Viele sind damit aufgewachsen, heute ist seine Bedeutung wortwörtlich gleich Null. Ein Nachruf auf das Sparbüechli, verbunden mit der Frage: Wer ist eigentlich an seinem Niedergang schuld? Und kann man dagegen überhaupt etwas tun?
Es rauschte mal wieder im Blätterwald: Die UBS verzinst das Sparbüechli nicht mehr. Null, nada, nix. Ende sparen. Oder wie es das Onlineportal «watson» auf den Punkt brachte: «Sergio Ermotti: 14 Millionen. Dein UBS-Sparkonto: 0 Prozent Zins.»
Allerdings: Würde CEO Ermotti seine 14 Millionen auf ein Sparkonto legen, kriegte er auch keine Zinsen dafür. Und mal im Ernst, waren denn 0,01 Prozent Zinsen vorher so viel besser? Und wie schaut’s denn bei den anderen Banken aus? Sind die 0,05 Prozent der Appenzeller Kantonalbank besser? Oder das Sparkonto der Raiffeisen mit dem gleichen Zins? Bei deren Jugendsparkonto gibt es schlappe 0,5 Prozent, bei der Credit Suisse müde 1 Prozent, in Appenzell 0,75.
Anlagesparkonto, Konto für 3. Säule, Kassenobligationen, Festgeld: Man muss lange suchen, bis man ein Angebot von einem Prozent Verzinsung findet. Aber immerhin, mag sich nun der Kleinsparer sagen, wenigstens mache ich keinen Verlust, werden mir keine Negativzinsen abgezogen. Im Prinzip ja, ausser, der Kleinsparer hält sein Konto bei der Alternativen Bank (AB). Auf deren «Alltagkonto» werden 0,125 Prozent abgezogen, ab 50'000 Fr. sogar 0,75 Prozent. Aber der Marktanteil der AB beim Geldaufbewahren ist verschwindend gering.
Der Marktanteil der Schweizer Inflation liegt aber sozusagen bei 100 Prozent. Sie trifft alle. Im Jahr 2018 betrug die Jahresteuerung 0,9 Prozent. Offiziell. Also verloren faktisch alle Sparer, unabhängig vom Zinssatz, Geld. Auch diejenigen, die weit mehr als 1 Prozent Zinsen kassierten.
Warum das? Ganz einfach, auch die Berechnung der Jahresteuerung ist, wie so vieles in der Finanzwelt, mehr als merkwürdig. Genauer heisst dieser Messfühler nämlich «Landesindex der Konsumentenpreise». Und der wird basierend auf einem sogenannten gewichteten Warenkorb berechnet. Also wofür gibt ein durchschnittlicher Haushalt in der Schweiz wie viel aus.
Das ist im Prinzip sinnvoll, nur: in diesem Warenkorb fehlen wichtige Bestandteile. Zum Beispiel Versicherungen, insbesondere die Krankenkassenprämie, die Jahr für Jahr steigt und immer bedrückender für viele Haushalte wird. Genauso wenig sind im Warenkorb die Immobilienpreise enthalten, die in den letzten Jahren ebenfalls steil anzogen. Man kann also davon ausgehen, dass die wirkliche oder «gefühlte» Inflation viel höher liegt als die offiziell ausgewiesene.
Nun könnte der Kleinsparer meinen, dass es doch nicht so furchtbar schlimm sei, wenn von seinem Ersparten pro Jahr zum Beispiel 2 Prozent abgeknipst wird. Also von 100 Franken bloss 2, und da die Hundertnote intakt bleibt, merkt er das nicht mal gross. Aber da zeigt der Kleinsparer wieder einmal, dass er von der Wucht des Zinseszinses keine Ahnung hat.
Nehmen wir dazu das Medianvermögen in der Schweiz. Also die Hälfte aller Schweizer hat ein Vermögen von mehr als 100'000 Franken, die andere Hälfte von weniger. Wenn diese Summe zehn Jahre lang angelegt wird und jedes Jahr verliert sie 2 Prozent an Wert, dann sind es nach diesem Zeitraum noch rund 82'000 Franken. Nach 20 Jahren bleiben ganze 67'000 übrig.
Schluck. Wenn man annimmt, dass ein Schweizer Haushalt pro Monat 500 Franken spart, also im Jahr 6000, dann braucht er rund 16 Jahre, um auf 100'000 zu kommen. Die aber gleichzeitig um rund ein Drittel an Wert verloren haben, wenn die wahre Jahresteuerung bei 2 Prozent liegt.
Bleibt die wichtige Frage: Wer ist schuld? Sind es die Banken, ist es Ermotti? Nein, die Banken sind es nicht, und Ermotti verdient zwar Millionen dafür, dass die UBS Milliarden an Aktienwert vernichtet, aber an den Null-Zinsen ist er nicht schuld. Die hängen vom sogenannten Leitzins ab, und den legt die Schweizerische Nationalbank (SNB) fest. Und die verlangt von Anlegern bei ihr, dass sie Geld dafür bezahlen, bei der SNB Geld deponieren zu dürfen.
Die SNB sagt nun, dass sie auch nicht schuld sei, weil sie sich nach dem Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) richten müsse. Sei der Zinssatz in der Schweiz höher als der Leitzins der EZB, dann steige die Attraktivität des Frankens, sein Kurs gehe in die Höhe, die Exportindustrie leide. Deshalb müsse die SNB den Leitzins im Negativen behalten.
Stimmt das wenigstens? Nein. Denn die SNB sitzt inzwischen nicht nur auf einem Devisenberg vor allem in Euro und Dollar, der die gesamte jährliche Wertschöpfung in der Schweiz überragt. Sondern auch auf einem Eigenkapital von sagenhaften 150 Milliarden Franken. Das würde es ihr ermöglichen, den Devisenberg auch unter Verlusten abzutragen und sich damit aus der Verklammerung mit dem Euro zu lösen.
Und am Ende all dieser Handlungen stünde dann, dass das traditionelle Sparbüechli in der Schweiz wieder das tut, was es in alter Väter Sitte schon lange Zeit tat: einen bescheidenen, aber sicheren Ertrag abwerfen.
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