(Grafik: Thomas Baumann)
Selbst wenn man die von den Initianten zur Finanzierung angedachte Erhöhung der AHV-Beiträge um 0,4 Prozentpunkte mit in die Berechnung einbezieht, profitieren Personen mit einem Jahreseinkommen bis zu 300'000 Franken von der 13. AHV-Rente.
Von einer 13. AHV-Rente profitieren vor allem Personen mit tiefem und mittlerem Einkommen: Mit diesem Argument werben die Initianten für ihre Initiative. Zumindest bezüglich der tiefen Einkommen stimmt dieses Argument offensichtlich nicht: Je tiefer die Rente, desto tiefer auch die 13. Rente – eigentlich trivial. Wer also eine Minimalrente von 1225 Franken pro Monat bezieht, dessen 13. AHV-Rente beträgt ebenfalls 1225 Franken – Bezieher einer Maximalrente von 2450 Franken hingegen erhalten zusätzlich 2450 Franken pro Jahr: Arme kommen eindeutig schlechter weg als Personen mit mittlerem Einkommen.
Es wäre aber den Initianten Unrecht getan, würde man die Rechnung ohne den Wirt machen: Um die 13. AHV-Rente zu finanzieren, müsste man die Lohnabzüge um 0,4 Prozentpunkte erhöhen. So haben es die Initianten berechnet und kommuniziert. Und da ist klar: Je mehr jemand verdient, desto höhere AHV-Beiträge muss er bezahlen.
Trade-off zwischen höherer Rente und höheren Beiträgen
Es gibt also einen Trade-off: Höhere Rente versus höhere Beiträge. Klar ist: Personen mit tiefem und mittlerem Einkommen bis zu einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 90'000 Franken erhalten im statistischen Durchschnitt schon bisher fast 300'000 Franken mehr an Rente ausbezahlt, als sie während ihres Erwerbslebens an AHV-Beiträgen bezahlen.
Folgende Grafik verdeutlicht diesen Zusammenhang für eine Einzelperson. Die rote (untere) Linie beschreibt die jetzige Situation: Einzelpersonen mit einem Durchschnittseinkommen von bis zu 163'000 Franken erhalten netto mehr aus der AHV als sie Beiträge leisten. Die blaue Linie beschreibt die Situation mit einer 13. AHV-Rente und um 0,4 Prozentpunkte erhöhten AHV-Beiträgen, wie sie von den Initianten zur Finanzierung der 13. AHV-Rente angedacht wurden:
(Grafik: Thomas Baumann)
Wie man sieht, verläuft die blaue Kurve über ihre gesamte Länge oberhalb der roten Kurve, welche die jetzige Situation abbildet: Alle Einkommensgruppen profitieren. Zudem erhalten neu auch Personen mit einem Durchschnittseinkommen bis zu 169'000 Franken mehr Rente von der AHV als sie AHV-Beiträge entrichten.
Einkommen bis zu 295'000 Franken profitieren
Die folgende Grafik bildet diese Differenz zwischen den beiden Kurven in der Grafik oben im Detail ab. Man sieht, dass Personen mit einem Durchschnittseinkommen von 88'200 Franken pro Jahr – also genau dem Einkommen, das es braucht, um eine Maximalrente zu erhalten – nach Abzug der erhöhten Lohnbeiträge am meisten von der Einführung einer 13. AHV-Rente profitieren würden.
(Grafik: Thomas Baumann)
Man sieht ebenfalls, dass Personen mit einer Minimalrente von einer 13. AHV-Rente nicht mehr profitieren als Personen mit einem Durchschnittseinkommen von 162'000 Franken. Insgesamt profitieren sogar Personen mit einem Durchschnittseinkommen von bis zu 295'000 Franken von einer 13. AHV-Rente.
Dies mag auf den ersten Blick überraschen: Schneidet denn die Kurve in Grafik 1 die Nulllinie nicht bereits bei etwas mehr als 160'000 Franken? Das tut sie tatsächlich, doch auch unterhalb der Nulllinie verläuft die blaue weiterhin oberhalb der roten Linie: Selbst Nettozahler in die AHV bis zu einem Einkommen von 295'000 Franken (in Grafik 1 nicht abgebildet) profitieren somit von der Einführung der 13. AHV-Rente.
Dabei ist weiter zu berücksichtigen, dass es sich bei den Zahlen zum Einkommen um Durchschnittseinkommen über das gesamte Erwerbsleben handelt. Bis ein erfolgreicher und geschäftstüchtiger Arzt oder Anwalt aber ein solches Einkommen von 300'000 Franken oder mehr erzielen kann, muss er davor in der Regel während vieler Jahre zu einem deutlich tieferen Einkommen gearbeitet haben.
De facto profitieren somit selbst Personen von einer 13. AHV-Rente, welche in den besten Jahren ihrer Karriere ein Einkommen von zwischen einer halben Million und einer Million Franken erzielen: Auch bei um 0,4 Prozentpunkte erhöhten AHV-Beiträgen erhalten sie mehr, als sie zusätzlich bezahlen.
Sergio Ermotti: Kein repräsentatives Beispiel
Es ist daher kein Wunder, bringen die Initianten ausgerechnet das Beispiel des UBS-CEO Sergio Ermotti: Dieser würde wegen der höheren Lohnabzüge pro Monat zusätzlich 4'400 Franken in die AHV einzahlen, aber dafür nur 200 Franken mehr Rente pro Monat erhalten.
Die Initianten müssen tatsächlich verzweifelt sein, dass sie für ihr Rechenbeispiel keinen gutverdienenden Arzt oder Anwalt gefunden haben, sondern gleich den CEO eines weltweit tätigen börsenkotierten Konzerns bemühen müssen. Und selbst Ermotti mit seinem Jahreseinkommen von über zehn Millionen Franken vermag mit seinen zusätzlichen AHV-Beiträgen gerade einmal die 13. AHV-Rente von 22 Personen zu finanzieren. Damit die Rechnung der Initianten tatsächlich aufgeht, bräuchte es in der Schweiz Hunderttausende Ermottis.
Nimmt man statt Ermotti einen «gewöhnlichen» Einkommensmillionär, also eine Person, welche in seinem gesamten Erwerbsleben immerhin stattliche 44 Millionen Franken verdient, dann sieht die Rechnung folgendermassen aus: Zusätzlichen AHV-Beiträgen von 330 Franken pro Monat steht eine Rente von 200 Franken gegenüber. Kein Wunder, benötigt man als Beispiel gleich einen Sergio Ermotti, damit die Rechnung wenigstens annähernd beeindruckend aussieht.
Die Rechnung geht nicht auf
Von der 13. AHV-Rente profitieren somit etwa 99 Prozent der Bevölkerung, von arm bis zu sehr wohlhabend. Das ist schön und gut. Nur die Naivsten aber glauben, dass die ein Prozent «Ermottis» in der Bevölkerung das alles zu finanzieren vermögen.
Auch die 13. AHV-Rente bleibt somit dem Grundprinzip der AHV treu: Finanziert wird auf Pump, das heisst auf Kosten der zukünftigen Generationen. Nur einen Unterschied gibt es: Wird eine Einzelperson in der AHV bereits ab einem Durchschnittseinkommen von 162'000 Franken zum Nettozahler, so profitieren von der 13. AHV-Rente auch noch Einkommen bis zu 295'000 Franken.
Der Kreis der Nutzniesser wird bei der 13. AHV-Rente also noch einmal deutlich erweitert, die Zahl der Nettozahler hingegen schrumpft weiter: Immer weniger sollen für immer mehr aufkommen. Dass diese Rechnung nicht aufgehen kann, ist offensichtlich.
(Symbolbild: Depositphotos.com)
Thomas Baumann ist freier Autor und Ökonom. Als ehemaliger Bundesstatistiker ist er (nicht nur) bei Zahlen ziemlich pingelig.
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