... dann hätte ich jetzt einige ganz praktische Probleme. Gut bin ich Schweizer. Da kommen sie vermutlich erst noch.
Lockdown in Österreich, und das exakt bis dann, wenn die grossen Weihnachtskäufe anstehen. Wobei die kein Thema sind, in den nächsten drei Wochen haben die Österreicher so viel Zeit an der Backe, um online zu shoppen, dass sie am Nikolaustag bereits mit allem Nötigen ausgestattet sind. Und mit allem unnötigen.
Bundeskanzler Sebastian Kurz, der noch vor wenigen Jahren selbst von einem Schul-Lockdown betroffen gewesen wäre (als Schüler, nicht als Lehrer), markiert den harten Hund. Bis zum 26. November gilt beispielsweise eine «Ausgangsregelung 0 bis 24 Uhr». Der Name ist verfänglich, er bedeutet nicht, dass man rund um die Uhr ausgehen soll, sondern exakt das Gegenteil.
Es gibt Ausnahmen. Zu diesen gehört die «Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum.» Sprich: Wenn die Bude brennt, darf man raus. Ziemlich grosszügig von den Österreichern, es wäre ihnen auch zuzutrauen gewesen, dass sie das Motto «Verbrennen für das Vaterland» ausgeben. Wenn aber einige sehr schmerzempfindliche Personen wegen eines Feuers die Wohnung verlassen, dann wäre es nichts als anständig, wenn man im gleichen Atemzug auch noch andere Ausnahmen erfüllt, also unterstützungsbedürftige Personen betreut, die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens deckt, Individualsport treibt und einen Gerichtstermin wahrnimmt. Dann lohnt es sich wenigstens.
Also, liebe Österreicher: Wenn ihr im Schlaf plötzlich Rauch riecht, bitte die Jogginghose montieren, raus und drei Mal um den Block rennen, kurz Opa Georg besuchen und den Katheter wechseln, an der Tanke einen Liter Milch kaufen und beim Gerichtsgebäude nachschauen, ob gerade ein Prozess gegen euch läuft - so bewegt ihr euch wirklich berechtigt an der frischen Luft. Alles andere ist eine magere Ausrede, um die Ausgangsregelung zu unterlaufen.
Über die offiziellen Massnahmen hinaus würde Sebastian Kurz seinem Volk gerne eine Art Bruder-Klaus-Lifestyle diktieren. Er hätte auch gerne, dass man sich niemandem trifft ausser dem eigenen Haushalt. Wohnt man alleine (oder erträgt man die Leute im eigenen Haushalt nicht), solle man sich auf eine Kontaktperson beschränken. Wäre ich Österreicher und Single, müsste ich also einigen hundert Menschen, die ich kenne, mitteilen, dass ich ab sofort nichts mehr mit ihnen zu tun haben will, weil ich jemand anderen ausgewählt habe. Das kann zu Spannungen führen. Und was ist eigentlich, wenn mich jemand zur einzigen Kontaktperson ernennt, den ich nicht leiden kann? Darf ich ablehnen? Beziehungsweise, Moment: Wenn mich 100 Leute als einzige Kontaktperson wählen, darf ich dann 100 Leute regelmässig sehen? Das war wohl nicht die Idee. Aber gut, das Ganze wurde von Behörden erfunden, vielleicht ist eine Sinnsuche etwas vermessen.
Good news für die Gastronomie: Sie wird geschlossen, darf aber 24/7 einen Lieferservice anbieten. Das klingt schlüssig. Eine ohnehin schon fast ruinierte Beiz in Österreich ist sicher scharf darauf, Nachtpersonal anzustellen, das dann eine einzelne verirrte Bestellung um 3 Uhr morgens kocht und ausliefert. Klingt wirtschaftlich.
Apropos Gastronomie: Die «Notmassnahmenverordnung» tritt morgen Dienstag in Kraft. Das heisst, dass man heute noch einmal in die Vollen gehen kann (im Rahmen der aktuellen Einschränkungen). Was die Österreicher sicher tun werden. Sprich: Morgen wird das ganze Land mit dem Kater des Jahrhunderts aufwachen. Was aber nicht schlimm ist, da ja sowieso Homeoffice empfohlen wird.
Alles in allem dürfte Österreich ohnehin bald ein Jo-Jo-Land sein. Kaum jemand glaubt, dass die dreiwöchige Radikalkur das Coronavirus aus der Republik vertreibt. Nach dem 6. Dezember wird der alte Stand bald wieder erreicht sein, zumal dann der Winter so richtig da ist und die Menschen ein grosses Nachholbedürfnis haben. Das wiederum ist aber nicht weiter schlimm, Kurz hat sich ja bereits in eine Lockdown-Mania hineinregiert. Nach Silvester und Dreikönigstag, wenn wir alle Speck angesetzt haben, ist der perfekte Zeitpunkt, den Laden wieder dicht zu machen.
Der Vorteil: Von Lockdown zu Lockdown gibt es weniger Restaurants und Läden, die etwas zuzumachen haben. So lösen sich Probleme (fast) wie von selbst.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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