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Zeyer zur Zeit

Angstschweiss

Auch Verleger und Mitglieder von Medienclans sind Menschen. Auch die lässt gelegentlich ihr Deo im Stich. Das ist zwischenmenschlich betrüblich. Wenn sich’s aber öffentlich zeigt, ist’s peinlich.

«Die Ostschweiz» Archiv am 04. Februar 2022

Pietro Supino hat’s getan. Der Statthalter des Medienclans Coninx – die Besitzer von Tamedia, bzw. Tx – hat sich in einem länglichen Leitartikel in seinen Blättern zum Mediengesetz geäussert.

Pascal Hollenstein, ehemaliger publizistischer Leiter von CH Media, hat’s auch getan. Leitartikel zum Mediengesetz. Nun hat’s auch noch Ladina Heimgartner getan. Who? Aber bitte, sie ist «CEO der Blick-Gruppe und Mitglied Executive Board» bei Ringier.

Kommentar zum Mediengesetz im «Blick». Das Porträt der ansonsten völlig unauffälligen Dame wurde gross ins Blatt gehoben; nur der alleroberste Boss, Michael Ringier, bekommt ein noch grösseres Foto geschenkt, wenn er mal das Wort ergreift.

Das musste er letzthin, um seinen CEO Marc Walder beiseite zu springen, der sich mit einem etwas unbedarften Video und der Aussage, dass er regierungsfreundliche Berichterstattung zu Corona angewiesen habe, etwas ins Gebüsch manövriert hatte.

Nun ist noch ein Mail von Walder zum Vorschein gekommen, in dem er seine «lieben Kollegen» und Chefs darum bat, unbedingt ihre Frontseiten für die Aufforderung des Bundesrats am Anfang der Pandemie freizuhalten, dass man bitte zuhause bleiben solle. Einen entsprechenden Kommentar der damaligen Bundespräsidentin Sommaruga werde er nachliefern.

Das war dann so peinlich, dass Ringer verstummte und nicht mehr kommentierte, wie Walder auch diesen Ball ins Netz drosch. Ist schon blöd, wenn man solche Kampfgenossen hat.

Aber Walder ist kein Einzelfall – sondern überall. Lassen wir das Gedöns von Vierter Gewalt, Kontrollinstanz und lebensnotwenig für die Demokratie beiseite.

Tapfer und unerschrocken, spätestens seit dem ersten Ausrutscher von Walder, halten alle Redaktionen die Flagge hoch, dass es eine strikte Trennung von Verlag und journalistischem Schaffen gebe. Niemals liesse man sich reinreden, niemals würden da Direktiven ausgegeben, niemals gebe es Beeinflussungsversuche. Oder wie das Heimgartner unsterblich komisch auf den Punkt bringt:

«Journalistinnen und Journalisten sind im Wissen um ihre Verantwortung der Gesellschaft und der Wahrheit verpflichtet. Es geht ihnen darum, Fakten ans Licht zu bringen und einzuordnen, damit sich die Leserinnen, Zuschauer, User ihre eigene Meinung bilden können.»

Das riecht nun, tut uns Leid, das bei einer Dame sagen zu müssen, sehr streng nach Angstschweiss. So roch auch schon der Leitartikel von Supino, das Gesülze vom inzwischen entsorgten Hollenstein, die tapferen Aussagen aller sieben Zwerge in der «Blick»-Chefredaktion.

Was aber die Mitglieder der Verlagsgeschäftsleitungen Supino, Walder, Hollenstein und Heimgartner vergessen: ihre Interventionen strafen all diese frommen Behauptungen Lügen.

Denn wenn es diese strikte Trennung gäbe, dürfte es doch nicht sein, dass sich die Verlage so ungehemmt, öffentlich und in Form ihrer Führungsfiguren redaktionell zu Wort melden. Wenn es diese strikte Trennung gäbe, die eiserne Regel, der Wahrheit verpflichtet nur Fakten zu bringen, dann könnte doch die Redaktion nicht hinnehmen, dass in diesen Wortmeldungen der Verlage Falschaussagen en masse herumgeboten werden.

Dann müsste es doch sofort ein Korrigendum geben, einen Faktencheck, eine Richtigstellung. Die Falschbehauptungen sind so offensichtlich, dass das jeder Jungjournalist mit kurzer Google-Recherche erledigen könnte. Notfalls bräuchte es dann halt die Kräfte eines Recherchedesks oder Investigativteams, was die Medien zu besitzen vorgeben.

Da das alles nicht geschieht, da weder inhaltliche noch formale Bedenken geltend gemacht wurden, die diese schweisseligen Schriftwerke hätten verhindern müssen, beweisen die Verleger doch genau das, was sie gleichzeitig bestreiten.

Wer zahlt, befiehlt. Welche Meinung, Tendenz, welcher Blickwinkel, welche Positionen gelten, das bestimmen die Besitzer. Wer denn sonst. Das ist Usus, war schon immer so. Neu und peinlich ist allerdings, dass angesichts schlechter Umfragewerte sich leise und laute Panik bemerkbar macht. Selbst in wohltemperierten Chefbüros entstehen verräterische Flecken unter den Achselhöhlen. Denn eine Milliarde haben oder nicht haben, das ist auch für Multimillionäre, selbst für Milliardäre kein Pappenstiel.

Und nachdem alle Mietmäuler und Meinungsbüttel in ihren Reaktionen offensichtlich versagt haben, ihre Medienmanager nur eine an Peinlichkeit nicht zu überbietende Kampagne mit einem missbrauchten Tell hingekriegt haben, meinen nun die Chefs, dass sie sich selber in die Schlacht werfen müssten.

Ganz falsch. Kalte Dusche wäre viel wirkungsvoller. Die kommt am 13. Februar wohl sowieso.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
«Die Ostschweiz» Archiv

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