In der vergangenen Woche erhielt die Iranerin Narges Mohammadi, die sich zurzeit im Evin Gefängnis in Teheran befindet, den Friedensnobelpreis. Eine Nachricht, die aufgrund der Geschehnisse in Israel in den Medien fast etwas unterging.
Für die Menschen im Land jedoch ist es ein Hoffnungsschimmer in ihrem Kampf gegen die Repressalien der Mullah-Regierung. «Die Ostschweiz» fragte dazu bei zwei in St.Gallen lebenden Iranern nach: Mandana Roozpeikar, Direktorin des Textilmuseums und Peyman Mehdiaraghi, Projektleiter in Zürich.
Frau Roozpeikar, am vergangenen Freitag hatten Sie doppelten Grund zur Freude: Sie konnten die neue Akris-Ausstellung eröffnen und gleichentags wurde Ihre Landsmännin Narges Mohammadi mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Was bedeutet dieser Preis für Sie?
Es ist gut zu wissen, dass die Weltbevölkerung den Iran und die dortigen gravierenden Missstände und Repressalien, welche tagtäglich gegen Frauen, Kinder und Männer verübt werden, nicht vergessen haben. So gesehen ist der Preis ein Zeichen der Solidarität. Aber ob sich damit etwas im politischen System ändert, bezweifle ich. Es ist nicht der erste Friedensnobelpreis, der an den Iran geht. Vor genau zwanzig Jahren hat Shirin Ebadi bereits diesen Preis erhalten und wie wir sehen geschehen Änderungen nur sehr langsam und unter Einsatz des eigenen Lebens.
Ist zu erwarten, dass diese Auszeichnung einer Gegnerin des herrschenden Regimes der Revolutionsbewegung neuen Aufschwung verleiht? Oder ist die Revolution inzwischen mehr oder weniger zum Stillstand gekommen?
Ich bin zu wenig involviert, um genaue Aussagen machen zu können. Aber ich könnte mir vorstellen, dass der Preis Mut und Hoffnung gibt, dass die Menschen im Iran sehen, dass sie nicht vergessen gehen.
Wie ist die Resonanz bei Ihrer Familie oder bei Freunden im Iran?
Ich habe keine direkten Freunde oder Familienmitglieder im Iran. Wir sind alle während der Iranischen Revolution geflohen und leben auf der ganzen Welt zerstreut. Zudem wurde und wird bei uns zuhause nur wenig über die iranische Politik gesprochen.
Sie werden sicher oft gefragt, woher Ihr Name kommt. Wie sind die Reaktionen der Menschen hier in der Schweiz, wenn sie hören, dass es ein iranischer Name ist?
Ich werde sehr oft beim Erstkontakt sofort auf meinen Namen angesprochen, was ich sehr anstrengend finde. Wenn ich sage, dass ich Schweizerin bin, wird nochmals nachgefragt und im Sommer gar auf meine Hautfarbe hingewiesen. Ich habe dieses Spiessrutenlaufen satt und sage deshalb nur noch "Ich bin aus dem Iran". Früher haben die Leute bei dieser Antwort eher mit Angst und Unbehagen reagiert. Man konnte an der Mimik direkt ablesen, dass ihnen Worte wie Islam, Fundamentalismus, Frauenunterdrückung durch den Kopf gehen. Seit letztem Jahr mit der Protestbewegung der Frauen im Iran ist die Reaktion eher Mitleid, oder bedächtiges Nicken.
Was wünschen Sie sich persönlich im Moment am meisten für Ihr Land?
Freiheit, Frauen-bzw. Menschenrechte und eine funktionierende Demokratie
Zur Person Mandana Roozpeikar
Wurde 1978 in Teheran geboren und kam bereits 1979 mit ihren Eltern aus dem Iran in die Schweiz, die Heimat ihrer Mutter. Sie wuchs in Pratteln auf. Ab 1999 studierte sie Ethnologie, Politologie und Medienwissenschaften an den Universitäten Basel sowie Freiburg im Breisgau und schloss im Jahr 2006 AB. Seit 1. März leitet sie als Direktorin das Textilmuseum St.Gallen.
Herr Mehdiaraghi, was ging Ihnen als erstes durch den Kopf, als Sie vom Friedensnobelpreis für Narges Mohammadi hörten?
Dieser Preis macht mich noch stolzer auf die Iranerinnen. Eine nachhaltige Gerechtigkeit findet zuerst in den Köpfen statt. Es scheint so, dass dieser Prozess im Iran bei den Frauen aber auch bei den Männern im Gange ist.
Zwei Tage zuvor ist eine 16 Jahre alte Schülerin nach einem Zwischenfall mit der Sittenpolizei in der Teheraner U-Bahn in ein Krankenhaus eingeliefert worden und liegt im Koma. Offenbar hat dieser Vorfall in der Bevölkerung weit weniger Reaktionen ausgelöst als vor gut einem Jahr der Tod von Jina Mahsa Amini. Wie erklären Sie sich das?
Das Reaktionsmuster der Bevölkerung muss ja nicht immer gleich sein. Solche Vorfälle hinterlassen aber immer Spuren. Die Tatsache, dass eine junge Teenagerin in solche Situation hineingerät, zeigt, wie verhärtet die Fronten noch immer sind.
Bereits vor 20 Jahren erhielt eine Iranerin, Shirin Ebadi, für ihre Bemühungen um Demokratie und Menschenrechte den Friedensnobelpreis. Seither hat sich im Land nicht allzu viel verändert, oder doch?
Sihirin Ebadi hat den Nobelpreis für ihr Engagement gegen die Ungerechtigkeiten erhalten. Leider ist die Welt seitdem nicht gerechter geworden. Das Selbstbewusstsein der Iranerinnen ist aber seither wesentlich grösser und das ist im Land zurzeit deutlich zu spüren.
Die Bekanntgabe der Nobelpreisgewinner wurde überschattet von den Ereignissen in Israel. Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach der Iran bei den Angriffen der Hamas?
Der Ukraine Krieg ist schlimm genug. Traurig, dass wir nun über den nächsten Konflikt sprechen. Die aktive Rolle von iranischen Machthabern in der Region ist kein Geheimnis. Wichtiger als Schuldzuweisungen zu machen wäre aber, das Leiden der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten zu stoppen. Jeder Krieg ist eine Niederlage.
Zur Person Peyman Mehdiaraghi (im Hauptbild)
Ist 51 Jahre alt, verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Er lebt seit 35 Jahren in St.Gallen und ist als Projektleiter in einer Firma in Zürich tätig.
Astrid Nakhostin (1959), freischaffende Journalistin, hat Betriebswirtschaftslehre studiert und war 26 Jahre lang als Marketingleiterin bei St.Gallen-Bodensee Tourismus tätig. Die letzten fünf Jahre gehörte sie dem Redaktionsteam des Swissregio Media Verlags an, zuletzt als Redaktionsleiterin der Bodensee Nachrichten.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.