Alles spricht von E-Voting. Die Innovation hat aber ihr Tücken. Eine spannende Gelegenheit steckt hinter einem anderen Begriff: E-Collecting.
Mit der fortwährenden Digitalisierung wird so einiges beschleunigt. Das lässt sich auch bei der Geschwindigkeit eines Meinungsumschwungs feststellen: Noch vor einem Jahr wurde die elektronische Wahlabgabe per Internet kaum diskutiert. Personen, die sich dazu äusserten, waren meist flammende Verfechter der digitalisierten Stimmabgabe. Es galt lange als modern, ein Befürworter von E-Voting zu sein.
E-Voting: Ein Risiko
Das hat sich geändert: E-Voting wird nun primär als Risiko für unsere Demokratie wahrgenommen. Bei allem Technik- und Fortschrittsglauben muss man eingestehen, dass dabei die Gefahren wahrscheinlich überwiegen. Eine grosse Mehrheit der Bevölkerung könnte die Wahl- und Abstimmungsergebnisse eines vollständig digitalisierten Prozesses nicht nachvollziehen. Nachvollziehbarkeit, Stimmgeheimnis und Anwenderfreundlichkeit stehen in einem Konfliktverhältnis. Ein Wahl- oder Abstimmungsergebnis muss nicht einmal manipuliert werden, um das Vertrauen der Bevölkerung in den demokratischen Prozess zu ruinieren. Bereits das Ausfallen eines E-Voting-Portals könnte Verunsicherung verbreiten. Aus diesen und weiteren Gründen sollte zumindest kurz- und mittelfristig kein flächendeckendes E-Voting eingeführt werden.
Das Kind nicht mit dem Bade ausschütten
Jedoch darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass durch das E-Voting-Pilotprojekt im Kanton St. Gallen einige wichtige Erkenntnisse gesammelt werden konnten. Die bisherige Sicherheitsarchitektur wurde überdacht. Auch bringt E-Voting für Teile des Elektorats entscheidende Vorteile — etwa für Auslandschweizer. Deshalb sollte man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten: Ein striktes Moratorium wäre verfrüht und kontraproduktiv.
St. Gallen als E-Collecting-Pionier
An der Aprilsession des St. Galler Kantonsrats haben Sascha Schmid (SVP, Grabs) und ich eine Interpellation zum Thema E-Collecting eingereicht. Unter E-Collecting versteht man das elektronische Sammeln von Unterschriften per Internet – im Schweizer Kontext vor allem zur Unterstützung von Volksinitiativen und Referenden. Wir fragen mit der Interpellation bei der Kantonsregierung nach, ob der Kanton St. Gallen eine Pionierrolle bezüglich E-Collecting übernehmen könnte. Im Unterschied zu E-Voting sind beim E-Collecting die Sicherheitsrisiken bedeutend kleiner, da etwa kein Stimmgeheimnis gewahrt werden muss. Bei E-Collecting könnten ebenfalls Erfahrungen gesammelt werden, die bei der Digitalisierung weiterer Staatsleistungen von Nutzen sein können.
Wir sind gespannt, ob eine bundesrechtskonforme Einführung von E-Collecting im Kanton St. Gallen aktuell möglich ist — und ob die Regierung ein solches Vorhaben befürwortet.
Ivan Louis (*1990) ist Kantonsrat des Kantons St.Gallen. Der SVP-Politiker ist Inhaber einer Webagentur.
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