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Grenzgebiet Tösstal

Auch die Ostschweiz hat ihren «Bibelgürtel»

Menschen, die Aufmerksamkeit meiden, ziehen sich gerne in die Peripherie zurück. In einer Grenzregion hat sich eine besonders illustre Ansammlung von Personen angesiedelt. Willkommen im «Bible belt» der Ostschweiz.

Adrian Zeller am 20. Juni 2018

Wer seine Ruhe haben will, ist hier richtig: Im Grenzgebiet von Hinterthurgau, Toggenburg und Tösstal. Je nach Blickwinkel endet oder beginnt hier die Ostschweiz. Die Landschaft ist von steilen Hügeln, schroffen Wänden, engen Tälern und sehr viel Wald geprägt.

Wunderliche Ortsbezeichnungen

In diesem topografisch sehr anspruchsvollen Gebiet verdienen sich keine Industriellen und keine Landwirte eine goldene Nase. Kein Wunder, ist die Region dünnbesiedelt. Sie ist bei Bikern und Wandern beliebt. Motorradfahrer jagen am Wochenende ihre Maschinen über die vielen Kurven. Pilger wallfahren ihrerseits gerne zur Iddaburg oder ins Kloster Fischingen. Manche ziehen weiter Richtung Spanien, nach Santiago de Compostela.

Oft aber ist es ruhig, Kuhglockengebimmel, Vogelgezwitscher, der Stundenschlag einer Kirche und dann und wann das ferne Brummen eines Flugzeugs. Die geografischen Namen tragen hier wunderliche Bezeichnungen, die die Fantasie beflügeln: Sternenberg, Allenwinden, Höllwald, Sagenraintobel, Wolfsgrueb und Brandenfelshöhle.

Schutz des Schweizer Luftraums

Eine reine Idylle ist die Region nicht, sie birgt verschiedene Geheimnisse: eines der am strengsten gehütete ist seit 1999 gelüftet. Damals endete der Kalte Krieg. In einer versteckten Geländenische hatte die Schweizer Armee während Jahrzehnten Flugabwehrraketen vom Typ Bloodhound positioniert . Im weitverzweigten hügeligen Gebiet gibt es noch immer militärische Kavernen. Selbst Ortskundige behaupten, sie würden deren Zweck und Inhalt nicht kennen.

Paradies für Botaniker

Doch in diesem Grenzgebiet gibt es auch weit friedlichere Flecken. Während der letzten Eiszeit ragten einige Hügelkuppen aus der kalten Masse. Wie in einer Arche Noah überlebten dort Pflanzen, die nun wegen ihrer Seltenheit Naturliebhaber anlocken. Einige Teile des Geländes stehen unter Naturschutz. Die intensive Nähe zur Natur sucht auch die Bewegung der Naturisten, deren Anhänger sich gerne ab und zu aus der Zivilisation zurückzieht und dazu die Kleider ablegen. Am Sitzberg besitzt die Organisation die neue Zeit ein abgelegenes Areal, wo die Nudisten vor neugierigen Blicken geschützt sind.

Christliche Gemeinschaften

Das Grenzgebiet ist aber auch ein Tummelfeld für Menschen, die sich gerne ausführlich mit höheren Spähern beschäftigen. Trotz ihrer geringen Bevölkerungsdichte verzeichnet es auffallend viele unterschiedliche Glaubensgemeinschaften. Daher wird die Region bisweilen auch als «Bibelgürtel» bezeichnet.

Ansässig sind etwa die Gemeinde für Christus, die Neuapostolen, die Methodisten, die Freie Missionsgemeinde, die Christliche Gemeinde Hoffnung und Licht. Der Grund für diese Dichte liegt weit zurück: Durch die Reformation bilden sich zahlreiche Splittergruppen mit teilweise fundamentalistischen oder eigenwilligen Bibelauslegungen.

Bei der Einführung der evangelisch-reformierten Landeskirche in Zürich wurden sie zum Teil bekämpft. Das unübersichtliche und einigermassen abgelegene Tösstal bildete für sie eine Art Reduit, in der sie unbehelligt blieben und toleriert wurden. In vielen Familien wird die Glaubensauslegung an die nächste Generation weitergegeben.

Etwas weiter östlich haben sich Sympathisanten des Vereins zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis (VPM) niedergelassen. Die Organisation gilt seit 2002 als offiziell aufgelöst. Die letzte Leiterin des umstrittenen und polarisierenden VPM, Annemarie Buchholz-Kaiser, verbrachte ihren Lebensabend im Hinterthurgau. Sie verstarb 2014.

Botschaften von anderen Planeten

Wohl die spektakulärste Lehre pflegt die Gruppe der Freien Interessengemeinschaft für Grenzwissenschaften und Ufologie (FIGU) im Semjase-Silver-Star-Center in Hinterschmidrüti. Sie besteht seit vierzig Jahren und befindet sich in der Nähe der ehemaligen Bloodhound-Startbasen. Ihr über achtzigjähriger Gründer «Billy» Eduard Albert Meier sichtet seit seinem fünften Lebensjahr in der Region UFOs und pflegt nach eigenen Angaben Kontakt zu Ausserirdischen, den Plejadiern.

Durch die Technik der Raum-Zeitverschiebung- immer nach Billy Meiers Angaben - können die Plejadier die Distanz von ihrem Heimatplaneten und der Erde innert Kürze überwinden. Die Strecke beträgt einige 100-Millionen-Lichtjahre. Sie materialisieren sich gelegentlich in seinem Büro. Durch sie weiss Billy Meier, dass die offiziellen Angaben zur Weltbevölkerung um eine Milliarde zu tief angegeben werden. Ideal wäre es, wenn lediglich 529 Millionen Menschen auf dem Planeten leben würden.

Globale Verbindungen

Auch wenn die FIGU an einem sehr abgelegenen Ort ihren Sitz hat, pflegt sie dank Internet Beziehungen in die ganze Welt. Doch besuchen sollte es nur ein ausgewählter Personenkreis. Ein Schild an der Zufahrt informiert: «Rechtschaffene Besucher/Interessenten sind uns willkommen. Neugierige Gaffer, Sektierer, Rassisten, Fremdenhasser sowie sonstige Irre und Anormale sind unerwünscht und werden ersucht, dem Center fernzubleiben.»

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Adrian Zeller

Adrian Zeller (*1958) hat die St.Galler Schule für Journalismus absolviert. Er ist seit 1975 nebenberuflich, seit 1995 hauptberuflich journalistisch tätig. Zeller arbeitet für diverse Zeitschriften, Tageszeitungen und Internetportale. Er lebt in Wil.

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