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Zeyer zur Zeit

Alarm läuten oder leugnen?

Alarmieren oder abstreiten: Gibt es bei Corona nichts Drittes? Doch. Den gesunden Menschenverstand und einigermassen verlässliche Zahlen. Hat was mit Glaubwürdigkeit zu tun.

«Die Ostschweiz» Archiv am 10. November 2020

Wir wollen weder in die Vergangenheit schweifen, noch Schutzmassnahmen, alarmistische Ankündigungen oder eine Kakophonie von Warnungen bekritteln.

Wir massen uns auch nicht an, Immunologe, Virenspezialist, Epidemiologe oder eidgenössisch diplomierter Prognostiker zu sein. Auf all diesen Gebieten, angefangen bei der Brauchbarkeit des meistverwendeten Testverfahrens, gibt es Befürworter und Kritiker, wobei Letztere sicherlich nicht in Bausch und Bogen als Corona-Leugner oder Vollirre abgetan werden können.

Aber vielleicht helfen dem Laien, und um den geht es, der muss alle Folgewirkungen, Kollateralschäden, Milliardenschäden, Firmenpleiten und Arbeitslosigkeit ertragen, vielleicht helfen dem Laien ein paar einfach zu verstehende, unbestrittene Zahlen. Zur Einordnung des Gefahrenpegels.

Vor allem, um ein Gefühl dafür zu bekommen, um einschätzen zu können, ob die dieses Jahr schon getroffenen Massnahmen (und die wohl noch bevorstehenden) dem Grundprinzip staatlichen Handelns entsprechen: der Verhältnismässigkeit.

Oder auch, was jede Krankenkasse tun muss, was der Staat immer wieder tun muss: eine Kosten-Nutzen-Rechnung bestehen. Das gilt für alles. Auch für Menschenleben, für Erkrankungen, für Therapien. Nichts kann teuer genug sein, ein Menschenleben zu retten, das ist – mit Verlaub – dummes Geschwätz. Moralinsaure Realitätsverweigerung.

Also, ein paar Kernzahlen. Das Medianalter der Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 liegt bei 86 Jahren. Sie ist zudem von 84 auf 86 Jahre gestiegen. Was soll uns denn das sagen? Zunächst: die durchschnittliche Lebenserwartung bei Frauen liegt in der Schweiz bei 85,5, Männer werden 81,7 Jahre alt. Sagt das Statistische Bundesamt.

Was ist ein Medianwert schon wieder? Der gibt besser als ein Durchschnittswert die Verteilung an. Ein Medianwert von 86 Jahren bedeutet, dass die Hälfte aller Corona-Toten älter als 86 Jahre waren. Die andere Hälfte jünger. Die Hälfte starb also oberhalb der durchschnittlichen Lebenserwartung an Covid-19.

Allen wäre natürlich ein noch längeres Leben zu wünschen gewesen, aber diese Zahl korreliert sehr gut mit der prozentualen Verteilung der Corona-Toten. Rund 70 Prozent sind über 80 Jahre alt.

Aha, soll man also die Alten einfach sterben lassen? Natürlich nicht; man soll sie mit allen Mitteln schützen, aber auch mit Verhältnismässigkeit. Ob alte Menschen wirklich einsam und ohne Besucher ihre letzten Tage im Altersheim verbringen müssen, also zwar sehr gut gegen Ansteckung abgeschirmt sind, aber dennoch zum Sterben geschützt werden?

Nehmen wir eine zweite, wichtige Zahl. Die Verfügbarkeit von Plätzen in den Intensivstationen der Schweizer Spitäler. Die verfügen über etwas mehr als 1000 Plätze, normalerweise. Die können auf 1500, 1800 aufgestockt werden, im Bedarfsfall. Aber was passiert dann mit dem 18001. Patienten, der einen IPS-Platz braucht?

Wenn also alles belegt ist, auch kein Beatmungsgerät mehr zur Verfügung steht? Gibt es dann die mehrfach angekündigte und verschobene grosse Katastrophe? Nichts ist unmöglich.

Aber: Zunächst muss man wissen, das die IPS (Intensivpflegestation) immer im Schnitt zu 75 Prozent belegt ist. Denn heutzutage sind Spitäler, ob staatlich oder privat, dazu gehalten, ihre Kosten zu kontrollieren und möglichst effizient zu arbeiten. Und so ein IPS-Platz ist auch ohne Patient nicht billig. Also ist es klar, dass man die Reserve so klein hält, wie das noch vertretbar ist.

Nun erschreckte am 10. April, passenderweise am Karfreitag, die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI) die Bevölkerung mit der Mitteilung, dass bereits 98 Prozent aller IPS-Plätze belegt seien. Mit Covid-19-Erkrankten und mit anderen Patienten. Das heisst, es waren noch knapp 20 Plätze frei, bei weiterhin steigenden Infektionszahlen.

Wieso ist nicht damals schon das Gesundheitssystem der Schweiz an den Anschlag gekommen oder sogar zusammengebrochen? Ganz einfach, die Berechnungsgrundlage für diese Zahl war falsch. Sogar das BAG kam auf ganz andere Zahlen, aber ganz andere. Über das Osterwochenende seien knapp 53 Prozent der Intensivplätze belegt gewesen, oder in Zahlen: es waren noch 730 frei. Ebenfalls 50 Prozent der Beatmungsgeräte.

Wie das? Ganz einfach, die SGI zählte nur die offiziell zertifizierten und abgestempelten IPS-Plätze, das BAG die kurzfristig auf 1550 aufgestockten Intensivbetten. Die SGI räumte dann ein, dass sie diese nicht berücksichtigt habe.

Also alles in Butter bei der Intensivpflege? Nicht ganz. Betten zählen ist einfach, den Pflegenotstand beheben, das ist schwieriger. Denn es fehlt wenn schon nicht an Plätzen, sondern an Pflegepersonal. Für seinen Einsatz lausig bezahlt, und tapfere Klatschen auf Balkonen hilft da auch nicht wirklich.

Aber die rasant ansteigenden Prozentzahlen der positiv Getesteten? Damit kann man doch wie die Wissenschafts-Task-Force berechnen, wann die die Spitäler über den Rand treiben. Nein, kann man nicht. Die WHO geht weltweit von einer Todesrate von 0,14 Prozent der Infizierten aus. Damit korrigiert sie anfängliche Zahlen über das Killer-Virus; im März waren es noch 3,4 Prozent, also 24 mal mehr.

Glücklicherweise traf das dann, genauso wenig wie die Zehntausenden von prognostizierten Corona-Toten in der Schweiz, nicht ein. Aber es ist doch ein ungemein gefährliches Killervirus, oder? Man kann nur dagegenhalten: In den ersten 40 Wochen dieses Jahres hatten wir eine sogenannte Untersterblichkeit. Also es sind bislang insgesamt weniger Menschen gestorben als im Durchschnitt der vergangenen Jahre.

Damit soll keineswegs dazu aufgefordert werden, sich massenhaft abzuknutschen und in Clubs oder woanders fleissig verschiedene Körperflüssigkeiten auszutauschen. Aber es wäre schon schön, wenn diese ganzen mit ihrer Glaubwürdigkeit fahrlässig umgehenden Wissenschaftler wieder lernen würden: Früher, in den guten, alten Zeiten, da war das Wort «das ist amtlich» normalerweise das Ende der Diskussion.

Denn wer hätte denn eine amtliche Verlautbarung zu bezweifeln gewagt? Niemand. Weil amtlich damals ein Synonym war zu: verlässlich, glaubwürdig, sorgfältig überprüft, nach bestem Wissen und Gewissen, ohne jegliche Hintergedanken.

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«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.

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