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Von Irrationalität und Absurdität

Wie die Schuldfrage auf den Kopf gestellt wird

Die Maskenpflicht soll ausgedehnt werden. Schweizweit können sich nun Politiker und Geimpfte über eine «Ungleichbehandlung» beklagen: Ungeimpfte würden bevorzugt. Man reibt sich die Augen. Wie bitte? Wo genau?

Stefan Millius am 01. Dezember 2021

Alles kommt exakt so, wie es viele kritische Geister prognostiziert hatten. Die Impfung ist nicht die Lösung. Weder gegen die Verbreitung des Virus noch gegen Erkrankungen und schon gar nicht, was die Massnahmen betrifft. Das hatte sich früh abgezeichnet, als die zeitliche Wirksamkeit des Impfstoffs plötzlich im freien Fall war und der offenbar dringend nötige Booster propagiert wurde – mit leiser Ankündigung, dass wohl auch das nicht ewig reiche.

Nun werden die Massnahmen wieder verschärft – und nun dürfen sich Politiker und Geimpfte in verschiedenen Zeitungen beklagen. Für Geimpfte seien die Einschränkungen schwer nachvollziehbar, sagt beispielsweise Nationalrätin Ruth Humbel auf «20min.ch» und fährt fort: «Die Geimpften müssen grössere Einschränkungen auf sich nehmen als die Ungeimpften.»

Wo genau ist das der Fall? Passiert ist einzig das: Die Geimpften müssen plötzlich auch Dinge tun, die Ungeimpfte immer tun mussten. Das ist nicht die Schuld der Ungeimpften, sondern die der begrenzten Wirksamkeit des Impfstoffs – und natürlich der Hysterie über eine neue Variante, über die man kaum etwas weiss, die man aber vorsichtshalber mal zur Gefahr des Jahrhunderts erklärt.

Eine seltsame Schuldumkehr. Die Politik des Bundesrats geht nicht auf, die Impfkampagne ist sowohl quantitativ wie qualitativ verpufft. Nach wie vor befindet sich das Gesundheitswesen nicht annähernd in einer Notlage, aber weil diese immer angekündigt worden war, muss man sie eben weiter suggerieren. Und weil die Regierung schlecht zugeben kann, dass ihre Strategie nicht aufgegangen ist, braucht es einen Sündenbock. Den hat man in den Ungeimpften – einer immer kleiner werdenden Gruppe notabene – gefunden.

Auf «20min.ch» äussert sich auch die Nationalrätin der Grünen Katharina Prelicz-Huber in diesem Sinn, «Geimpfte müssen am Arbeitsplatz neu eine Maske tragen. Dadurch könnten sich geimpfte Mitarbeitende gegenüber Ungeimpften benachteiligt fühlen.»

Wie denn das bitte? Kein Ungeimpfter hat jemand anderen zur Impfung genötigt, das war ein freier Entscheid. Er erfolgte aufgrund konkreter Versprechungen, die nun nicht eingehalten werden. Es ist hinlänglich bekannt, dass ein Zurückfahren der Massnahmen in Aussicht gestellt wurde, sobald jeder Impfwillige die Gelegenheit zur Impfung hatte. Es gab also nie einen Grund, sich impfen zu lassen zu tun für diejenigen, die es nicht wollten. Aber dann wurde die «Solidarität» aus dem Hut gezaubert. Plötzlich reichte es nicht mehr, dass jeder, der wollte, es tun konnte. Es galt mit einem Mal, auch die «Unwilligen» zu überzeugen. Und als das nicht gelang wie vorgesehen, wurden sie zu Schuldigen erklärt.

Geimpfte mit Maske in Innenräumen: Das war natürlich nicht die Idee der Betroffenen. Zu Fall gebracht haben sie aber die neueste Legende um eine Variante aus Südafrika (von der man dort kaum etwas weiss) und das Gefühl des Bundesrats, nun wieder mehr tun zu müssen. Es ist keine Bevorzugung der Ungeimpften. Die haben ihre Linie gehalten und können wenig dafür, wenn nun die Geimpften unter die Räder kommen.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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