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Eine Polemik

Wikipedia, wir weinen!

Wikipedia will uns nicht. Eine Zeitung ist es nicht wert, dort aufgenommen zu werden. Wobei, doch, klar. Nur wir nicht.

Stefan Millius am 22. Januar 2019

Was haust nicht alles unter dem Dach von Wikipedia. Neben unverzichtbaren Informationen über die grössten Errungenschaften der Menschheit sind es auch denkbar viele scheinbare Nebensächlichkeiten. Gerade das macht die digitale Enzyklopädie so unverzichtbar. Man findet einfach alles!

Naja. Fast alles.

«Die Ostschweiz» findet man nicht. Wobei: Schon. Allerdings nur die vor über 20 Jahren zugrunde gegangene gedruckte Tageszeitung. Unsere Onlinezeitung hingegen, die ziemlich lebendig ist, ist der Wikipedia nicht würdig. Unser Antrag auf gnädige Aufnahme wurde von der anonymen Jury schonungslos zurückgewiesen. Argument: «Mangelnde Relevanz». Und schon war die Seite gelöscht.

Dann hoffen wir doch wenigstens, dass stets mit denselben Ellen gemessen wird.

Mal sehen. Die «Republik», dieses nach einem Jahr von der Pleite (oder zumindest der Reduktion) gefährdete Onlinemagazin, hat einen ellenlangen Beitrag in Wikipedia. Die «TagesWoche», ein Basler Medium, ebenfalls. Es ist übrigens inzwischen eingegangen, es ist also ein historischer Eintrag. Das Nachrichtenportal «Watson» hat ebenfalls einen Eintrag. Dieses Medium gibt es immer noch, aber es ist nach wie vor einfach, wie sollen wir es sagen… albern?

Also stellen wir fest: Um die Gnade von Wikipedia empfangen zu können, muss man entweder bereits tot  (TagesWoche), mit X Millionen Franken alimentiert und doch defizitär (Watson) oder urban-links-abgehoben (Republik) sein. Alles andere ist nicht würdig. Munter am Leben, rentabel, relevant für eine Region: Nein, das sind keine Kriterien.

Was sollen wir dagegen tun? Zum einen haben wir eigentlich nicht vor, zu sterben, nur um bei Wikipedia zu landen. Und X Millionen, die wir dann sinnlos verpulvern, gibt uns auch keiner. Und urban werden wir beim besten Willen nicht, was an der Ostschweiz soll schon urban sein? Eine Zwickmühle.

In einer perfekten Welt würde man in dieser Situation irgendwo Rekurs einlegen gegen den Entscheid. Nur leider ist Wikipedia, immerhin die wichtigste Informationsquelle des 21. Jahrhunderts, zutiefst undemokratisch. Man kann nicht gegen Beschlüsse vorgehen, nirgends. Namenlose Nerds in abgedunkelten Kellerräumen im Elternhaus (so stellen wir uns das vor) spielen ein bisschen Gott und sagen, was geht - und was nicht.

Wir leben gut ohne Wikipedia. Aber wir stellen ernüchtert fest: Die Bastion der Wissensvermittlung im Jahr 2019 funktioniert nach reiner Beliebigkeit.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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