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Grossverteiler beziehen Stellung

Thurgauer Aprikosenhof rettet zwei Tonnen Aprikosen vor dem Müll

Zwei Tonnen vom Regen gezeichnete Aprikosen aus dem Thurgau wurden dank einer Facebook-Aktion dennoch verkauft. Die Initianten waren vom Erfolg überrascht. Viele prangen indes die Grossverteiler an, zu wenig gegen Food Waste zu unternehmen.

Manuela Bruhin am 14. August 2019

Wer wünscht sie nicht, die Story mit einem Happy End. Dies erlebte kürzlich auch der Thurgauer Aprikosenhof. Der Regen machte der Früchteernte einen Strich durch die Rechnung. Das Ergebnis: viel zu viele Aprikosen der zweiten Klasse. Macht der Anteil der Aprikosen zweiter Klasse üblicherweise einen Anteil von rund 20 Prozent aus, waren es in dieser Saison satte 80 Prozent. Zu viele also, als dass die Grossverteiler diese übernehmen konnten. Diverse Medien schlugen mit ihren Meldungen nur zu gern in die Kerbe der «bösen» Grossverteilern, welche unförmige oder leicht verregnete Früchte nicht mehr weiterverkaufen würden. Dies ist aber nur die halbe Wahrheit.

Überwältigende Reaktion

Zwar verkauft der Aprikosenhof den Grossteil seiner Früchte durch die Direktvermarktung. Daneben gibt es noch zwei, drei Grossverteiler. Grundsätzlich werden auch hier Aprikosen zweiter Klassen weiterverkauft. «In diesem Jahr machte der Anteil jedoch zwei Tonnen aus. So viel also, dass sowohl Grossverteiler wie auch wir selber an die Grenzen stiessen», sagt Verkaufsleiter Manuel Horvath. Man überlegte hin und her, was man mit den besagten Früchten machen könnte. Bis schliesslich der Aufruf über Facebook erfolgte. Unter dem Titel «Rettet die Ernte vor dem Müll» wurden die Aprikosen für zwei Franken pro Kilo angepriesen – die Resonanz war überwältigend, wie Horvath weiter erklärt. «Nach vier Stunden waren alle Früchte weg. Damit hätten wir nie gerechnet.»

Keine Möglichkeit?

Der Aufschrei, essbare Lebensmittel einfach auf den Müll zu schmeissen, war also gross. Die Kunden kamen folglich nicht nur aus der Region Ostschweiz. Eine ältere Dame beispielsweise reiste aus der Innerschweiz an, um die Aprikosen zu kaufen. 20 Kilo Früchte nahmen Zürcher in ihren Heimatkanton mit. Eine Kundin sagte gegenüber eines Lokalsenders beispielsweise, dass wir zwischenzeitlich eine «solch doofe Einstellung zu diesem Thema hätten». Andernorts würden Menschen unter Hunger leiden, und wir werfen Früchte weg, welche nicht mehr ganz der Norm entsprechen. Ein weiterer Kommentar: «Der Konsument hat ja gar keine Möglichkeit, diese Produkte beim Grosshändler zu kaufen, weil sie dort gar nicht erst im Sortiment aufgenommen werden.»

Grosshändler dementieren

Diese Meinung wird häufig vertreten – doch stimmt das überhaupt? Nein, heisst es beispielsweise bei Coop. «Wir verkaufen mit der Coop-Eigenmarke Ünique bereits seit 2013 Früchte und Gemüse, die aus der Norm fallen», sagt Mediensprecherin Andrea Bergmann. «Auch in unserem Prix-Garantie-Sortiment bieten wir Früchte und Gemüse an, deren Grösse von der offiziellen Norm abweichen.» So trage Coop dazu bei, dass ein grosser Teil der Ernte genutzt werden könne. Ähnlich tönt es auch bei der Migros. Höhere Qualitätstoleranzen seien bei M-Budget-Früchte oder Gemüse erlaubt. Beispielsweise, was die Grösse anbelangt – oder die grössere Akzeptanz von Schorf oder anderen Mängeln. Mediensprecher Tristan Cerf: «Noch ein interessanter Input zum Thema Food Waste: Äpfel, die nicht als Tafelkernobst verkauft werden, werden zu Trockenfrüchten verarbeitet oder gelangen in die Industrie und dienen dort beispielsweise als Basisprodukt von Saftmischgetränken.»

Auf dem Boden bleiben

Beim Aprikosenhof ist man glücklich über das Ende der Geschichte. Dennoch muss man – vielleicht gerade in einer Zeit, in welcher das Thema Food Waste mehr und mehr aufkommt – realistisch bleiben. Ob es ökologisch sinnvoll ist, für ein Kilo Aprikosen mehrere Stunden Autofahrt auf sich zu nehmen, sei dahingestellt. Ein Aspekt dürfe zudem nicht vergessen werden, wie Horvath betont: «Bei der Aktion stand im Vordergrund, dass wir die Früchte retten konnten – und nicht etwa, einen möglichst günstigen Preis anbieten zu können.» Die Preise für Früchte im Handel hätten durchaus ihre Berechtigung. Und schliesslich würde kein Bauer etwas produzieren, um es anschliessend einfach wegzuwerfen.

Aprikosenhof
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Manuela Bruhin

Manuela Bruhin (*1984) aus Waldkirch ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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