Demonstrationen? Gemüse statt Fleisch? Oder doch der Verzicht auf Flugreisen? Wie können wir das Ruder herumreissen, wenn es um die Klimaerwärmung geht? Ronald Ivancic, Referent am Networkingtag, erklärt, weshalb es bei der Umsetzung häufig hapert.
Sie appellieren an die Schwätzer, dass Sie Macher werden sollen. Gibt es also im Hinblick auf den Umwelt- und Klimaschutz zu viele davon?
Es gibt generell zu viele davon! Gerade in der Betriebswirtschaft, die streng genommen gar keine Wissenschaft ist, haben Buzzwords und neuer Wein in alten Schläuchen Hochkonjunktur. Kaum ein Wissenschaftler oder Berater der für einen, eigentlich recht bekannten Ansatz, neue, überwältigende Begriffe erfindet. Purpose Management, Value-driven Marketing, Knowledge-Enhancement, Experience Management – alles Dinge, die es schon seit hunderten von Jahren gibt. Aber um Bücher zu verkaufen, Artikel zu lancieren und generell etwas zu gelten, bedarf es dieser Neologismen. Wenn Sie mich fragen, ob es zu viele davon gibt, muss ich das mit einem klaren Ja beantworten. Macher sind allerdings Mangelware. Dabei nehme ich mich als Dozent an einer Bildungsinstitution von der Kritik nicht aus. Auch ich bin kein Macher – kann aber hoffentlich andere zum Machen animieren.
Die Probleme sind bekannt, an der Umsetzung hapert es jedoch. Weshalb ist es so?
Ich würde gar nicht sagen, dass es an der Umsetzung hapert. Noch nie waren Manager, Mitarbeiter, Menschen so sensibilisiert wie heute. Es ist leicht, Missstände anzuprangern – Greta Thunberg und die Friday for Future Bewegung hat es vorgemacht. Lösungen zu finden, ist ein anderes Thema. Aber auch hier gibt es positive Entwicklungen. Ich finde es schade, dass diese beispielsweise im Vergleich zu Friday for Future eher unbemerkt bleiben. Ein Beispiel ist der junge Boyan Slat, der eine Technologie entwickelt hat, mit der sich der Ozean gewissermassen selbst reinigen kann. Aber beinahe jedes Unternehmen, das ich kenne – und im Rahmen meiner Tätigkeit habe ich mit vielen Unternehme zu tun – beschäftigt sich mit der Thematik und setzt Akzente. Ob es genug ist, ist eine andere Frage. Aber sobald, und dies scheint gesellschaftlich beinahe erreicht zu sein – die Themen Eingang in die betriebliche Erfolgsrechnung finden – machen es alle. Die Herausforderung ist somit eine systemische – ob der Neokapitalismus dazu geeignet ist, diese zu lösen, bleibt offen.
Die Welt muss nicht ständig neu erfunden werden, so die Aussage. Wo müssten die Hebel also angesetzt werden, um die Probleme in Angriff nehmen zu können?
Nachhaltiges, verantwortungsvolles Management beschäftigt die Menschheit seit Jahrhunderten. Die Grundsätze des «ehrbaren Kaufmanns» kennt man beispielsweise seit dem 12. Jahrhundert. Die Bezeichnung stammt aus dem italienischen Mittelalter und beinhaltete praktische Fertigkeiten (z.B. Schreiben, Rechnen, Gewinnstreben), aber auch charakterliche Attribute wie Vertrauen aufbauen, Toleranz oder Höflichkeit. Damals wurde Gott stellvertretend für die Armen mitberücksichtigt und war sozusagen Teilhaber am Geschäft. Im Grundsatz geht es also um Werthaltungen, Kompetenzen und ein faires Verhalten Anspruchsgruppen, worunter auch die Umwelt fällt, gegenüber. Dies gilt es, basal seitens der Unternehmensführung zu berücksichtigen.
Wie müsste diese in die Pflicht genommen werden?
Sie ist bereits in der Pflicht und schlägt sich meines Erachtens wacker. Ähnlich wie beim ehrbaren Kaufmann geht es auch bei Unternehmen darum, klare und verantwortliche Haltungen einzunehmen, Kernkompetenzen zu pflegen und die Identität des Unternehmens und das Produkt erlebbar zu machen. Hierzu braucht es klare Visionen und Werte, eine Verankerung selbiger in der Unternehmenskultur sowie die richtigen Mitarbeitenden für die richtige Zeit am richtigen Ort. Unkapriziöse und unneologistische Wege hierzu zeige ich gerne am Networkingtag der OST auf.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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