bei der UBS wirken? Sauberes Geld, saubere Bank, aber der CEO hat die Staatsanwaltschaft wegen Geldwäscherei am Hals?

Da ist wirklich Feuer im Dach. Besonders, seit das VR-Mitglied Beatrice Weder di Mauro nach neun Jahren schlagartig ihren Rücktritt erklärte, bzw. dass sie für eine Wiederwahl nicht mehr zur Verfügung stünde. Die Vorzeigefrau und Professorin für Corporate Governance wird wohl nicht zufällig gerade jetzt und so schnell hinschmeissen, dass die UBS noch keinen Nachfolger präsentieren konnte. Langsam nimmt das worst case Szenario Gestalt an, dass die UBS sich demnächst neben einem Nachfolger für sie auch um einen Nachfolger für Hamers kümmern muss. Was bedeuten müsste, dass auch Weber, der zwar Multimillionen gekostet hat, aber nichts geliefert, gehen müsste.

Also unternehmerisches Versagen, als oberster Verantwortlicher zuständig für den unaufhaltsamen Abstieg der UBS-Aktie, und dann droht noch eine 4-Milliarden-Busse in Frankreich. Bei denen Webers angeblich gute Kontakte auch nichts nutzten.

Bei der CS sieht es nicht viel besser aus. Immerhin räumt Urs Rohner endlich seinen Stuhl als VR-Präsident. Auch er hatte mit seiner einsamen Entscheidung, Tidjane Thiam zum neuen CEO zu machen, schwer danebengegriffen. Seine Amtszeit war von Milliardenbussen und einer Halbierung des Börsenwerts der CS begleitet.

Aber Rohner hat eine weisse Weste. Wie Weber, wie Hamers, wie Thiam und wie alle anderen Tiefflieger. Demgegenüber hat Pierin Vincenz – für ein Trinkgeld im Vergleich zu den Salären dieser Herren – seine Bank zur Nummer drei in der Schweiz gemacht. Jahr für Jahr, problemfrei, bussenfrei, skandalfrei Umsatz und Gewinn gesteigert.

Sollte er gegen Gesetze verstossen haben, entschuldigt diese Leistung kein solches Verhalten. Aber während wie immer alle gescheiterten Manager bei UBS und CS im schlimmsten Fall mit wohlgefüllten Taschen in den Sonnenuntergang reiten, vielleicht nicht mit Jubelarien verabschiedet, aber alle mit weisser Weste, ist der Ruf von Vincenz schon lange vor einer Anklageerhebung, von einer Verurteilung ganz zu schweigen, restlos und vollständig ruiniert.

Während noch nie auch nur eine Spesenabrechnung aus der Führungsetage der beiden Grossbanken den Weg in die Öffentlichkeit fand, ist das bei sehr vielen Spesen von Vincenz der Fall. Mit Ort, Datum, Höhe des Betrags, und garniert mit hämischen Bemerkungen.

So spielt das Leben. Milliarden verrösten und mit vielen Millionen abzwitschern? Milliarden neuer Werte schaffen, wegen möglicherweise zweifelhaften Spesen und wegen möglicherweise unerlaubtem Wirtschaften in den eigenen Sack sechs Jahre in den Knast?

Für Hamers wie für Vincenz gilt natürlich die Unschuldsvermutung. Für unternehmerisches Versagen sowieso.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
«Die Ostschweiz» Archiv

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