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Eindrücke aus Paris

Roland Rino Büchel: «La Grande Nation und deren Politiker haben es gerne gross»

Nationalrat Roland Rino Büchel war letzte Woche u.a. für den Europarat in Paris und am Samstag in Langenthal BE an der DV der SVP Schweiz. Wir haben ihn heute Morgen in Genf erreicht. Wird Alain Berset neuer Generalsekretär des Europarats? Und ist Paris bereit für die Olympischen Sommerspiele?

Marcel Baumgartner am 25. März 2024
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Ist Paris bereit für die Olympischen Sommerspiele von Ende Juli/Anfang August?

Im Moment präsentiert sich die «Stadt der Liebe» als riesengrosse Baustelle. Ich besuchte am Mittwoch das Hauptquartier des OKs in Saint-Denis, einem Vorort von Paris. Die Leute bereiteten ein erstes Treffen von 40'000 freiwilligen Helfern vor. Dieses Kick-Off-Meeting fand dann am Wochenende im modernen Hochhausviertel La Défense statt.

Waren sie beruflich in Saint-Denis? Oder für den Europarat?

Ich war an der Auslosung für die olympischen Fussballurniere der Frauen und der Männer. Die Schweiz ist leider nicht qualifiziert.

Dafür soll Weltstar Kylian Mbappé dabei sein, eventuell sogar als Fahnenträger für Frankreich. Ist das realistisch?

Mbappé’s neuer Klub Real Madrid hätte garantiert keine Freude, wenn sein Starstürmer im Sommer zuerst an der EM in Deutschland und dann an den Olympischen Spielen in Frankreich spielen würde, anstatt sich mit seinem Verein auf die kommende Saison vorzubereiten.

Denken Sie, dass der Club sein Veto einlegen wird?

Die Diskussionen werden intensiv sein…

Sie haben eine breite Erfahrung mit sportlichen Grossanlässen. Was ist bei Paris 2024 besonders?

Viele Wettkämpfe werden an «speziellen» Stätten durchgeführt. Das macht es nicht einfach für die Leute, die den Anlass operativ auf die Beine stellen müssen.

Was meinen Sie mit «speziellen Stätten»?

Ich nenne nur ein paar Beispiele: Moderner Fünfkampf und Reiten finden auf dem Gelände vom prunkvollen Schloss Versailles statt; Beach Volley, Judo und Ringen quasi direkt unter dem Eiffelturm, gefochten wird im altehrwürdigen und denkmalgeschützten «Grand Palais».

Sogar auf der Place de la Concorde sollen Wettkämpfe stattfinden.

Ja. Dort gibt es die «modernen» Sportarten BMX Freestyle, Skateboarding und Breaking. Eng wird es dort kaum. Der Platz ist mit siebeneinhalb Hektaren der grösste von Paris.

Das riecht nach ausufernden Kosten, gerade für die Sicherheit. Gibt es bei solchen Anlässen auch Möglichkeiten, Geld zu verdienen?

Absolut. Die Privatwirtschaft kann in vielen Bereichen zeigen, dass sie innovative Lösungen zu bieten hat. Leider treten bei solchen Megaevents immer auch unsaubere «Gschäftlimacher» auf die Bühne. Das ist kaum zu verhindern. Erstaunlich hingegen ist…

Was?

…dass die Preise für Tickets für die Métro und andere öffentliche Verkehrsmittel während der Spiele verdoppelt werden. Und zwar für alle, sogar für die Einheimischen.

Die Stadt wird in diesem Sommer trotzdem voll sein.

An den Spielen werden rund 15 Millionen Besucher erwartet. Die Eröffnungsfeier findet entlang der Seine statt, es wird ein Spektakel über sechs Kilometer Länge. La Grande Nation und deren Politiker haben es gerne gross.

Apropos «gross» und «Spektakel»: Am Samstag ist es in der SVP nicht, wie von diversen Medien vermutet, zum grossen Krach gekommen.

Warum hätte es dazu kommen sollen?

Am 9. Juni entscheidet das Volk über das neue Stromgesetz. Dieses soll für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien sorgen. Im Vorfeld der DV sollen innerhalb der SVP die Funkten gesprüht haben, wie NZZ, Blick und SRF und andere Medien unisono berichteten.

Der so genannte «Mantelerlass» hat für Diskussionen in der Partei und speziell in der Bundeshausfraktion gesorgt. Das ist so.

Bundesrat Röstis Werbespruch für die Ja-Kampagne lautet «Wir brauchen mehr Strom – viel mehr Strom». Die Grossunternehmerin und Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher führt den Kampf gegen das Stromgesetz an. Wo stehen Sie?

Ich habe schon im Nationalrat dagegen gestimmt. Das Gesetz bringt zu wenig zusätzlichen Strom, und es trägt zu übermässig hohen Energiepreisen bei. Zudem sind die Eingriffe in die Natur sehr gross.

Werden Sie nach 14 Jahren im Nationalrat nun noch ein Grüner?

Ich habe ein Leben lang auf die Natur Acht gegeben. Eingriffe müssen Sinn machen, sonst sind sie zu lassen. Das Aufstellen von riesigen Windturbinen an ungeeigneten Orten ist unsinnig. Im Parteivorstand haben wir am Freitag mit 38 zu 22 für ein Nein votiert. Am Samstag sagten die Delegierten aus der ganzen Schweiz mit 242 zu 149 Stimmen Nein zum Gesetz.

Die NZZ am Sonntag spricht von einer «Fundamentalopposition» der SVP gegen den Energieminister aus den eigenen Reihen.

Von einer Fundamentalopposition habe ich nichts gespürt, weder an der Sitzung der Parteileitung noch an der DV. Die Diskussionen waren intensiv und gehaltvoll.

Trotzdem: Blocher-Tochter Martullo gilt als Gewinnerin des Wochenendes. Gibt sie der Partei den Kurs vor?

Der neu gewählte Parteipräsident Marcel Dettling setzt auf starke Persönlichkeiten. Zusammen mit Magdalena Martullo wird die Partei von Nationalräten wie Thomas Aeschi, Franz Grüter, Thomas Matter und Michael Graber mitgeprägt. Dettling ist ein politisches Ausnahmetalent. Er wird diese Alphatiere im Griff haben.

Noch einmal zum Stromgesetz: Die SVP St. Gallen hatte vor zweieinhalb Wochen mit 89 Ja zu 16 Nein für die Vorlage gestimmt. Die Ostschweizer SVP-Parlamentarier Jakob Stark (Ständerat TG), Mike Egger und Michael Götte (Nationalräte SG) setzten sich in Langenthal vehement für ein Ja ein.

Auch Martin Bäumle, Nationalrat der Grünliberalen, hat die Ja-Argumente auf dem Podium vorgebracht, ein Dutzend weitere Votanten im Saal ebenfalls. Trotzdem gab es ein klares Nein.

Nun zu ein paar Namen, die derzeit international für Schlagzeilen sorgen: Sie waren in den Neunzigerjahren beim Hauptsponsor Käseunion für das Projekt «Sponsoring Skinationalmannschaft» zuständig. Am Wochenende fielen die letzten Entscheidungen im alpinen Skiweltcup. Lara Gut-Behrami und Marco Odermatt gewannen jeweils die Gesamtwertung und weitere Kristallkugeln. Verfolgen Sie den Skisport immer noch?

Ja. Marco Odermatt und ich haben übrigens am gleichen Tag Geburtstag, nämlich am 8. Oktober. Der Nidwaldner und die Tessinerin sind wahre Champions. Wir hatten damals Didier Cuche, Vreni Schneider, Sonja Nef und weitere Top-Persönlichkeiten im Team.

Nun zeigt Emmanuel Macron allen, dass er ebenso fit ist wie ein Spitzensportler. Was halten Sie von seinen Muskelbildern?

Die Schwarzweiss-Fotos seiner Hoffotografin Madame de La Moissonnière und ihres Kollegen «Monsieur Photoshop» gingen in den letzten Tagen um die Welt. Es kommt immer mehr in Mode, dass sich Politiker als Helden inszenieren. Wir leben in komischen Zeiten.

Die offizielle Schweiz engagiert sich für einen anderen Star der Politszene. Sie ist aktiv in den Wahlkampf von Alain Berset für den Posten als Generalsekretär des Europarats involviert. Wie ist der Stand?

Es gibt drei Kandidaten. Neben Alain Berset will der jetzige Justizkommissar der EU, Didier Reynders aus Belgien, den prestigeträchtigen Job. Auch ein ehemaliger Kurzzeit-Kulturminister Estlands kandidiert. Indrek Saar ist, wie Berset, SP-Politiker.

Wann finden die Wahlen statt?

Diese Woche trifft sich das so genannte Ministerkomitee des Europarats. Möglicherweise kommt es dort zu einer Vorselektion. Die Wahl durch die Parlamentarische Versammlung ist dann am 25. Juni in Strassburg. Die Schweiz hat sechs der rund 300 Stimmen. Aktuell sind 45 der 46 Europaratsstaaten wahlberechtigt; Aserbaidschan darf nicht mitmachen.

Hat alt Bundesrat Berset Chancen, sich gegen seine Opponenten durchzusetzen?

Er hatte seine Kandidatur Mitte Januar in letzter Minute eingereicht. Daraufhin startete er mit Unterstützung des EDA eine hochprofessionelle Kampagne.

Diese wird vom Bund finanziert. Lohnt sich dieser Einsatz von öffentlichen Mitteln?

Vorgestern haben mir zwei langjährige und einflussreiche Europaratskollegen am Telefon gesagt, Berset sei eine richtige «Dampfwalze». So eine starke Kampagne hätten sie im Europarat noch nie erlebt.

Ein Schweizer, der in seinem Verband die Wahlen jeweils dominierte, ist der ehemalige FIFA-Präsident Sepp Blatter. Nun hat er zusammen mit dem Journalisten Thomas Renggli ein Buch veröffentlicht. Bei der Vernissage waren Persönlichkeiten wie alt Bundesrat Ueli Maurer, Roger Schawinski, Skiverbandsboss Urs Lehmann und andere bekannte «Promis» zu Gast. Haben Sie das Buch schon gelesen?

Gekauft ja. Aber zum Lesen bin ich noch nicht gekommen.

Sie galten vor Jahren als einer der härtesten Kritiker der «Blatter-FIFA».

Der Verband hatte unter Blatter einiges gut gemacht, anderes leider nicht.

Werden sich Sepp Blatter und der aktuelle FIFA-Präsident Gianni Infantino in diesem Leben noch versöhnen? Sie kennen die beiden Männer persönlich. Was glauben Sie?

Ich kenne im Moment weder den Ton noch den Inhalt des Blatter-Buches mit dem Titel «Overtime». Führt es zu einer Verhärtung der Fronten? Versucht Blatter, einen Schritt auf Infantino zuzumachen? Nach der Lektüre des Buches werde ich eher sagen könne, ob sich die Lage verändert hat oder nicht.

Frankreichs Präsident Macron tut vieles, um den internationalen Sportverbänden zu schmeicheln. An der FIFA scheint er einen besonderen Gefallen gefunden zu haben. Wird der Verband vom Zürichberg an die Seine zügeln?

Macron ist mit seinem jüngsten Vorhaben, die Sportverbände und deren Mitarbeiter mit weitreichenden Privilegien auszustatten, vor dem französischen Verfassungsrat krachend gescheitert. Der Rat der Weisen hat seine Muskeln spielen lassen.

Hilft das der Schweiz als Standort von FIFA & Co.?

Sagen wir es so: Es hat zumindest Frankreich als Konkurrent unseres Landes nicht stärker gemacht. Aber wir sollten nicht immer nach links und nach rechts schielen.

Sondern?

Wir müssen die richtigen Dinge tun, und zwar bei uns. Es kann nicht sein, dass hierzulande die Jungsozialisten der Politik den Umgang mit grossen Sportorganisationen quasi diktieren. Der Bundesrat muss in dieser Sache die Führung übernehmen, speziell Bundespräsidentin Viola Amherd.

Weshalb gerade sie?

Sie ist Sportministerin und kommt wie FIFA-Präsident Gianni Infantino aus Brig im Oberwallis. Beide sind Juristen. Beide pflegen tagtäglich international bedeutende Kontakte, beide tauschen sich mit Staatsoberhäuptern aus der ganzen Welt aus.

Eine gute Ausgangslage also, um sich gemeinsam für unser Land einzusetzen?

Mehr noch. Es sind nicht nur gute, sondern sogar beste Voraussetzungen. Ich sehe hier eine Chance, die es zu packen gilt.

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Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Co-Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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