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Beschwerde wegen Hilfsmittel

Thurgauer IV kassiert Schlappe vor Gericht

Die IV-Stelle des Kantons Thurgau muss der SP-Kantonsrätin Barbara Müller einen Laserlangstock als Hilfsmittel im Alltag finanzieren. Das hat das Verwaltungsgericht entschieden. Die IV hatte sich gegen den Antrag von Müller für eine Kostenübernahme gewehrt.

Stefan Millius am 08. April 2019

Das Papier des Verwaltungsgerichts ist 22 Seiten dick und enthält viele Erwägungen. Die Bilanz ist aber kurz und klar: Die Invalidenversicherung Thurgau muss der Beschwerdeführerin Barbara Müller aus Ettenhausen einen Laser-Langstock finanzieren. Die Kantonsrätin und Geologin ist massiv sehbehindert und erblindet allmählich. Sie hatte daher dieses Hilfsmittel bei der IV beantragt.

Müller hatte argumentiert, sie sei beruflich viel auf Reisen und könne nicht stets auf eine Begleitperson zählen. Der spezielle Stock erkennt mittels Laserstrahlen Hindernisse und «warnt» durch Vibrieren. Für Personen, für die aufgrund ihrer Tätigkeit ein «normaler» Blindenstock nicht ausreicht, gibt es im Wesentlichen zwei Alternativen: Einen Blindenführhund oder den besagten Laseraufsatz.

Ihr Antrag auf Finanzierung eines solchen Laser-Langstocks wurde aber durch die IV im September 2018 abgewiesen. Einen Monat später erhob Barbara Müller Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, das auch als Versicherungsgericht fungiert.

Sie wies dabei auch darauf hin, dass der Laser-Aufsatz für einen Blindenlangstock ab dem 1. Januar 2019 wahrscheinlich ohnehin in die Hilfsmittelliste des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) aufgenommen werde. Und schon heute sei es Usanz, dass Betroffene anstelle eines Blindenführhunds einen Laser-Langstock erhalten.

Das BSV bestätigte gegenüber dem Gericht im Dezember 2018, dass beide Behauptungen zutreffen. Das Schreiben sprach Klartext: Man befürworte die Praxis, einen Laseraufsatz anstelle eines Blindenführhunds einzusetzen, die Aufnahme des Laser-Langstocks in die Hilfsmittelliste sei vorgesehen, und schon heute könne man das Gerät bei entsprechendem Bedarf abgeben.

Die IV ihrerseits beharrte darauf, dass es sich beim Laser-Langstock nicht um eine «einfache und zweckmässige» Versorgung handle, die man finanzieren würde, sondern um die «bestmögliche», auf die kein Anspruch bestehe. Mit anderen Worten: Barbara Müller wollte aus Sicht der IV einen Rolls Royce, während es ein billigeres Modell auch getan hätte.

Das Verwaltungsgericht sieht das anders stützt nun die Darlegungen von Barbara Müller. Bereits unter der früheren Regelung wäre es laut den vorliegenden Informationen möglich gewesen, ein solches Hinderniserkennungsgerät abzugeben - im Sinn des «Austauschs» gegen ein anderes Hilfsmittel. Es folgen weitere Erwägungen, die aufzeigen, dass der Antrag auf Finanzierung gerechtfertigt war.

Mit der Bilanz, dass Müllers Beschwerde gutgeheissen und die Verfügung der IV aufgehoben wird. Die Ablehnung des Gesuchs um Kostenübernahme durch die IV sei «zu Unrecht» erfolgt, schreibt das Verwaltungsgericht. Die Gerichtskosten von 500 Franken muss die Beschwerdegegnerin, also die IV-Stelle, tragen.

Übrigens: Der Blindenführhund, den die IV stets als Alternative dargestellt hatte, wäre laut Gericht zudem die teurere Variante als der Laser-Langstock. Letzterer kostet einmalig rund 3000 Franken, dazu kommt noch eine Schulung. Ein ausgebildeter Blindenführhund kostet laut verschiedenen Quellen um die 20'000 bis 30'000 Franken, dazu kommen die laufenden Kosten über die Jahre.

Barbara Müller

Die Thurgauer Geologin Barbara Müller auf einer Mission. (Bild: zVg)

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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