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Zeyer zur (Ferien-)Zeit

Alptraum Sommerferien

Wir begleiten die fiktive Familie Streuli aus Bischofszell in die Ferien. Ins Desaster mit Ansage. Erster Teil: die zögerliche Anreise.

«Die Ostschweiz» Archiv am 06. Juli 2022

Das Angebot war unwiderstehlich. Punta Cana in der Dominikanischen. Das Tropical Suites Resort & Spa, Strandlage, all inclusive, mit Flug, schlappe 1195 Franken pro Person. Grosszügiger Kids Club, 10 Restaurants, Animation, 6 Bars, Casino, Liegestühle inklusive. Kinder mit Rabatt. Die Angabe, dass es insgesamt 785 «Wohneinheiten» gibt, nahmen Streulis so nebenbei zur Kenntnis.

Nach zwei Jahren Corona waren sie wirklich urlaubsreif, nach kurzer Besprechung mit seiner Gattin buchte Peter Streuli für zwei Erwachsene und zwei Kinder, Frühbucherspezialtarif 3485 Franken, ein Schnäppchen. Abflug am 5. Juli, dann zehn Tage Karibik. Sonne, Strand und nothing to do. Streuli sah sich schon mit einem bunten Drink in der Hand auf der weissen Liege unter einer Palme, vor sich das grünblaue Meer, neben sich seine Marlis, die Kinder gut versorgt im Kids Club.

Als der Abflugtermin näherrückte, konnten Streulis nicht ausblenden, wie es an den Flughäfen in Zürich, Amsterdam oder Paris so zuging. «Da muss man ja in der Schlange stehen, um in der Schlange anstehen zu dürfen», sagte Streuli fassungslos zu Marlis. «Aber wir fliegen doch wenigstens direkt ab Zürich, nicht wahr», antwortete die. Peter runzelte die Stirne und schaute zum ersten Mal die Flugunterlagen genauer an. «Zürich – Amsterdam – Punta Cana», las er da und spürte, wie ein kalter Finger sein Rückgrat kitzelte.

Nach einer weiteren ehelichen Besprechung suchte Peter nach den Stornierungsbedingungen, verstand sie nicht und beschloss, die Helpline des Reiseveranstalters anzurufen. Zwei Stunden später gab er den ersten Versuch auf. Aber als er den Wecker auf 3 Uhr morgens stellte und es zu dieser Zeit nochmal probierte, kam er nach bloss 27 Minuten Warteschlaufe ins Call Center durch. Allerdings bekam er die ernüchternde Auskunft, dass er selbstverständlich stornieren dürfe. Nur betrage die Gebühr so kurz vor Abflug leider 100 Prozent.

«Da müssen wir halt durch», sagte Streuli tapfer zu seiner Frau und den Kindern. Dann begann er generalstabsmässig die Reiseplanung. Der Flug von Zürich nach Amsterdam ging um 7.20 Uhr. Streuli stellte fest, dass der erste Zug aber erst um 6.36 Uhr am Flughafen ankam. Das hätte normalerweise vielleicht gereicht, aber unter diesen Umständen? Streuli musste seiner Familie verklickern, dass es unumgänglich sei, bereits am Vorabend anzureisen. Leider seien die Flughafenhotels bereits ausgebucht (was nicht stimmte, aber sie waren auf jeden Fall zu teuer, fand Streuli), aber man werde die Zeit schon irgendwie rumkriegen und sei wenigstens sicher, den Flug auch zu erwischen.

Bei den Kids sank die Stimmung deutlich, und auch Marlis sah nicht mehr wirklich glücklich aus. So kamen Streulis am 4. Juli spätabends am Flughafen Zürich an und machten es sich auf dem Boden mehr oder minder gemütlich. Alle Sitzplätze waren leider schon belegt.

Aber Peter beobachtete, dass sich schon mitten in der Nacht eine Schlange vor den Check-in-Schaltern zu bilden begann, obwohl die noch längst nicht geöffnet waren. Also reihte sich Familie Streuli ein und wartete. Und wartete. Und wartete. Aber gute Nachricht, um punkt 6 Uhr standen sie vor dem Schalter, das Gepäck wurde eingecheckt, Boarding Pass, wunderbar.

«So», sagte Peter fröhlich, «nun können die Ferien endlich beginnen; im Flieger gibt es sicherlich ein nettes Frühstück.» Aber die Laune der Streulis sank wieder deutlich, als sie die Riesenschlange sahen, die vor dem Sicherheitscheck mit der Geschwindigkeit einer älteren Schildkröte vorankam. Als sie um 7 Uhr immer noch deutlich vom Ziel entfernt waren, wurde Peter leicht hektisch und drängelte sich mit rotem Kopf nach vorne. Glücklicherweise stiess er auf einen verständigen Passagier, der Familie Streuli vor sich hineinliess.

«Nun aber Vollgas», rief Streuli, «Gate B 37, das ist noch ein Stück dorthin.» Die quengelnden Kids mitzerrend, legten Streulis einen beeindruckenden Sprint auf endlosen Laufbändern hin. Und erreichten schwitzend um 7.15 Uhr Gate B 37. «Ach, da Boarding hat noch gar nicht begonnen», atmete Streuli auf, als er die Trauben von Passagieren sah, die sich vor dem Schalter ballten. Aber dann schaute er auf die Anzeigetafel: «Flug Zürich – Amsterdam – unbestimmte Verspätung», stand dort.

Streuli kramte zur Sicherheit nochmal den Flugplan hervor: «Ach, der Flug von Amsterdam nach der Dominikanischen geht ja erst um 14.25 Uhr», beruhigte er seine Familie, «da haben wir noch viel Zeit.» Mit dieser Hoffnung bestiegen Streulis dann um 10.30 Uhr endlich den Flieger nach Amsterdam. «Dauert nur eine Stunde und vierzig Minuten», kündigte Streuli an, «das reicht noch.» Als sie dann aber um 11.30 Uhr endlich abhoben, war sich Streuli nicht mehr so sicher, ob das noch reichen würde ...

Fortsetzung folgt.

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